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VITAL SPIRIT: Still As The Night, Cold As The Wind

Zwischen Primitivität und großem Kino laden VITAL SPIRIT uns auf eine Reise in den unangenehm wilden Westen ein.

Man kann an Black Metal vieles lieben, nicht nur auf der direkten musikalischen Ebene, sondern auch auf einer kulturellen Meta-Ebene, dergestalt nämlich, dass Black Metal als per definitionem urwüchsige, archaische Musik kulturenübergreifend wirksam wird. In letzter Zeit z.B. tauchen immer mehr Bands auf, die sich mit der Geschichte der amerikanischen Ureinwohner befassen bzw. die Wut heutiger Nachkommen dieser auf den Genozid, der mit der Besiedlung Nordamerikas durchgeführt wurde, zum Ausdruck bringen wollen.

Das kanadische Duo VITAL SPIRIT reiht sich nun ein in dieses Subgenre, indem es mit seinem Debütalbum “Still as the night, cold as the wind” die schrecklichen, mehrere Jahrhunderte umfassenden Kriege behandelt, die der nordamerikanische Kontinent zwischen dem 17. und dem 19. Jahrhundert erlebt hat – Kriege zwischen den Ureinwohnern und den europäischen Einwanderern. Und es liegt ja auch so nahe: Black Metal als Genre, das Leidenschaft, Aggression und Verzweiflung so gut darzustellen vermag wie kein zweites, ist geradezu perfekt dafür geeignet, diese Thematik musikalisch zu verarbeiten.

Zwischen Primitivität und großem Kino

Wie man sie aber verarbeitet, ist damit noch nicht gesagt. Es gibt den Ansatz, das Ganze roh und menschenverachtend zu gestalten, wie es etwa die Projekte IFERNACH und PRIMEVAL WELL tun, oder man schneidet sich eine dicke Scheibe davon ab, wie die Unterhaltungsindustrie vor allem im Kino das Thema verhandelt hat und macht daraus eben, genau: ganz großes Kino.

VITAL SPIRIT versuchen beides. Einerseits ist “Still as the night, cold as the wind” unglaublich wild und roh – das musikalische Fundament besteht aus Blast-Beats, Thrash-Gekloppe, sägenden Gitarren und völlig irrem Geschrei -, andererseits sorgen die brutal melodischen Leads und Soli und vor allem die direkt dem Spaghetti Western entliehenen instrumentalen Zwischenstücke (inklusive Trompete und Cello!) dafür, dass ich als bekennender Connaisseur sehr eingängiger Musik nicht direkt ebenso schreiend davonlaufe.

Im Gegenteil: Mit jedem Durchlauf finde ich neue Hooks, auf die ich mich beim nächsten Mal freuen kann, die Produktion ist ein Fest für Old-School-Fans und trotzdem klar und differenziert, und ihr Handwerk beherrschen die Musiker perfekt. Und dann dieses faszinierende Cover! Ja, das Album mag als Ganzes zunächst unspektakulär erscheinen, es ist aber ein wohl durchdachtes, ungemein effektiv komponiertes und in seiner bombastischen Fülle geradezu unverschämt unterhaltsames Debüt geworden, das Liebhaber zeitgenössischen Black Metals irgendwo zwischen TURIA, SPECTRAL WOUND und Sergio Leone unbedingt in ihrer Sammlung brauchen.

Spielzeit: 36:18 Min.

Veröffentlichung am 6.5.2022 auf Vendetta Records und Hidden Tribe

VITAL SPIRIT “Still as the Night, Cold as the Wind” Tracklist

1. Blood and Smoke
2. Bad Hand
3. Dawn of Liberty (Audio bei Bandcamp)
4. The Long Walk
5. Withering Fire (Video bei YouTube)
6. Saccharine Sky
7. White Eyes
8. Lord of the Plains

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