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JON OLIVA: Songs wie von QUEEN, BEATLES, THE WHO oder BLACK SABBATH!

Worte wie “Langeweile” oder “Schaffenspause” scheinen in Jonathan Nicholas Oliva’s Wortschatz nicht zu existieren. Denn warum sonst sollte er mit seiner neuen Band ein derart erstklassiges Album veröffentlichen?

Worte wie “Langeweile” oder “Schaffenspause” scheinen in Jonathan Nicholas Olivas Wortschatz nicht zu existieren, denn nach etlichen Alben mit SAVATAGE (hier fungiert er als Sänger, Komponist, Bassist und/oder Pianist), dem TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA (in der Funktion des Komponisten, Bassisten, Sängers, Pianisten und Keyboarders), CIRCLE II CIRCLE (hier agierte er lediglich als Komponist) und DOCTOR BUTCHER (als Songwriter, Sänger und Bassist) veröffentlicht der 44-jährige gebürtige New Yorker nun mit seiner neuen (Neben-)Band JON OLIVA’S PAIN das erste Album.



Der Titel “Tage Mahal” ist als Hommage an seinen verstorbenen Bruder Criss zu verstehen, der diesen Titel für ein Soloalbum, das aufgrund seines tödlichen Verkehrsunfalls im Jahre 1993 nie veröffentlicht werden konnte, verwenden wollte. Jon schrieb und produzierte (dieses Mal ohne Paul O’Neill) alle Songs im Alleingang und dürfte alle Fans überzeugen, die den Zeiten, in denen die die Band Klassiker wie “Gutter Ballet” und “Streets” veröffentlichte, nachtrauern. Ich sprach mit Jon Oliva über dieses erstklassige Album eines echten Ausnahme-Musikers.

Hallo Jon, ist JON OLIVA’S PAIN ein (weiteres) Projekt oder eine (weitere) Band?

JON OLIVA’S PAIN ist definitiv eine Band. Ich habe zwar alle Songs geschrieben, aber die Jungs haben mich im Studio wirklich sehr unterstützt und mir sehr viel geholfen. Wir haben auch schon einige Liveshows absolviert, die wirklich sehr gut liefen und bei denen wir teilweise bei einigen SAVATAGE-Songs wie “Sirens” oder “The Dungeons Are Calling” von CHRIS CAFFERY und Steve Wacholz unterstützt wurden.

Was war denn der Grund, dass du JON OLIVA’S PAIN ins Leben gerufen hast?

DEN Grund gibt es eigentlich nicht. Es ist aber so, dass die SAVATAGE-Jungs in viele andere Projekte involviert sind. Einige arbeiten mit dem TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA oder haben wie CHRIS CAFFERY selbst ein Album veröffentlicht. Es war also sehr, sehr schwer diese Jungs zusammen zu trommeln, was auf Dauer etwas frustrierend für mich war, denn ich möchte eigentlich zu jeder Zeit in der Lage sein, Songs aufzunehmen oder live aufzutreten. Ich fing also an, mich etwas zu langweilen. Ich wollte unbedingt etwas zu tun haben und da ein neues SAVATAGE-Album aufgrund der unterschiedlichen Lebensstile jedes Einzelnen im Moment nicht machbar und möglich ist, hab ich eben JON OLIVA’S PAIN gegründet. Ich spiele mit einigen der SAVATAGE-Jungs schon seit über zwanzig Jahren zusammen, was aber nicht bedeutet, dass sie mir immer und zu jeder Zeit zur Verfügung stehen. Wir arbeiten eben nicht mehr nach einem Terminplan, sondern machen dann zusammen Musik, wenn die Zeit dafür reif ist und alle Beteiligten auch die entsprechende Zeit haben.

Apropos SAVATAGE : Es gab in den letzten Wochen einige Gerüchte, was den Posten des Sängers betrifft. Wie ist denn der Stand der Dinge? Gehört Damond Jiniya, der am 19.04.2001 zum ersten Mal mit SAVATAGE auf der Bühne stand, noch zur Band bzw. ist er noch deren Sänger?

Das Line-Up hat sich nicht verändert. Wir planen für den Herbst 2006 – wenn die Band ihr 25-jähriges Bestehen feiert – ein wirklich großartiges Projekt. Viele Musiker, die im Laufe der Jahre bei SAVATAGE gespielt haben, werden in dieses Projekt involviert sein. So wird Steve Wacholz mit Sicherheit bei einigen Songs zu hören sein, Alex Skolnick wird sich daran beteiligen und auch Zachary Stevens wird einige Songs einsingen. Nur weil diese Musiker nicht mehr zur Band gehören, gibt es zu dem einen oder anderen immer noch engen Kontakt. Und das gilt nicht nur für Steve Wacholz [der von 1979 bis 1994 zur Band gehörte – Anm. des Verf.] und Johnny Lee Middleton [der seit 1986 zur Band gehört – Anm. des Verf.] mit denen ich schon so viele Jahre zusammen spiele, mit denen ich eine Menge Scheisse erlebt habe, mit denen ich quasi großgeworden bin und mit denen ich die wohl besten Jahre meines Lebens verbracht habe. SAVATAGE ist keine normale Band mehr. SAVATAGE ist mehr eine Familie. Und egal, welcher Musiker die Band in den letzten Jahren aus welchen Gründen auch immer verlassen hat, es gab niemals – bis zum heutigen Tage – böses Blut nach der jeweiligen Trennung. Ich kann auch nicht sagen, ob dieses Projekt die letzte SAVATAGE-Veröffentlichung werden wird, denn hätte mir jemand vor über 20 Jahren gesagt, dass ich im Jahre 2004 immer noch in einer Band namens SAVATAGE spiele, hätte ich diesen Menschen wahrscheinlich ausgelacht und für verrückt erklärt. Aber ich kann allen SAVATAGE-Fans versichern, dass das neue Album, wann immer es auch erscheint, von hoher Qualität sein wird, über die sich alle freuen können. SAVATAGE ist nämlich eine Song-Band. Das heisst, es ist nicht so wichtig, welche Musiker auf der Bühne stehen, sondern das Wichtigste sind die Songs, die diese Musiker spielen. Es ist aber auch so, dass jeder neue Musiker, den Stil der Band etwas verändert hat. Bis zu dem Zeitpunkt, als mein Bruder starb [am 17.10.1993 – Anm. des Verf.], war SAVATAGE eine gitarrenorientierte Band. Doch nach seinem Tod bzw. seit dem Einstieg von Zachary Stevens im Jahre 1993 wurde die Band – nicht nur was den Gesang anging – etwas experimenteller und verspielter.

Na, da bin ich aber mal gespannt, wie das Album dieses Projektes klingen wird und ob auch Keith Collins (Basser von 1981 – 1985) und Al Pitrelli (Gitarrist von 1995 – 1999) daran beteiligt werden. Nach dem ersten (und zweiten, und dritten, und vierten und…lassen wir das) Anhören fühlte ich mich stilistisch an die Alben “Streets”, “Gutter Ballet” und “Power of
the Night” erinnert.

Das ist wirklich cool, dass du das so empfindest, denn gerade gestern [das Gespräch fand am 08.10.2004 statt – Anm. des Verf.] sagte ich einem Kumpel, dass ich das ähnlich sehe. Das Album riecht förmlich nach den Zutaten, die wir damals für “Streets” und “Gutter Ballet” verwendeten – gepaart mit der Rauheit von “Power Of The Night”. Genauso würde ich das Album auch beschreiben. Man könnte allerdings auch sagen, dass das Album nach und wie JON OLIVA klingt – denn es sind meine Songs und meine Einflüsse zu hören. Ich hab gerade dieses Mal wirklich sehr viele meiner frühen Einflüsse mit in das Songwriting einfliessen lassen. Ich wollte Songs schreiben, die nach QUEEN, den BEATLES, THE WHO oder BLACK SABBATH klingen!

Was macht denn einen Song zu einem “100% Jon Oliva”-Song?

JON OLIVA
JON OLIVA: “Ich möchte zu jeder Zeit in der Lage sein, Songs aufzunehmen oder live aufzutreten.”

An erster Stelle würde ich meinen Gesang nennen, speziell wie ich ihn auf “Tage Mahal” einsetze. Ich würde sagen, ein typischer Jon Oliva-Song klingt wie ein Metal-Song mit Melodie und einem dunkel-düsteren Anstrich. Ich würde vom neuen Album “The Dark” und “Guardian of Forever” als typische Jon Oliva-Songs bezeichnen, die meine Einflüsse von den BEATHLES, über BLACK SABBATH bis hin zu QUEEN deutlich werden lassen. Natürlich klingen diese Songs nach SAVATAGE, aber das liegt nur daran, dass ich wirklich jeden einzelnen SAVATAGE-Song komponiert oder zumindest mitkomponiert habe. Das Gute am neuen Album ist auch, dass ich wirklich jede einzelne Entscheidung alleine treffen konnte. Anders als in der SAVATAGE-Familie, wo man Kompromisse eingehen muss, hab ich dieses Mal wirklich über jedes Arrangement, jeden Gesangspart oder jedes Gitarrensolo entscheiden können ohne mit vielen Leuten darüber diskutieren zu müssen. Das war einerseits ein entspannteres Arbeiten, doch andererseits musste ich mich auf einmal auch um irgendwelche Gitarrenharmonien kümmern, was ich in der Form noch nie machen musste. Ich musste mich erstmalig mit den Bass-Parts auseinandersetzen, was sonst immer in den Aufgabenbereich von Johnny Lee Middleton fiel. “Tage Mahal” ist somit eigentlich – zumindest was den Aufnahmeprozess betrifft – das erste “100% Jon Oliva”-Album. Was den kreativen Teil betrifft ist es schon so, dass wir bei SAVATAGE oder dem TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA sehr demokratisch an die Songs herangehen. Ich erinnere mich da an diesen mehrstimmigen Vocal-Part in “Chance” [vom “Handful of Rain”-Album – Anm. des Verf.]. Paul O’Neill mochte diesen Part – im Gegensatz zu Zack und mir – überhaupt nicht – aber weil wir eine demokratische Band sind, entschieden wir uns diesen Part im Song zu belassen. Und das ist nur ein Beispiel von vielen.

Sind denn alle Songs extra für “Tage Mahal” geschrieben worden?

Die meisten Songs sind zwar neu, aber es gibt z.B. im Song “Nowhere to Run” einen Part, den wir vor einigen Jahren mal in einem Demo-Song namens “Target” [der lediglich auf der “Silber-Edition” des “Sirens”-Albums zu hören war – Anm. des Verf.] verwendeten. Mein Bruder Criss und ich mochten von diesem Song eben nur einige Strophen. Diese verwendete ich also für “Nowhere to Run” – und weil es eben ein alter Song ist, war es für mich auch klar, dass Steve Wacholz für diesen Song das Einspielen der Drums übernehmen sollte. Dann gibt es noch das Ende von “The Dark”, das ursprünglich für einen SAVATAGE-Song des “The Wake of Magellan”-Albums vorgesehen war. Ansonsten sind die Songs relativ frisch und in den letzten eineinhalb Jahren entstanden – die Texte sind sogar erst in den letzten acht Monaten geschrieben worden, was wirklich sehr schwer war, denn das letzte Mal, dass ich so dermaßen in das Schreiben der Texte involviert war, war zu Zeiten von “Power of the Night” und “Fight for the Rock”. Es gibt auch kein spezielles textliches Konzept. Das einzige Konzept ist, dass die Songs streckenweise sehr persönlich sind und von mir, meinen Ängsten, meinen Erlebnissen, meinen Gedanken und meiner Sichtweise zu einigen Dingen handeln. So gibt es einen Song, der von meinem Bruder handelt, während sich ein anderer mit den Geschehnissen vom 11. September befasst. In gewisser Weise haben die Texte einen “Streets”-Vibe.

Ich möchte etwas näher auf “People Say – Gimme me some Hell” eingehen …

Speziell dieser Song ist mein persönlicher Tribut an SAVATAGE. Ich fand anfangs einfach keinen passenden Text für diesen Song, der bereits fix und fertig aufgenommen und der letzte war, den ich vor dem Mix noch einsingen musste. Eines Tages kam mir die Idee – und frag mich bitte nicht, woher sie kam – einen Text zu schreiben, der aus SAVATAGE-Songtiteln besteht. Ich suchte also alle meine SAVATAGE-CDs zusammen und schrieb dann diesen Text – und mittlerweile gehört dieser Song zu meinen ganz persönlichen Albumfavoriten.

Bist du dir – wenn du Songs komponierst – bereits von Beginn an darüber im Klaren, für welche Band bzw. welches Projekt du diese Songs verwenden wirst?

Also, ich gehe nicht mit der Vorgabe in mein Studio, einen Song zu schreiben. Ich spiele einfach Gitarre, setze mich ans Piano und nehme jeden Ton auf, was manchmal mehrere Stunden dauern kann. Wenn ich dann morgens zwei oder drei Stunden im Studio war, verlasse ich dieses wieder. Ich kümmere mich dann um andere Dinge oder gucke Fernsehen. Abends gehe ich dann wieder ins Studio, höre mir an, was ich morgens aufgenommen habe, sortiere dann die Highlights aus und überspiele sie auf ein anderes Tape. Erst wenn dann der Song irgendwann mal fertig ist, entscheide ich, ob er auf ein SAVATAGE-Album passt oder sich eher für TRANS-SIBERIAN-ORCHESTRA eignet.

Ich finde, du bist in einer sehr glücklichen Lage. Das TRANS-SIBERIAN-ORCHESTRA ist in Amerika wirklich sehr gross und in Europa begeisterst du die Fans mit SAVATAGE oder JON OLIVA’S PAIN!

Richtig, und darüber bin ich sehr froh. Das TRANS-SIBERIAN-ORCHESTRA ist wirklich unglaublich gross bei uns in Amerika. Wir bekamen mehrere Platin-Auszeichnungen und spielten im Madison Square Garden und überhaupt den grössten Veranstaltungsorten in Detroit oder Chicago. Und für meine Musik, die ich mit SAVATAGE oder JON OLIVA’S PAIN mache, ist eben Europa der ideale Markt. Ich will jetzt nicht sagen, dass ich in Amerika für die Art von Musik gar keine Fans habe, aber sie ist ungefähr so gross, wie sie in den frühen 80ern war – also sehr im Untergrund verwurzelt. Das Musikgeschäft ist halt ein Kreislauf und ich bin eben ein Teil dieses Kreislaufs. Es ist ein “Auf und Ab” in Amerika – und in Europa ist das Interesse an dieser Art von Musik auf einem konstanten wie hohen Level geblieben.

Layout: Uwe

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