Getreu dem Motto Selbst ist der Mann haben CULT OF LUNA ihre neue Veröffentlichung in Angriff genommen. Komplett in Eigenregie entstand das Buch Eviga Riket, in dem es erneut um die Geschichte aus dem Album Eternal Kingdom geht, dieses mal allerdings im Stil einer Novelle. Das ambitionierte Werk, das zusätzlich mit einem Hörbuch inklusive Soundtrack ausgestattet ist, zementiert die künstlerische Freiheit der nordschwedischen Band. Ein guter Grund den guten Johannes Persson eine Stunde lang vom Kochen aufzuhalten. Der auskunftsfreidige Gitarrist spricht über das neue Buch, die tiefen Wälder Schwedens, Star Wars, Twin Peaks und redet sich leicht in Rage wenn es um grundlose Hypes geht.
Hallo Johannes, vor etwa einer Woche kam in Deutschland das Buch Eviga Riket heraus, das ihr als Eigenproduktion heraus gebracht habt. Seid ihr mit dem EARACHE -Vertrag jetzt fertig?
Ja, wir sind immer noch mit EARACHE befreundet, aber wir sind momentan von sämtlichen Bindungen und Verträgen befreit.
Ich empfinde dieses Buch als klares Statement für künstlerische Freiheit. Ich denke nicht, dass diese Veröffentlichung mit EARACHE möglich gewesen wäre.
Ich glaube, Eviga Riket wäre mit gar keiner Plattenfirma im Rücken möglich gewesen, da es schon in der Herstellung sehr teuer ist. Jedes Label muss Geld verdienen und da wäre diese Veröffentlichung ein großer Fehler. (lacht) Von Anfang an haben wir keinen Gewinn mit Eviga Riket erwartet, wir wollten, dass es so gut wie möglich aussieht und haben viel Geld aufgewendet, das zu erreichen. Es ist sicherlich teuer, aber wir sind uns momentan noch nicht mal sicher, ob wir den Break-Even-Point erreichen.
Wenn man das Buch auf eurer Homepage bestellt, beträgt der Preis 30 €, was für dieses Buch eigentlich ein angemessener Preis ist.
Wir wollten es nicht überteuern, schon allein weil es uns damit nicht um das Geldverdienen geht. Wir sind nur an dem künstlerischen Aspekt interessiert und wollen ein Ergebnis haben, das so gut wie möglich ist. Und in diesem Fall ist das eben ein Buch.
Bei diversen deutschen Online-Buchläden gibt es das Buch sogar für weniger als 20 €.
Oh, das ist gut für euch! Ich bin mir sicher, dass da kein Vertrieb daran verdienen wird. Also ich würde da sofort zuschlagen. (lacht)
Es scheint ein logischer Schritt zu sein, nach Eternal Kingdom dieses Buch zu veröffentlichen.
Findest du das logisch? Ich weiß nicht, ob es das ist, aber ich weiß, dass noch keine Band vorher dieses Konzept versucht hat. Aber CULT OF LUNA ist ja auch nicht wie jede andere Band. Wir haben über das Projekt lange Zeit gesprochen, und wie wir damit weiter machen könnten, wenn wir das überhaupt wollten. Seitdem sind zweieinhalb Jahre vergangen. Es war sehr aufwändig all das zu realisieren.
Ich kann mir vorstellen, dass diese Geschichte euch nicht gehen lässt, weil es eine recht intime Story ist. Eine, die ihr selbst entdeckt habt. Ist das ein sehr privates Konzept?
Es ist eher ein privater Kontext. Aber es stimmt, der Eternal Kingdom–Eviga Riket-Zyklus ist sehr privat, diese Geschichte hat ein eigenes Leben. Die Leute ziehen ihre eigenen Interpretationen daraus und es gibt viele verschiedene Ansichten. Manche sprechen dabei über die Bedeutung der Geschichte, andere wiederum über die Legitimität, was davon wahr ist, was künstlerische Freiheit ist, und was im Kopf von Holger entstand. Das hat Überschneidungspunkte. Ich mag es, wenn die Leute selbstständig nachdenken und diese Geschichte spornt das an. Daher muss ich gestehen, dass ich diese Story liebe.
Dann lass uns die Geschichte mal von vorne aufrollen. Ihr seid aus eurem Proberaum weggezogen und habt dabei in einer Schachtel dieses Tagebuch gefunden. Was war da euer erster Gedanke?
Wir haben uns dabei zunächst nicht besonders viel gedacht. Bis ich angefangen habe darin zu lesen, war es nicht besonderes interessant. Dann habe ich die enthaltene Geschichte erkannt. Es ist keine Story, die einen Anfang und ein Ende hat, es sind nur Fragmente in diesem Tagebuch enthalten. Aber nachdem wir alle das Buch gelesen hatten, wussten wir, dass wir dieses Konzept durchziehen mussten. Und der Rest ist Geschichte.
Habt ihr dann über Holger und sein Leben nachrecherchiert?
Wir wissen auch nicht mehr, als dass er verhaftet und angeklagt wurde, weil man ihm vorgeworfen hatte, er hätte seine Frau ermordet. Als wir uns dafür entschieden haben, das Konzept in Angriff zu nehmen, war es uns wichtig, nicht zu viel nach zu forschen. Wenn wir zu viel darüber wissen würden, hätte das den mysteriösen Punkt dieser Geschichte vielleicht zerstört. Als Musiker ist es genauso. Wenn man lernt, Musik zu schreiben, dann verschwindet die Magie in der Musik. Man hat einfach zu viel Hintergrundwissen darüber, wie die Songs gemacht werden, wie man mit Dynamik arbeitet und so weiter. Darum wollten wir von den Hintergründen dieser Geschichte gar nicht zu viel wissen. Und darum geht es meiner Meinung auch gar nicht.
Völlig in Eigenregie verwirklicht und kein Garant für schwarze Zahlen: Das Buch Eviga Riket von CULT OF LUNA. |
Die Geschichte ist sehr unwirklich.
Das hoffe ich doch sehr.
Irgendwo zwischen Twin Peaks und Watership Down.
Was ist Watership Down?
Darin geht es um den Exodus der Kaninchen im Wald, die auch untereinander einen Krieg führen. Ein Märchen für Erwachsene.
Ah, so wie Farm der Tiere.
Ein wenig vielleicht. Wahrscheinlich denke ich daran auch nur wegen dem Auerhahnkönig. Jedenfalls erinnert mich all das, was vorkommt an Sachen, die erst geschrieben wurden, als Holger schon lange in der Anstalt saß.
Es gibt eine Sache, die beim schreiben von Büchern wichtig ist: Jede Geschichte gab es schon einmal. Kennst du das Buch Der Heros in tausend Gestalten von Joseph Cambell?
Nein, leider nicht.
Der Autor hat in vielen folkloristischen Geschichten Nachforschungen angestellt, von Australien, Neu Guinea, Skandinavien, Deutschland, bis Nord- und Südamerika. Sein Ergebnis war, dass jede Geschichte das gleiche Muster hat. (lacht) Es ist sehr beliebt, dass der Hero von einer Jungfrau geboren wird und es gibt einen Bezug zu einer Höhle. Fällt dir was auf wegen Mohammed und Jesus? Auch Der Zauberer von Oz ist die exakt gleiche Geschichte wie die von Jesus. Um solche Geschichten geht es. Der erste Film, der gedreht wurde und so eine Struktur im Hinterkopf hatte, war Star Wars. Luke hat ja keinen Vater, es gibt auch eine Höhle, und so weiter. Ich will darauf hinaus: Es ist nicht überraschend, dass diese Struktur immer wieder auftaucht, die Menschen haben Geschichten dieser Art im Kopf. Obwohl Holgers Notizen fern der Realität geschrieben wurde, entspricht diese Geschichte diesem Muster. Der Heros in tausend Gestalten ist für Leute, die selbst Geschichten schreiben eine Pflichtlektüre, ebenso wie The Hero´s Journey.
Glaubst du, dass es in den Wäldern von Nordschweden wirklich Dinge gibt, die nicht erklärt werden können?
Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube, dass alles dargelegt werden kann. Und das, was noch nicht erklärt werden kann, wird auch enträtselt werden. Es ist nur eine Frage der Zeit. Meine Eltern leben wirklich in der Mitte von nirgendwo, mitten in den Wäldern. Ich verstehe, warum die Leute an Trolle und andere Fabelwesen glauben können. Im Winter ist es in den Wäldern fast den ganzen Tag dunkel, man hört und sieht irgendwelche Dinge und fürchtet sich, aber Trolle gibt es trotzdem nicht. In Nordschweden gibt es so viel Wald, darüber liegt einfach ein Schleier der Mystik. Und diese Mystik wurde noch nicht zur genüge genutzt, um Geschichten zu erzählen. Ich arbeite ja im Bereich von Film und Fernsehen und ich schreibe an einem Skript mit einem Wald im Winter als Startpunkt.
Gibt es nicht eher Pläne dafür, aus Eviga Riket einen Film zu machen? Du sitzt ja an der Quelle.
Nein, solche Pläne gibt es noch nicht. Aber man weiß ja nie. Wenn die Deutschen die Geschichte mögen sieht es vielleicht einmal ganz anders aus. Generell verkaufen sich schwedische Bücher sehr gut in Deutschland. Und die deutschen Filmgesellschaften haben einfach größere Budgets und mehr Geld in der Tasche. Und wenn die Deutschen an dieser Geschichte einen Narren gefressen haben… Naja, man weiß nie. (lacht) Wir werden sehen, vielleicht passiert das wirklich irgendwann.
Das wäre wirklich spitze.
Ja, das finde ich auch. Wir müssten dafür nur die Story ein wenig umschreiben.
Aber zurück zu den Wäldern. Ihr habt ja dazu auch einen gewissen Bezug, immerhin habt ihr Somewhere Along The Highway und die Musik zum Eviga Riket-Hörbuch auch in einer Hütte in den Wäldern aufgenommen. Ist das eine Arbeitsatmosphäre, die zu CULT OF LUNA einfach passt?
Darüber haben wir in der Band vor ein paar Wochen gesprochen. Es ist wirklich schwer zu sagen, warum wir in dieser Umgebung so gut arbeiten können. Liegt es an der Atmosphäre, oder einfach weil wir dort isoliert sind und uns voll und ganz auf die Musik konzentrieren können? Es ist in dieser Hütte wirklich ruhig, ich liebe die Wälder und die Ruhe der Natur generell. Die Aufnahmen zu Somewhere Along The Highway werden mir immer in wirklich guter Erinnerung bleiben. Das zählt mit zur schönsten Zeit meines Lebens. Und das Resultat liebe ich immer noch.
Somewhere Along The Highway ist immer noch mein Lieblingsalbum von euch. Vielleicht auch weil die Zeit, in der es erschien, so besonders für mich war.
Es ist auch mein Lieblingsalbum und diese Zeit war für mich auch sehr schön.
Genug in der Vergangenheit geschwelgt. Anders hat Eviga Riket geschrieben.
Ja, jedes Wort darin stammt von ihm.
Was bedeutet dann der Zusatz: With Dramaturgy By J. Persson?
Wie gesagt, das Tagebuch von Holger bestand nur aus Fragmenten. Ich habe die Einzelteile genommen und wie ein Puzzle zusammen gefügt. Ich habe einen Anfang und ein Ende angefügt. Anders ist ein wahnsinnig guter Schreiber. Ich kenne meine Grenzen, Geschichten kann ich recht gut entwerfen, schreiben kann sie Anders aber viel, viel besser. Ich habe ihm ein Gerüst vorgegeben, und er hat ein Jahr lang daran geschrieben. Das war wirklich gute Arbeit von ihm.
Das Resultat ist eine Novelle, in der die Figuren nur recht vage beschrieben werden. Ist das wie bei der Musik von CULT OF LUNA , dem Hörer nicht zu viel, damit sich seine Vorstellungskraft austoben kann?
Zunächst muss man vor dem Schreiben wissen, welche Art von Geschichte man schreiben will. Es sollte nicht zu lange sein, denn zu viele Details lenken von der Story ab und langweilen. Das ist ein ganz simples Gesetz. Bei einem anderen Buch mit anderen Ambitionen würde das vielleicht auch passen, aber hier nicht. Ich persönlich kennen keinen Grund, die Personen beispielsweise so genau zu beschreiben. Anders spielt mit Schlüsselworten, ein Beispiel ist Man of corruption, der im Buch auftaucht. Was bedeutetet das? Wie stellst du dir diesen Mann vor? Ich wette, dass sich unsere Vorstellungen voneinander unterscheiden. Anders gibt der Phantasie des Lesers einfach mehr Möglichkeiten sich zu entfalten.
Wir wollten von den Hintergründen dieser Geschichte gar nicht zu viel wissen. Johannes Persson (zweiter von rechts) strebte keine Recherchen an, um die Magie von Eviga Riket nicht auszulöschen. |
Ein paar Sachen zu dieser Geschichte aus der Wirklichkeit interessieren mich aber doch noch. Wisst ihr, wie Holger gefunden wurde?
Nein, das wissen wir auch nicht. Er lebte in diesem kleinen Ort namens Yttre Åkulla und was dort passierte liegt im Dunkeln. Aber das ist auch gar nicht wichtig. Vielleicht wurde er in den Schmutz gedrückt, als er verhaftet wurde, aber es ist nur eine Parallelwelt zur Geschichte.
Wisst ihr, wann Holger starb?
Er war scheinbar sehr alt, als er in den Siebzigern starb. Wann die Geschichte spielt ist auch unklar, aber wohl am Anfang des letzten Jahrhunderts.
Ihr habt als Band aber auch ein Riesenglück. Anders hat die Geschichte geschrieben und das Hörbuch aufgenommen, du hast dich um die DVD gekümmert und Erik hat den Schriftsatz gemacht. Mal ehrlich, ohne diese handwerklichen Fähigkeiten in der Band wäre das Projekt doch gar nicht möglich gewesen.
(lacht) Nein, ich glaube das wäre dann wirklich nicht realisierbar gewesen. Aber vergiss nicht, dass Magnus auch die Musik aufgenommen hat. Wir wissen, dass wir Glück haben, solche Leute in der Band zu haben. Wir waren immer sehr unabhängig, Produktion und Artwork lag immer in unseren Händen.
Erik hat aber überraschenderweise keine Bilder für das Buch entworfen. Das war Joris Vanpoucke, ein junger Belgier. Wie seid ihr auf ihn gestoßen?
Wenn man eine Band hat, gibt es viele Leute, die anfragen, ob eine Zusammenarbeit möglich wäre, dann schicken sie Arbeitsproben und so weiter. Wir müssen solche Anfragen immer ablehnen, da wir alles selbst machen können. Aber als ich Joris´ Zeichnungen gesehen habe, war ich wirklich begeistert, sie sind ja auch ganz anders als das, was wir bisher verwendet haben. Wir haben in der Band über Joris´ Arbeit gesprochen und auch Erik hat zugestimmt, dass diese Bilder wunderschön sind. Wir entschieden uns dann, das Buch ganz anders aufzumachen als das Album. Also haben wir ihn angeschrieben und wahnsinnig gute Bilder erhalten. Sogar mehr Bilder als wir verwenden konnten. Die Zusammenarbeit war sehr gut und wir empfehlen jedem suchenden Künstler, mit Joris zu Arbeiten.
Aber davon abgesehen hattet ihr noch ein paar Leute, die euch helfen mussten. Zum Beispiel der Übersetzer Paul McMillen. Ist das ein Freund von euch, oder musstet ihr ihn engagieren?
Wir haben ihn dafür angeheuert. Vielleicht kannte Anders ihn schon vorher, aber ich glaube eher, dass es anders herum war.
Wie war es mit den Schauspielerinnen, die auf dem Hörbuch lesen?
Nein, wir mussten sie auch buchen. Das war neben dem Buchbinden und dem Pressen das Teuerste an diesem Projekt.
Ich muss ehrlich gestehen, dass ich nur die englische Version des Hörbuchs gehört habe, da ich nicht schwedisch spreche.
Aber dafür ist es gut verständlich. Zum Lernen ist es bestimmt nicht schlecht.
Jedenfalls mag ich Anna Guthries Stimme und die Art, wie sie liest.
Die Wahl der Sprecher war für uns schwierig. Såra Arnia ist eine Schauspielerin, die schon im Ruhestand ist, Anna ist viel jünger. Aber wir mögen beide, und die englische Version hätte sich so oder so von der schwedischen unterschieden.
Der Soundtrack dazu wurde natürlich von euch geschrieben. Wird es diesen auch mal separat auf CD geben?
Nein, weil wir eben keine CD gemacht haben, sondern ein Hörbuch, und die Musik ist darauf zugeschnitten. Wir haben eine E-Mail erhalten, in der sich jemand beschwert hat, dass er keine Hörbücher mag und deshalb sich den Soundtrack nicht anhören kann. Das ist natürlich schade, aber wir haben eben kein normales Album gemacht. Es ist überhaupt bizarr, dass jemand ein Hörbuch kauft, obwohl er damit nichts anfangen kann.
Das letzte Stück auf dem Hörbuch heißt Nord und ist der einzige wirkliche Song. Ist das quasi der Abschluss für die Eternal Kingdom-, beziehungsweise Eviga Riket-Thematik?
Ja, das ist es. Wir haben Nord bereits während der Eternal Kingdom-Session geschrieben. Auf Following Betulas, dem letzten Stück von Eternal Kingdom heißt es am Ende: The white birches are alive, they are marching. Und der letzte Song auf Eviga Riket handelt von der folgenden, letzten Schlacht im Buch. Das sollte jedenfalls nicht als unser neuer Sound, oder unsere neue Richtung interpretiert werden. Es ist einfach das Ende dieses Konzepts.
Im Hörbuch gibt es auch einen schwedischen Folksong zu hören. Habt ihr diesen interpretiert, oder selbst geschrieben?
Wir haben das Stück selbst geschrieben. Der Gesang darauf ist von Fredrik Kihlberg. Er hat das Lied auch geschrieben und die Gitarre eingespielt.
Eine der Illustrationen aus Eviga Riket – angefertigt von Joris VAnpoucke. |
Kennst Du FALL OF EFRAFA?
Bedaure, leider nein.
Wenn ich an die Story von Eviga Riket denke, fallen mir eben spontan FALL OF EFRAFA ein, die ihr ganzes Bandkonzept auf Watership Down basiert hatten und ihre atheistischen, antifaschistischen und veganen Einstellungen dadurch preisgaben. Geht es bei Eviga Riket nur um Kunst, oder drückt ihr auch Einstellungen durch die Musik aus?
Wenn es so wäre, würdest du es nicht merken. Es ist eigentlich nur wichtig, um was es in der Geschichte geht. Was ist Realität, was ist Ehrlichkeit, was ist wahr und was ist falsch. Das fragt man sich als Mensch und Bürger, das musst du auf andere Art und Weise als Journalist tun. Meiner Meinung nach sind musikalische Journalisten oft viel zu unkritisch, sie erzählen einfach Scheißgeschichten von Scheißbands nach. Es ist wirklich wichtig, dass Journalisten uns Musiker hinterfragen und bewerten. Die großen Musikmagazine bringen Tourberichte, in denen vorkommt, wie sich die Musiker wie Arschlöcher und Babys aufführen. Ist dieser Mythos über Rockstars so gut, wie er sein soll? Ist diese neue Band wirklich toll, weil sie auf einem großen Label ist, oder singen sie doch nur über Müll? Da müssen sich die Journalisten fragen: Was zur Hölle wollt ihr uns sagen? Seid ihr fünf Jahre alt, oder was ist los mit euch? Die Musikindustrie und Musikjournalisten arbeiten zusammen. Wer über Politik berichtet ist viel kritischer und objektiver.
Musikjournalismus verkommt eben oft zum Promotionswerkzeug.
Genau so ist es, du hast es erfasst. Wenn eine Band viele Platten verkauft, verdient das Label daran. Die Band fühlt sich gut und das Magazin kann über etwas schreiben. Ich will, dass die Leute ehrlich sind. Ich bin auch der Meinung, dass Musikjournalismus meistens der verlängerte Arm der Musikindustrie ist. Und jetzt sind wir wieder bei deiner Frage. Ja, wir haben etwas zu sagen. Über eine verstecke Botschaft sage ich jedoch nichts, denn dann wäre sie nicht mehr versteckt, richtig?
Richtig. Johannes, wir sind nun relativ am Ende angelangt. Wie wird es jetzt mit CULT OF LUNA weiter gehen, nach diesem Projekt? Fällt euch das Songwriting jetzt sehr schwer, oder bedeutet dieser Abschluss, dass es jetzt wieder ganz locker von der Hand geht?
Es ist momentan ziemlich einfach, neue Musik zu schreiben. Wir wissen genau, in welche Richtung wir gehen werden. Das ganze Jahr 2010 wird darauf verwendet, neue Musik zu schreiben. Ich weiß, wohin es uns treibt, aber ich weiß nicht, wie es klingen wird. Darin besteht ein großer Unterschied. Es steht fest, was unsere Einflüsse sind, ich weiß, was wir sagen wollen, aber der Rest ist völlig ungewiss. Es werden bestimmt wieder neue Elemente einfließen, was genau, ist aber undefiniert. Das wird unser sechstes Album werden und es ist wirklich schwierig Neues auf jedem Album zu machen. Aber ich habe da großes Vertrauen in uns, dass es klappen wird.
Außerdem gibt es die guten Nachrichten, dass deine zweite Band KHOMA ihr drittes Album veröffentlichen wird. Ich habe bereits den neuen Song From The Hands Of Sinners gehört. Lustig, dass das Intro nach dem Soundtrack von Twin Peaks klingt.
(lacht) Ich würde lügen, wenn… Ach, was solls. Ich erzähle dir jetzt ein Geheimnis.
Ich werde nichts verraten.
Keine Angst, so geheim ist es auch wieder nicht.
Umso besser, dann werde ich es schreiben.
Jedenfalls hat dieser Songs bei uns den Arbeitstitel The Twin Peaks Song. Es gibt da dieses Credo im Showbusiness: Lie, Cheat and Steal. Und wir haben einfach vom Twin Peaks-Soundtrack gestohlen. Alle lieben Twin Peaks, oder etwa nicht?
Auf jeden Fall! Was ist deine Lieblingsfigur in dieser Serie?
Du hasst ihn natürlich, aber trotzdem ist Leo mein Liebling. In der zweiten Staffel ist er so unheimlich, als er so paralysiert ist. Keiner weiß, ob er nicht doch gleich wieder aufwacht. Dr. Jacoby ist auch super. Ach, es gibt so viele tolle Typen in Twin Peaks.
Bevor wir hier fertig sind stellt sich noch die unvermeidliche Frage, über welches Label das neue KHOMA -Album in Europa veröffentlicht wird.
Momentan noch gar nicht. Wir gehen einen Schritt zurück und bringen das Album erstmal nur in Skandinavien heraus. Es ist verflucht schwer mit KHOMA zu touren, eben weil wir ein Trio sind. Ich kann auch nicht sagen, warum uns das schwerer fällt als CULT OF LUNA. Wenn wir aber eine Tour fahren werden, dann wird das Album auch im Rest von Europa erscheinen.