GRAVITY KILLS: Macht Mercedesfahren glücklich?

Selten erlebte eine Band einen derart kometenhaften Aufstieg wie GRAVITY KILLS Mitte der Neunziger. Dem Singlehit "Guilty" konnte man in keiner Alternativezappelbude entkommen, und selbst im Kino erklang der Hit zum wüsten Leinwandtreiben von Stars wie Brad Pitt, Morgan Freeman und Kurt Russell. Doch dann wurde es still um die Shootingstars, nachdem auf den selbstbetitelten Erstling das etwas glattere Zweitwerk "Perversion" gefolgt war. Entsprechend überraschend kam die Ankündigung eines neuen GRAVITY KILLS-Albums namens "Superstarved", das sich dann auch noch als deutlich heftiger, metallischer und zugleich immer noch gespickt mit den typischen grandiosen Melodien entpuppte.

Selten erlebte eine Band einen derart kometenhaften Aufstieg wie GRAVITY KILLS Mitte der Neunziger. Dem Singlehit Guilty konnte man in keiner Alternativezappelbude entkommen, und selbst im Kino erklang der eingängige Industrialrock-Track zum wüsten Leinwandtreiben von Stars wie Brad Pitt, Morgan Freeman und Kurt Russell. Doch dann wurde es still um die Shootingstars, nachdem auf den selbstbetitelten Erstling das etwas glattere Zweitwerk Perversion gefolgt war. Entsprechend überraschend kam die Ankündigung eines neuen GRAVITY KILLS-Albums namens Superstarved, das sich dann auch noch als deutlich heftiger, metallischer und zugleich immer noch gespickt mit den typischen grandiosen Melodien entpuppte. Meinen gesteigerten Informationsbedarf stillte der auskunftsfreudige, sympathische Sänger Jeff Scheel im gediegenen Ambiente der Lobby eines Stuttgarter Hotels.

Gewissermaßen ohne Vorwarnung seid ihr plötzlich wieder aufgetaucht mit eurem neuen Album, nachdem es doch verdächtig lange sehr ruhig um euch gewesen ist. Was war passiert?

Wir haben 27 Monate damit verbracht, uns aus unserem alten Plattenvertrag herauszukämpfen und einen neuen an Land zu ziehen. Unser Anwalt verdiente also nicht schlecht (lacht), während wir keine Platte rausbringen konnten. Wir haben uns also mehr als zwei Jahre fast ausschließlich damit rumgeschlagen, auch wenn wir gleichzeitig natürlich weiter Songs schrieben, die dann jedoch nicht veröffentlicht werden konnten. Wir hätten zwar noch ein weiteres Album über TVT herausbringen können, aber wir hatten das Gefühl, dass wir dort nicht mehr gut aufgehoben waren.

Wie schwer war es, während dieser Durststrecke nicht die Motivation zu verlieren?

Es gab sehr schwierige Abschnitte, in denen wir zwar weiterhin Songs für uns schrieben und aufnahmen, wir aber nicht wussten, ob diese jemals den Weg an die Öffentlichkeit finden würden. Die Arbeit in unserem Studio half uns aber, den Kopf frei zu bekommen von all dem, was rund um die Vertragsauflösung geschah. Es war gewissermaßen unsere Zuflucht, in der wir all das abschütteln konnten. Es gab aber auch Tage, an denen wir nicht an den Songs feilten, sondern nur zusammensaßen, miteinander redeten und versuchten uns gegenseitig aufzumuntern. Wir bildeten quasi unsere eigene psychologische Selbsthilfegruppe. Manchmal war es wirklich hart für uns, manchmal schoben wir den ganzen Mist aber auch einfach weg von uns und vergaßen den Ärger.

Ich stelle mir das sehr schwer vor, da tourt man erst monatelang, spielt jeden Abend vor einer Masse Leuten, und dann ist plötzlich das Feedback, das man von den Fans bekommt, nicht mehr verfügbar…

Ja und nein. Die Pause hatte auch ihre guten Seiten. Sie gab der Band die Chance, sich noch mal neu zu definieren. So hatten wir außerdem Zeit zum Nachdenken, was da mit uns geschehen war. Gut, wir waren nicht ganz so extrem durchgestartet wie meinetwegen LIMP BIZKIT oder so, aber wir wissen seither den Erfolg, den wir hatten, mehr zu schätzen. Davor lief es so ab, dass wir ins Studio gingen, sofort danach weiter auf Tour, nur um daraufhin erneut das Studio zu entern…bevor es wieder hieß Back on the road!. Vier Jahre lang gab es keine Verschnaufpause für uns. Daher war es o.k., mal ein paar Jahre lang wieder einfach nur ein ganz normales menschliches Wesen zu sein statt eine Art Trapezkünstler im Zirkus.

Woran lag es denn, dass ihr von eurem alten Label TVT weg wolltet? Hattet ihr ähnlichen Ärger mit ihnen wie NINE INCH NAILS vor einigen Jahren?

Nein, es war nur so, dass inzwischen unser A&R dort drei Mal gewechselt hatte und man uns in eine Richtung drängen wollte, in die zu gehen wir uns weigerten. Außerdem ähneln die Beziehungen zwischen Bands und Plattenfirmen den verschiedenen Phasen, die man mit einer Partnerin durchlebt. Du triffst ein Mädchen, alles ist total wunderbar, es ist dir egal, wenn sie deine Zahnbürste mitbenutzt, ihr macht es nichts aus, wenn du deine Unterhosen auf dem Boden rumliegen lässt…du weißt schon, dich hat´s voll erwischt, alles ist großartig. Tja, und plötzlich nervt dich sogar selbst die Art und Weise, wie sie ihren Kaffee trinkt. So in der Art ist es meiner Meinung nach zwischen uns und TVT abgelaufen. Wir entfernten uns einfach voneinander. In den Staaten schicken sich TVT derzeit an, eher ein HipHop-Label zu werden. Mir ist aber dennoch bewusst, dass es genügend Leute dort gab, die sich für uns den Arsch aufgerissen. Witzig war, wie ich das erste Mal zu Verhandlungen ins Büro von Santuary Music in New York City reinlief…Mein Handy klingelte just in dem Moment, ich schaute auf´s Display und stellte fest, dass es TVT waren. Sie wussten nur, dass ich in der Stadt bin, und riefen an, um zu sagen, dass wir abends ausgehen sollten. Und ich stand da in dem Moment, wo ich gerade das erste Mal mit all den Leuten von Sanctuary redete. Das war echt witzig, alle mussten über die Situation lachen, selbst der Typ von TVT musste lachen. Weißt du, wenn ich Steve Gottlieb, dem Chef von TVT, morgen über den Weg liefe, würde ich ihn ganz normal begrüßen und ihm die Hand schütteln. Es war nämlich so, dass er uns nicht hätte ziehen lassen müssen, aber er tat es trotz der riesigen Investition, die sie in uns gemacht hatten. Das war das, was so lange dauerte, diese Investitionen aufzuschlüsseln. Die Entscheidung, uns gehen zu lassen, rechne ich ihm menschlich hoch an. Er hätte genauso gut darauf bestehen können, dass wir ein weiteres Album für sie aufnehmen, das dann in den Regalen verstaubt wäre, weil es ihnen nicht zugesagt hätte. Tja, dann säße ich wohl heute nicht hier, um mit dir zu reden. Ich renne nun zwar nicht mit ´ner TVT-Fahne durch die Gegend, gleichzeitig verteufle ich die Firma aber auch nicht.

Was sind nun eure Erwartungen an die Zusammenarbeit mit Sanctuary?

Eigentlich habe ich keine, aber ich sehe, dass sie sich wirklich ins Zeug legen. In den Staaten läuft es schon hervorragend, unsere erste Single des neuen Albums erklomm sehr schnell die Charts. Und hier in Europa, nun, sie haben mich extra eingeflogen, um Interviews von Angesicht zu Angesicht zu geben. Zum Vergleich: Unsere zweite Scheibe Perversion kam hierzulande bei Epic raus, und die kümmerten sich nicht im Geringsten darum. Sanctuary hingegen wollen Superstarved eine Chance geben, was mich sehr freut. Ich merke einfach, dass sie sich reinhängen für uns.

Während ihr businesstechnisch auf Eis gelegt wart, ist euch euer Drummer abhanden gekommen. Warum verließ er GRAVITY KILLS?

Nun, Kurt ist jemand, der Touren noch nie ausstehen konnte. Manche können davon nicht genug bekommen, während andere einfach für so was nicht geschaffen sind. Er gehört zu letzterer Gruppe. Nachdem wir von der Perversion-Tour heimkamen, brachte seine Frau ihr erstes Kind zur Welt, weshalb er noch mehr als zuvor einfach zuhause bleiben wollte. Das ist auch vollkommen o.k., wir sind nach wie vor befreundet. Neulich, ich glaube, es war am 22. Januar, direkt bevor wir mit SEVENDUST auf Tour gingen, kam dann sein zweites Kind zur Welt. Er ist also entsprechend glücklich. Böses Blut gab es definitiv nicht. Ein Teil von ihm wollte wohl auch gar nicht die Band verlassen, aber er wollte einfach für seine Frau und sein Kind da sein. Das muss man respektieren.

Mit eurer Zwangspause hatte das also nichts zu tun?

Das spielte vielleicht ein Stück weit mit rein, Kurt wäre aber auch sonst ausgestiegen. Gesetzt den Fall, wir hätten gleich wieder ein drittes Album rausgebracht, so Ende ´99, dann hätte er die Tour noch gespielt und die Band danach verlassen. Zu verhindern war das meiner Meinung nach nicht. Die Pause war wenigstens ein passender Moment für ihn, um aus der Band auszusteigen. Bei unserer letzten Show in St. Louis sprang er beim letzten Song auf die Bühne, um die Backingvocals mit uns zu singen. Wir kommen also miteinander nach wie vor gut klar.

Wie groß war der Beitrag, den euer neuer Schlagzeuger leisten konnte zum neuen Album?

Geschrieben hat er nichts von dem Material, aber er spielte die konventionellen Schlagzeugspuren ein, was uns wichtig war, da wir auf Tour nicht jemanden dabei haben wollen, der einfach nur die Sachen von jemand anderem nachspielt. Er spielt aber momentan noch in einer anderen Band, STIR, die in den Staaten einen Vertrag mit Capitol Records haben, eher schnörkellosen, direkten Rock spielen und gerade an einer neuen CD arbeiten. Er ist also vermutlich der meistbeschäftigtste Schlagzeuger in ganz St. Louis im Moment. Bislang kamen sich die Pläne der beiden Bands nicht ins Gehege, aber es wird sicher der Moment kommen, wo das der Fall sein wird.

Stammen die Songs auf Superstarved alle aus der jüngeren Vergangenheit oder habt ihr schon die ganze Zeit über an ihnen gefeilt?

Das Material auf der Platte ist neu mit Ausnahme von One Thing und Wide Awake. Ansonsten war alles ziemlich frisch entstanden im Zeitraum zwischen Sommer 2000 und September 2001. Love, Sex, And Money wurde gerade mal drei Wochen vor´m Studiotermin fertig.

Der gravierendste Unterschied zu euren alten Scheiben ist in meinen Ohren, dass ihr mehr Wert auf Härte legt und dafür die elektronischen Anteile etwas zurückgefahren habt. Absicht oder Zufall?

Absicht. Matt [Dudenhoeffer, Gitarre] und ich gehen mittlerweile anders an´s Songwriting heran. Brad kam dann hinzu und wir probten wie eine ganz normale Band. Wir entwickelten uns zu einer organischeren Band, was wir mit der Platte dokumentieren wollten. Über die Jahre hinweg habe ich mich auch mehr und mehr zum Hauptsongschreiber der Band gemausert. Stilistisch klingen wir dementsprechend mittlerweile so, wie es schon immer mein Traum war. Ich war schon immer ein Metal-Fan, mehr als alles andere. Das hat seinen Weg in unseren Sound gefunden.

Dein Gesang wirkt auch weitaus aggressiver als noch auf Perversion…

Ich erzählte unserem Produzenten Martin Atkins vor den Aufnahmen, dass ich die Vocals diesmal gerne heftiger, leidenschaftlicher und näher an meiner Liveperformance haben würde. Als wir dann in Chicago am Aufnehmen waren, fing er also an, all diese Psychospiele mit mir abzuziehen, ging mir absichtlich auf die Nerven und machte mich dumm an, all sowas. Einmal meinte er beispielsweise, ich solle Uh, baby, laalaalaa singen, wohlwissend, dass mich das auf die Palme bringen würde. Oftmals schrie ich ihn dann nur an: Fuck you, er zurück: No, fuck you! Er wollte mich damit aber die ganze Zeit nur auf 180 bringen. Dadurch war ich so angepisst, als es daran ging, die Gesangsparts aufzunehmen, dass ich mir die Seele aus dem Leib schrie. Die anderen Jungs in der Band waren die ganze Zeit eingeweiht, sie wussten, was Martin da abzog. Irgendwann in den vier Tagen rief ich völlig entnervt meine Freundin an und meinte nur noch, dass ich aussteigen will, weil ich es verdammt noch mal hasse. Ich wusste einfach nicht, dass alle nur dieses ausgeklügelte Spielchen mit mir abzogen, damit ich wirklich alles gebe. Martin tat eigentlich nur, worum ich ihn zuvor gebeten hatte, ich wusste das nur nicht. Ich dachte, er will wirklich, dass ich Uh, baby, laalaalaa auf Band singe, und ging voll ab. (lacht) Ich freue mich, dass dir die aggressiveren Vocals aufgefallen sind, denn ich hatte gehofft, dass das Endergebnis so klingt.

Naja, der Unterschied ist gerade gegenüber Perversion sehr deutlich…

Perversion war eine sehr hektisch zusammengestückelte Platte. Roli Mosimann war unser Produzent damals, was ein Fehler war. Roli machte privat während den Aufnahmen eine sehr schwere Zeit durch. Er versuchte von den Drogen wegzukommen, zugleich ließ er sich auch noch scheiden. Die halbe Zeit über war er folglich nicht mal im Studio, sondern unterwegs, um mit seinem Anwalt zu reden, oder er setzte sich ins Café um die Ecke, während wir noch am Arbeiten waren. Deshalb klingen wir auf dem Album irgendwie verloren, vor allem mein Gesang. Wir mussten quasi mit dem Engineer alleine das Album produzieren. Wir hauten damals ein fünf Mal so großes Budget für die Aufnahmen zu Perversion raus, als wir nun für Superstarved gebraucht haben. Und dennoch klingt Superstarved irgendwie wie die teurere Produktion.

Wobei ihr aber mittlerweile alles andere als glatt geschliffen und poliert daherkommt vom Sound her…

Ja, es klingt nicht überproduziert. Das ist Martin anzurechnen. Manchmal scheint es fast schwieriger zu sein, ein Album so zu produzieren, dass es nicht zu sauber klingt, gerade wegen all der Technologie im Studio. Martin drängte diese Dinge in den Hintergrund, indem er uns eben nicht gleich 20 Gitarrenspuren für jeden Song aufnehmen ließ, sondern es bei vier bis sechs beließ. Mir gefällt diese Art zu arbeiten sehr gut. Selbst unser Debüt kam mir immer ein klein wenig zu glatt vor, aber das ist nur meine persönliche Meinung.

Stellt der Titel Superstarved [starved = verhungert] eine Anspielung auf euren vergangenen Status dar?

Genau, es ist ein Kommentar zu dem, was wir durchgemacht haben, erst der Erfolg, dann das große Loch, in das wir fielen. Es geht um die Gegenüberstellung…wenn du etwas im Überfluss besitzt, kannst du es kaum schätzen, während du etwas unbedingt willst, wenn du es gerade nicht hast. Die Idee stammt nicht von uns, sondern von einem Kumpel, der uns eines Tages im Studio besuchte, während wir uns über unsere Situation aufregten. Er beschrieb das mit diesem Wort Superstarved und wir fanden es absolut zutreffend. Den Dank im Inlay hat er sich verdient.

Der Opener der neuen Platte heißt Love, Sex, And Money – Liebe, Sex und Geld, ist das das, worauf es im Musikbusiness ankommt, hehe?

Sollte es nicht sein. In dem Song kotzen wir uns gründlich über die Popkultur aus. Sein Gesicht auf den Werbewänden sehen, einen fetten Mercedes fahren [zeigt grinsend zum großen Mercedesstern auf dem gegenüberliegenden Bahnhofsturm hoch… – Anm. d. Verf.], mit einem Model zusammen zu sein und Erfolg mit einem Maß messen, das nicht unbedingt glücklich macht, darum geht es in dem Text. Macht es mich als Person besonders glücklich, wenn ich einen Mercedes fahre? Wohl kaum! Die Leute glauben das aber. Darum drehen sich Textzeilen wie I don´t think salvation becomes you [Ich glaube nicht, dass dir die Erlösung gut steht]. Du kannst all diese Statussymbole besitzen, es macht dich noch lange nicht zu einer Persönlichkeit, auch wenn einem das die Gesellschaft weismachen will. Der Text wurde mit einem Augenzwinkern verfasst.

Geändert hat sich bei euch nicht nur der Gesamtsound, sondern auch eine Eigenheit der ersten beiden Alben, die jeweils nur aus einem Wort bestehende Titel aufwiesen, wie kam´s zu der Veränderung?

Wir hatten einfach das Gefühl, die Band nochmals neu erfunden zu haben mit der neuen CD, daher fanden wir es an der Zeit, unsere alte Haut abzulegen, wozu eben auch diese Ein-Wort-Titel gehörten. Wenn ein Song Forget Your Name heißt, heißt er eben Forget Your Name und nicht Forget oder sowas verzwungenes. Es ist einfach ein Aspekt unserer Entwicklung.

Erstmals ist auch eine Coverversion auf einem GRAVITY KILLS-Album zu finden. Was hat euch dazu gebracht, Personal Jesus von DEPECHE MODE in ein neues Gewand zu kleiden?

Ich habe den Song schon seit 1996 live immer wieder gespielt in einer Akustikversion. Das fing bei einem Gig in Pennsylvania an, wir hatten technische Probleme auf der Bühne. Wie jeden Abend hatte ich gerade eine Akustikversion von Here vom ersten Album gespielt, da warfen mir die Jungs diese Blicke zu: Spiel weiter! Spiel! Spiel um Gottes Willen!. Es war nicht bewusst, aber ich fing einfach mit diesem charakteristischen da-da-dada-da-Rhythmus an. Unsere Fans kommen seit jeher aus den verschiedensten Ecken, bei unseren Gigs findest du Metaller, 16-jährige Girlies und alles dazwischen. Aber das war in dem Moment egal, die gesamte Meute flippte völlig aus. Der Song war so ein Megahit, dass wirklich jeder ihn einfach kennt. Nach der Show war uns klar, dass wir das in unserem Set drinbehalten wollten. Naja, meine Mitmusiker mochten daran auch, dass sie eine kurze Pause im Set haben, eine Kippe rauchen und ein Bierchen trinken können, während ich mich abmühe (lacht). Hinzu kam, dass wir auf unserer ersten Headlinertour gerade mal unser Debüt im Rücken hatten, so dass Personal Jesus den Set etwas verlängerte. Bei den Aufnahmen zur neuen Platte war es dann so, dass ich irgendwann mal kurz die Schnauze voll hatte von unseren eigenen Sachen, also schnappte ich mir eine Klampfe, setzte mich an den Aufnahmecomputer, rief Matt an, damit er noch ein paar zusätzliche Gitarrenparts einfügt, dann gaben wir es Doug [Firley, Keyboards] zum Antesten. Wir fanden es alle cool, zumal der Text auch wunderbar in unser Konzept passte. Der Song dreht sich darum, wie Priscilla Presley ihren Vater Elvis verehrt und anhimmelt. Wir fanden, dass das prima reinpasste. Hier in Deutschland kassieren wir viel Prügel dafür, dass wir ein DEPECHE MODE-Lied gecovert haben, da die hier scheinbar gottähnliche Verehrung genießen. Die Leute denken wohl, dass es für uns nur eine billige Masche wäre, um einen Hit zu landen. Unsere Die-Hard-Fans in den Staaten, die uns schon einige Male live gesehen haben, bringen den Song hingegen bereits mit GRAVITY KILLS in Verbindung. Sobald ich da bei einer Show mir die Akustikgitarre umschnalle, rufen sie mir zu Spiel es!. Daher fanden wir es o.k., den Song mit auf die Platte zu bringen. Ich bin auch sehr zufrieden damit, wie uns die Version gelungen ist.

Waren DEPECHE MODE davon abgesehen ein Einfluss für GRAVITY KILLS?

Teilweise, ja. Ich besitze ein paar ihrer Alben, aber ich habe auch Vulgar Display Of Power von PANTERA rumfahren bei mir, genauso Alben von BLACK SABBATH, APHEX TWIN, THE PRODIGY usw. DEPECHE MODE sind also nur eine von Millionen von Inspirationsquellen für mich.

Nehmt ihr mit dem Song Fifteen Minutes ebenfalls Bezug auf die Vergänglichkeit des Ruhms?

Bei dem Song gestehe ich mir ehrlich ein, dass ich manchmal neidisch bin auf Leute wie Fred Durst, die diese immense Popularität haben. Zugleich zieht der Text diese Berühmtheit auch durch den Kakao, aber manchmal will ich das halt auch haben, wenn ich ganz ehrlich bin. Mir ist dabei natürlich bewusst, dass das nicht alles ist, doch als menschliches Wesen will man halt einfach immer mehr, als man hat. Ich veräpple also gleichzeitig mich selbst und Leute wie Fred Durst in dem Song.

So schnell, wie es damals mit euch aufwärts ging nach dem Erfolg von Guilty und eurer Tour mit den SEX PISTOLS, wie lange habt ihr gebraucht, um wirklich zu realisieren, was da geschehen war?

So richtig wurde mir das eigentlich erst im Sommer 1999 bewusst. Da hatten wir schon TVT darum gebeten, aus unserem Vertrag entlassen zu werden, und das Ganze Chaos ging los. Da merkte ich, wie viel Glück wir bis dahin gehabt hatten. Wenn man mittendrin steckt, kann man das gar nicht so würdigen. Es ging alles so schnell, da fehlte die Zeit, um zurückzublicken auf das, was passiert war. Man dachte immer nur dran, was in der nächsten Stunde so alles anstand. Doch dann begannen wir zu merken, dass nicht alles, was wir anfassten, automatisch zu Gold wurde, was für uns persönlich eine sehr wertvolle Lehre war. Mich hat das Bewusstsein, dass ich hart arbeiten muss, wenn ich so etwas noch mal erleben will, richtig angestachelt. Es war natürlich nicht so, dass wir vorher nicht hart gearbeitet hätten, aber seit dieser Erkenntnis laufe ich mit aufmerksameren Augen und offenen Ohren durch mein Leben mit der festen Absicht, jeden Tag davon zu genießen. Es fällt vielleicht schwer, mir so eine bescheidene Aussage abzunehmen, aber es ist wahr. Ich meine, hier sitze ich, der ich aus einer Kleinstadt in Missouri stamme, in Stuttgart und rede mit Journalisten in diesen feinen Hotel, in dem sogar Kekse auf dem Tisch liegen (lacht). Das ist cool! Ich sollte das voll und ganz auskosten, und das habe ich gelernt, nachdem wir diesen anfänglichen Riesenerfolg hatten, nur um daraufhin mit dem Kopf voraus in diese Mauer reinzuballern.

Kannst du euren Hit Guilty denn überhaupt noch hören?

Ja, klar, ich bin nach wie vor stolz auf alles, was wir bislang gemacht haben. Außerdem liebe ich es immer noch, Guilty live zu spielen. Das ist einfach so ein Song, sobald wir den anspielen, gehen alle voll ab, selbst wenn sie nur von einem Kumpel mitgeschleift worden sind. Den kennen sie alle. Würden wir ihn nicht spielen, würden uns die Leute wohl schlichtweg erschießen (lacht).

Im Film Sieben taucht der Song auch auf…

Er wurde schon so ziemlich überall eingesetzt…Sogar eine öffentliche Bekanntmachung zu Steuerhinterziehung wurde im spanischen Fernsehen damit unterlegt sowie einige TV-Filme in Amerika. Wer weiß, vielleicht hört man ihn eines Tages gar in einem Mercedes Benz-Werbespot (lacht und schaut wieder in Richtung Bahnhofsturm)!?

Was war das für ein Gefühl, im Kino bei einem Hollywoodstreifen deine eigene Musik zu hören?

Ich bin schier ausgeflippt! Mortal Combat, in dem der Song auch verwendet wurde, habe ich nicht sehen können, aber Sieben dafür, als ich gerade von den Aufnahmen zu unserem Debüt nach Dallas zurückgekehrt war, wo ich zu der Zeit lebte. Erst schaute ich mir den Film ganz ruhig an, doch dann kam die Stelle, in der Guilty läuft…ich besitze inzwischen die DVD, das Video, hab´ den Film im Kino mir außerdem sicherlich ein gutes Dutzend mal angesehen, aber glaubst du, ich wüsste inzwischen, worum es in dem Dialog in der Szene geht? Alles, was ich höre, ist jedes Mal unser Lied. Für mich ist das heute noch cool. Neulich erst war meine Familie von außerhalb mich besuchen gekommen, als der Film zufällig im Fernsehen lief. Wir schauten ihn an und es war echt ein tolles Gefühl, mein Dad saß neben mir, und ich meinte nur Jetzt, Dad, gleich kommt die Stelle!. Den Dialog habe ich natürlich wieder nicht verfolgt…Ich muss mir da wohl einfach mal das Drehbuch besorgen, damit ich endlich weiß, über was zur Hölle die in dem Moment eigentlich reden (lacht)!

Wird es weitere Soundtrackbeiträge von euch geben?

Gerade erst wurde die Teilnahme an einem bestätigt, und kurz bevor ich in den Flieger stieg, um hierher zu fliegen, rief mich unser Management an und meinte, dass ein zweiter Beitrag klappt.

Ich schätze mal, dass ihr jetzt nach der Pause entsprechend ausgehungert seid, was Liveauftritte angeht, oder?

Nun, wir touren für das Album schon seit November letzten Jahres in Amerika, auch wenn es erst jetzt rauskommt dort, einen Monat, bevor es hierzulande in die Läden kommt. 60 Gigs haben wir schon abgerissen, ich kam gerade erst von der SEVENDUST-Tour heim, hatte 48 Stunden, mich zu erholen, dann hieß es schon wieder Koffer packen, um mich in den Flieger nach Deutschland zu setzen. Und die nächste Show ist schon wieder in knapp einer Woche angesetzt, wenn ich gerade erst wieder daheim bin (lacht). Bis Ende Juli sind wir in den Staaten unterwegs, dann werden Sanctuary versuchen, uns auf ein paar Festivals hier zu buchen, bevor wir als Vorband eine Clubtour durch Europa mitfahren wollen.

Wie weit könnt ihr eure doch oft mit Loops versehenen und durch den Effekte-Fleischwolf gedrehten Songs live reproduzieren?

Ein bisschen anders klingen wir live schon, aber ich denke mal, dass wir die Songs dennoch ziemlich originalgetreu rüberbringen. Nicht exakt, aber auch nicht so, dass die Fans die Songs nicht wieder erkennen und sich verarscht vorkommen. Wir arbeiten mit drei Backingspuren mit dem Elektronikzeugs, der Rest ist live. Ich spiele mittlerweile auch mehr Gitarre auf der Bühne, was auch mit unserem Neuanfang zu tun hat. Gerade in den Staaten haben viele Leute uns eben auch schon an die fünf, sechs Mal live gesehen, also müssen wir ihnen einen Anreiz geben, warum sie sich uns noch mal anschauen sollen. Ich habe für mich eh schon immer Gitarre gespielt und manche Tracks brauchen einfach diesen zusätzlichen Kick einer zweiten Gitarre.

Bei der Vorbereitung zu diesem Interview bin ich im Internet über eine äußerst seltsame und witzige Homepage gestolpert, die sich Save Our Gravity [Rettet unsere Schwerkraft] nennt und sich ausführlich dazu äußert, dass GRAVITY KILLS wegen des Namens verdammt wurde, dass man dann jedoch sich genauer mit den Texten und der Konzeption hinter dem Bandnamen beschäftigt hat, woraufhin ihr zu Freunden der Schwerkraft ernannt wurdet. Ist dir das schon zu Ohren gekommen?

Nein, davon habe ich noch nichts gehört (lacht)! Das muss ich mir ansehen. Ich wusste nichts davon…das ist cool, haha! Es ist eh witzig mit dem Internet…Ich finde es cool, selbst wenn eine Homepage sich darum dreht, wie sehr man eine Band hasst…es gibt eine GRAVITY KILLS-Hass-Homepage, was ich witzig finde, wir haben jemanden dermaßen angekotzt, dass er sich die Zeit nimmt, eine komplette Website darüber ins Netz zu stellen…

Wie sieht denn deine persönliche Interpretation eures Bandnamens aus? Habt ihr euch wirklich das Prädikat Freunde der Schwerkraft verdient, hehe?

Die Schwerkraft ist in meinen Augen unser Freund gewissermaßen. Genauso wie Gebäude altern, altern auch wir Menschen, unsere Gesichter gewinnen mehr Charakter dabei. Man kann zwar klagen, dass man seine Jugend verliert, aber so wie ein Gebäude schöner wird, je länger es dasteht, so sehe ich das bei Menschen. Die Schwerkraft fordert ihren Tribut. Ich würde mich also als einen Freund der Schwerkraft bezeichnen (lacht).

Abschließend möchte ich dich bitten, zu den folgenden, mit euch mehr oder weniger stilverwandten Bands einen Kommentar abzugehen. Die erste wäre STABBING WESTWARD

Großartige Typen, sehr nett, zu schade, dass sie sich aufgelöst haben. Ungod ist nach wie vor mein Lieblingsalbum von ihnen.

NINE INCH NAILS…

Einflussreich, aber überbewertet.

MINISTRY

Sehr einflussreich und unterbewertet. Sie sind auf dem selben Label wie wir nun, was ich cool finde, genauso wie PITCH SHIFTER. Die haben mal für uns ´98 in den Staaten eröffnet. Ich bin mir nur nicht so sicher, ob ich mit Al Jourgensen im selben Tourbus sein möchte…(lacht)

Und mit MARILYN MANSON?

Ja, er ist sehr nett, viel normaler, als die Leute denken. Wir haben nie mit ihm live gespielt, aber ich traf ihn mal, als sie die Antichrist…-Scheibe aufnahmen. Er war extrem freundlich und cool, fragte uns jede Menge Sachen über unsere Band. Er ist eine Ikone, denke ich, ein wirklicher Rockstar in einer Welt, die nicht viele von seinem Kaliber hat. Das ist auch eine Band, die wie GRAVITY KILLS immer ein wenig unberechenbar agiert. Jedes Album war ganz anders als das vorherige, egal, ob man das nun gut findet oder nicht. Ich bin ein Fan von ihm.

Homepages:

http://www.gravitykills.com

http://www.superstarved.com

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