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CEPHALIC CARNAGE: Marihuana als kulturelles Erbe

Mit einiger Verspätung, aber immerhin kommt hier die Niederschrift des Interviews mit Denver´s Finest CEPHALIC CARNAGE, die mich vor ihrem letzten Konzert in München in ihrem stickigen Gemächern zur Audienz luden. Zusammen mit Sänger Leonard "Lenzig" Leal, dem schweigsamen Gitarristen Steve Goldberg und Neuzugang und Bassist Nick bestritten wir ein knapp einstündiges, sehr interessantes Gespräch über das neue, grandiose Album "Xenosapien", Studioträume, ausgiebiges Touren und dem, weshalb die Ausnahmeband ist, was sie ist: Gras.

Mit einiger Verspätung, aber immerhin, kommt hier die Niederschrift des Interviews mit Denver´s Finest CEPHALIC CARNAGE, die mich vor ihrem letzten Konzert in München in ihren stickigen Gemächern zur Audienz luden. Zusammen mit Sänger Leonard Lenzig Leal, dem schweigsamen Gitarristen Steve Goldberg und Neuzugang Bassist Nick bestritten wir ein knapp einstündiges, sehr interessantes Gespräch über das neue, grandiose Album Xenosapien, Studioträume, ausgiebiges Touren und dem, weshalb die Ausnahmeband ist, was sie ist: Gras.


Leonard: Bevor wir loslegen, zeige ich dir das das Booklet zu Xenosapien. du hast bestimmt nur die Promo, oder?

Dankeschön, das sieht großartig aus, jetzt macht auch das Cover Sinn. Es ist wie jedes CEPHALIC CARNAGE-Artwork, da ist irre viel drin versteckt. Es wurde wieder von Orion Landau gestaltet, richtig?

Leonard: Genau. Er hat wieder einige Songs optisch aufbereitet, wie Touched by an Angel, Ov Vicissitude und einige mehr. Verkaufen werden wir die CD heute noch nicht, sie kommt erst in ein paar Wochen raus. Ich nehme die Booklets immer mit auf Tour, um die Texte zu lernen – ich will schließlich live das Gleiche wie auf dem Album singen.

Denkt ihr es ist eine gute Idee, eine Headliner-Tour zu fahren, kurz vor der Veröffentlichung des neuen Albums?

Leonard: Es ist generell besser, so schnell wie möglich raus zu kommen und das Album schnell zu promoten. Desweiteren ist dies ja nur eine kurze Tour, ein paar Gigs auf dem europäischen Festland und dann ein paar Co-Headliner-Konzerte mit ACKERCOCKE in England. Für die Fans ist es auf jeden Fall eine gute Sache, sie hören schließlich schon vorab ein paar neue Songs.
Nick: Außerdem sind diese Shows bestens dazu geeignet, um uns für die Summer Slaughter-Tour in den Staaten aufzuwärmen. Wir können alle neuen Songs festigen und die alten Stücke wieder etwas mehr ins Gedächtnis rufen.
Leonard: Zu viele neue Nummern spielen wir heute auch nicht, die Fans wollen auch die alten Sachen hören, zu denen sie abgehen können und die wir selten spielen. Alles, was wir je geschrieben haben, können wir auch nicht spielen – wir haben auch nicht alle unsere Songs als Tabs vorliegen, so dass wir alles noch wirklich von damals wissen. Die Fans verdienen die beste Show, die wir ihnen geben können, schließlich zahlen sie teuren Eintritt dafür. Das Thema Setlist ist ein Drahtseilakt auf dem wir vor jeder Tour balancieren.

Cephalic
Das Thema Setlist ist ein Drahtseilakt, auf dem wir vor jeder Tour balancieren. Sänger Leonard (vorne) über Tourvorbereitungen.

Ich habe euch bisher vier- oder fünf Mal gesehen und bisher habt ihr mich nie enttäuscht. Ihr scheint Perfektionisten zu sein, technisch auf einem hohen Level, und geht dabei extrem ab. Würdet ihr jedoch einen Song verhauen, dann wäre es für mich nicht so schlimm, als wenn SIX FEET UNDER das täten – die haben nicht so viel Stress beim spielen.

Leonard: Ja, so ist es. Ich meine, kleine Sachen merkt außer uns so gut wie niemand, daran sollte man sich auch nicht aufhängen. Wir werden mit unserer Musik nicht die Welt verändern, aber wir versuchen unser eigenes Ding durchzuziehen und das so gut wie möglich zu machen, aber vielleicht sollten wir eher den Typen da auf der Couch fragen.

Steve: Ja, es ist so ziemlich genau, wie Leonard es gesagt hat.

Es kommt mir so vor, als hättet ihr euren Fokus in den letzten Jahren ziemlich auf Europa verlagert. Spielt ihr inzwischen mehr hier als in den USA?

Leonard:Nein, wir waren letzten Sommer nur einmal hier, mit DARKEST HOUR und DEAD TO FALL. Wir versuchen so viel hier zu touren, wie es nur irgend möglich ist. Je mehr du an einem Ort spielst, desto mehr mögen Dich die Fans und desto besser wird es dort für Dich.

CEPHALIC CARNAGE haben sich letztes Jahr von Bassist Jawsh zum mittlerweile zweiten Mal getrennt und du, Nick, bist jetzt fest eingestiegen.

Nick: Ja, so fest wie es nur sein kann. (lacht)
Leonard: Jawsh kam nicht damit zurecht, dass die Band sein Lebensmittelpunkt war, er wollte sich mehr um seine Familie kümmern. Alles in allem ist das Verhältnis zu ihm, nachdem er diesen Schritt vollzogen hat, viel cooler.
Steve: Wir sind noch immer befreundet, aber er wollte nicht mehr touren. Und Nick ist einfach der bessere Bassist.

Ein gutes Stichwort. Nick, welchen Einfluss hattest du auf die Musik von CEPHALIC CARNAGE? Ich höre ein wenig mehr jazzige Passagen raus und du spielst sehr groovig und gleichzeitig melodisch.

Nick: Schön, dass du es rausgehört hast. Ich versuche das, was die Jungs schreiben, zu lernen und dann gehe ich mit meinem Stil an die Sache heran, würze das mit meiner Art zu Spielen. Ich probiere einzelne Basslinien aus und frage die Anwesenden, was besser klingt, was besser zur Musik passt. Vieles von dem, was du erwähnt hast, kam darüber zustande.

Ich habe mal mit einer befreundeten Death Metal-Band gesprochen, deren Bassist sagte, er habe unter dem Spielen die Basslinie geändert, die anderen meinten: Was? Wir haben überhaupt nichts bemerkt!

Nick: (lacht) Ja, das ist leider oft so bei brutaler Musik.
Leonard: Das Schwierige an der Sache ist, dass man nicht zu viel und zu wenig verändert. Ein neuer Einfluss muss da sein, aber der Charakter der Band darf sich nicht ändern.

Kommen wir zum Songwriting: Es kommt mir so vor, als würde jeder Musiker seine Fingerabdrücke in den einzelnen Songs hinterlassen. Schreibt jeder Einzelne Stücke, oder arbeitet ihr als Kollektiv?

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Ich habe auch ein paar Songs so geschrieben. Auch Neuling Nick (rechts) war fleißig.

Nick: Es ist eher das erste Szenario. Für Xenosapien hat Zac (Joe, Gitarrist – Anm. d. Verf) viel geschrieben, allein zwei Songs hat er vollkommen ausarrangiert abgeliefert. Ich habe auch ein paar Songs so geschrieben.
Leonard: Das ganze Album wurde in vier Monaten geschrieben. Wir gaben uns diese Zeit, um Xenosapien zu erschaffen, danach konnten wir das Material einstudieren, bevor es ins Studio ging.
Nick: Aber es wurden trotzdem noch Arrangements verändert, als wir das Material einübten.
Leonard: Das lässt die Songs auch besser wirken, jeder kann seine persönliche Art zu spielen dann einbauen und versucht nicht nach der Pfeife des Anderen zu tanzen. Wenn ein Bandmitglied dann nur einen kleinen Teil des Ganzen verändert, dann macht er es auch zu dem, was es schlussendlich ist.

Xenosapien und Anomalies klingen viel fokussierter als Lucid Interval und Exploiting Dysfunction – liegt es an der kurzen Zeit des Songwritings oder kam diese Entwicklung auf natürliche Art und Weise?

Leonard: Wir wussten mit der Zeit immer genauer, was wir machen wollten. Wir haben uns mehr auf die einzelnen Songs konzentriert, wir wollten nicht mehr die Welt, mit so verrückten Riffs wie es möglich war, erobern. Mit Xenosapien wollten wir einfach die Scheibe machen, die wir auch im Laden kaufen würden. Wir haben alles einfließen lassen, was wir mögen: Black Metal, Doom, Grind, Death Metal – das ist, für was wir stehen, aber wir haben aus den Songs das raus gelassen, was wir nicht brauchen.
Nick: Ich finde das Album ist sehr ausgewogen, es gibt viele Kontraste. Würde man zu viel von einer Seite präsentieren, dann langweilt es den Hörer schnell.

Ihr präsentiert in eurer Musik eine große Bandbreite von Stilistiken, ich gehe davon aus, dass ihr auch als Hörer sehr open-minded seid. Gibt es dennoch in euerer Musik keinen Platz für diverse Spielarten, wie zum Beispiel Techno?

Leonard: Wenn Techno richtig gemacht ist, ist er schön brutal, warum also nicht?
Nick: du kannst nie wissen, was du eines Tages einbauen willst.
Leonard: Wenn man schon so beginnt, sich zu limitieren, dann ist das ein schlechtes Zeichen. Die Musik hat keine Grenzen, also sollte ein Songwriter auch keine haben. Das könnte der Untergang Deiner Band sein.

Wenn man die EP Halls of Amenti mal weglässt, habt ihr noch nie auf einem Album so viel Sludge eingebaut. Auf Anomalies gab es eher Stoner Rock zu hören – was kommt als nächstes, Drone Doom?

Leonard: Wir werden in Kürze unser nächstes Doom-Album aufnehmen, das wird so langsam sein, dass die Hände vor lauter Langsamkeit einschlafen. Es wird zwei Stunden dauern, bis man die Hände danach wieder aufgewärmt hat, und das Tuning wird so tief sein, dass keiner weiß, wie es eigentlich heißt. (lacht)

Gut, dann zurück zum ernsthaften Teil. Ist der Hidden Track auf Xenosapien eine Coverversion? Mir kommt der Song so verdammt bekannt vor.

Leonard: Der Song wurde für Hunde geschrieben. Es gibt nicht wirklich coole Lieder für diese Tiere, also haben wir uns dafür entschieden, ihnen einen zu widmen. Statt Worten gibt es auch nur Gebell zu hören. In den Liner Notes steht auch For Dogs Only, sehr versteckt, aber es steht da. Dogs Rule.

Schreibt doch mal einen Song für Meerschweinchen, darüber würde ich mich sehr freuen. Gibt es eigentlich bei euren Texten in den letzten Jahren eine vermehrte Tendenz zu Science Fiction?

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Wir biedern uns keiner Szene und keinem Trend an, so fühlen wir uns am wohlsten. Auch auf Xenosapien bleiben sich CEPHALIC CARNAGE treu.

Leonard: Ja, ziemlich. Viele wissenschaftliche Themen, die damit Hand in Hand gehen inspirieren uns und die verarbeiten wir dann auch.

Ihr hattet aber nicht immer solche Themen.

Leonard: Nein, aber ich war trotzdem nie der Typ, der über Fleisch, Blut und Gedärme gesungen hat. Es gibt doch so viele andere interessante Themen. Außerdem: CANNIBAL CORPSE machen das so ausgezeichnet, warum sollte man das kopieren? Ich will eher meine eigenen Gedanken darüber ausdrücken.

Aber über Marihuana singt ihr auf Xenosapien nur noch sehr wenig, hattet ihr Probleme mit der Polizei?

Leonard: Wir haben eine Nummer auf dem Album, Vaporized. Ein Zerstäuber als neue Methode um high zu werden.

Ist Gras etwas, das die Band zusammenhält?

Steve: Wir mögen das einfach.
Leonard: Jeder, der echt und wahr ist, mag Marihuana. Aber wir konsumieren das auch nicht die ganze Zeit. Es macht uns nicht zu einer Band, aber wir rauchen gemütlich vor einem Konzert, um uns in Stimmung zu bringen.
Steve: Andere Bands saufen vor dem Auftritt, die nächsten beten, wir machen halt was Anderes.
Leonard: Wer glaubst du, ist relaxter? Die Kiffer oder die Säufer?

Wie kann man high, in einem relaxten Zustand, solche brutale Musik spielen? Ist das nicht paradox?

Leonard: Gras ist nicht für jeden geeignet, das ist ja kein Aspirin. Wir mögen das einfach. Ich meine, wir sind aus Colorado, da gibt es eine große Stoner-Szene. Die Leute kommen zu dir nach Hause, reden in aller Ruhe über alles Mögliche und rauchen dabei einen Joint – das ist Teil unserer Kultur.

Themawechsel: Ihr habt schon zum fünften Mal mit Dave Otero aufgenommen.

Leonard: Er ist auch aus Denver, das ist natürlich sehr praktisch für uns. Wenn wir ein, zwei Monate aufnehmen, müssen wir nicht die ganze Zeit weg von zu Hause sein. Wir konnten dieses Mal sogar einiges in unserem eigenen Studio aufnehmen, die Basis-Tracks der Gitarren und so weiter. Unser Ziel ist es nun, dass wir künftig ganz in unserem Studio aufnehmen. Das Ideal ist, dass wir nach einer Tour heimkommen und die ganzen neuen Erfahrungen gleich im Studio verarbeiten. Einen Song schreiben und dann gleich aufnehmen, selbst wenn es dann nur ein Demo ist.

Seit Exploiting Dysfunction hat sich ein großer Qualitätssprung in Bezug auf eure Produktion eingeschlichen.

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Grindcore ist universeller als Brutal Death Metal oder brutally amazingly Brutal Death Metal. Leonard ist kein Freund von Schubladen.

Leonard: Aber wir haben Exploiting Dysfunction damals in einem anderen Studio aufgenommen, in Louisiana und wir hatten auch nur zwei Tage Zeit um das Album zu mischen. Hätten wir damals mehr Zeit gehabt, hätte es auch besser geklungen. Aber es sind zwei unterschiedliche Produzenten und Alben, das kann man nicht so richtig vergleichen. Dave nimmt ständig auf, dauernd sind irgendwelche Metalbands in seinem Studio und er hat die richtige Routine.

Ist es gefährlich in einem Studio in der Heimatstadt aufzunehmen? Ist es schädlich für konzentriertes Arbeiten, Abends nach Hause zu seiner Familie zu fahren, so dass der Arbeitsfluss unterbrochen wird?

Leonard: Einerseits kann das passieren, aber ich nehme trotzdem am liebsten in meiner Heimat auf. Zuhause hast du alle Freiheiten die du brauchst, daher ist es auch am besten im eigenen Studio aufzunehmen. Wir würden uns sogar freuen, sobald das möglich ist, auch andere Bands aufnehmen zu können und deren Alben zu veröffentlichen. Den Platz haben wir, aber das ist alles noch Zukunftsmusik.

Als ihr vor zwei Jahren zuletzt auf Headliner-Tour in Europa wart, habt ihr nur mit Local Supports gespielt. Waren das eher finanzielle Gründe, oder wolltet ihr Bands aus der Gegend die Chance geben aufzutreten?

Leonard: Es ist wirklich cool mit kleinen Bands zu spielen, da lernt man Einiges kennen. Aber wir konnten zu dieser Zeit wirklich kein ordentliches Tourpaket bieten, also haben wir uns dafür entschieden.

Ihr spielt sehr viel und bietet immer was fürs Auge, da läge doch eine Live-DVD nah, oder?

Steve: Eines Tages…
Nick: Wir haben zumindest das Material um so was mal in Angriff zu nehmen.
Leonard: Uns fehlt momentan einfach die Zeit, etwas derartiges zu machen. Es ist ja auch nicht so, dass Relapse uns im Nacken sitzen, dass wir eine DVD oder Ähnliches veröffentlichen müssen.

Wer ist denn eigentlich auf Xenosapien als Gastsänger mit dabei? Ich habs bisher nur Jason von MISERY INDEX rausgehört.

Leonard: Ja, Jason war dabei. Jarek, unser Booker hat auch noch mitgewirkt, er hat den klaren Gesang auf G.O.D. übernommen. Schön ist, dass wir dem Song geben können, was er verlangt, immer nur krassen Gesang einzusetzen lässt die Musik irgendwann nicht mehr krass wirken. Egal, ob es klarer Gesang ist, oder ob es Rap ist. Wir sind ebenso Doom wie Death Metal, deshalb bezeichnen wir uns auch als Grindcore, das ist universeller. Auf jeden Fall universeller als Brutal Death Metal oder brutally amazingly Brutal Death Metal. Unterm Strich ist das für mich einfach nur Grindcore.

Hat Bruce von YAKUZA eigentlich das Saxophon in G.O.D. eingespielt?

Leonard: Ja, das war Bruce. Sie waren eine zeitlang in Colorado, hatten einige Sachen zu erledigen und wurden eingeschneit, als sie weiterfahren wollten, da haben wir sie uns gekrallt. Ich finde, das Saxophon an dieser Stelle ist ein cooler Kontrast. Für mich ist Xenosapien einfach eine Ansammlung an coolen Songs, die mal Hardcore, dann wieder Metal, dann mal wieder dies und dann wieder das sind. Wir biedern uns keiner Szene und keinem Trend an, so fühlen wir uns am wohlsten.

Das wenn kein schönes Schlusswort war. Leonard, Nick, Steve, ich danke euch für das Interview. Viel Erfolg auch in Zukunft!

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