ULCERATE: Shrines Of Paralysis

ULCERATE liefern erneut die beste Death-Metal-Scheibe des Jahres ab

ULCERATE gehören mit Verlaub zu den ganz wenigen Kollektiven, die es geschafft haben, ihr eigenes Universum aufzubauen und von dort aus die globale Musiklandschaft nachhaltig zu prägen. Damit dürfte sich das Trio aus dem fernen Neuseeland mit den Bands wie NEUROSIS, PORTAL, SUNN O))) oder GORGUTS in einer mehr als illustren Gesellschaft befinden. Doch lange Rede, kurzer Sinn: Mittlerweile ist ULCERATE eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Death-Metal-Band der Welt. Was ULCERATE so speziell macht, ist ihre Singularität, ihre eigene Sprache, welche nur sie beherrschen und in der sie mit der Welt da draußen kommunizieren. Selten hat es eine Extreme-Metal-Band geschafft die Brutalität und Dissonanzen so elegant und atmosphärisch rüber zu bringen, wie ULCERATE es bereits auf ihrem Debüt gemacht haben.

Nun steht mit Shrines of Paralysis das mittlerweile fünfte Langeisen des Power-Trios aus Auckland auf der Matte, und das Wenigste, was man an dieser Stelle sagen kann ist, dass sich ULCERATE zumindest für dieses Jahr keinen Kopf um die Konkurrenz machen sollten. Ich will nicht behaupten, dass Shrines of Paralysis eine leichte Kost wäre – diejenigen, die mit dieser Art von Death Metal noch nicht vertraut sind, sollten es lieber mit Destroyers of All probieren – aber nach dem mehrmaligen Hören entfaltet die Platte ihre volle Pracht. Anfangs mag die Scheibe chaotisch und gar zerfahren wirken, aber nach circa drei Durchgängen gehen die Songs runter wie Öl. Obwohl  ULCERATE gerade für ihre technische Raffinesse und die verschachtelten Songstrukturen bekannt sind, hören sich die Songs zu keiner Sekunde quasi als Roboter-Musik a la MESHUGGAH an. Obwohl der Schlagzeuger Jamie Saint Merat zu der absoluten Weltspitze gehört, gibt es keine minutenlangen Blastbeat-Orgien der Marke ORIGIN oder HATE ETERNAL. Man könnte zwar meinen, dass die Drums ein wenig zu sehr in den Vordergrund gemischt wurden, doch der Eindruck täuscht – vielmehr bildet das Schlagzeug einen Canvas, der als Grundlage für die fertigen Songs dient. In dieser Hinsicht stehen ULCERATE den großen IMMOLATION in nichts nach.

Die Stärke des Allbums besteht daher nicht im technischen Narzissmus, sondern eindeutig im Songwriting – der Song steht ganz klar im Mittelpunkt. Anfangs hört man zwar nur durch dissonante Riffs und häufige Takt- und Tempowechsel bedingten Chaos, hört man freilich etwas genauer rein, dann merkt man, dass die Songs, die im Übrigen allesamt die Fünf-Minuten-Marke knacken, vor allem von den Stimmungswechseln leben. Beispielsweise im Titelsong gibt es gleich mehrere Momente, wo die Band quasi innehält und das Gebolze ganz einstellt – das sorgt für Entspannung und macht das Songmaterial genießbar. Auf der anderen Seite kann dadurch gerade die Spannung bzw. Dynamik aufrechterhalten werden. Auf diese Art und Weise funktionieren auch andere Lieder wie etwa Chasm of Fire, das vom Aufbau her in gewissem Maße einem NEUROSIS-Song ähnelt: Die Soundwälle werden aufgebaut und dann zum Einsturz gebracht. Es ist erstaunlich, wie die Band es hinkriegt, aus so vielen, manchmal sogar einander ausschließenden Komponenten ein großes Ganzes zu schaffen, das in seiner Gesamtheit wie ein unzerstörbarer Monolith erscheint und sogar eventuell das Zeug zu einem Genre-Klassiker hat. Die Parallelen zu INTER ARMA sind an dieser Stelle einfach nicht zu übersehen.

Um es jetzt kurz zu fassen: Shrines of Paralysis ist ein mehr als würdiger Nachfolger von Vermis und stellt in gewisser Weise sogar eine Steigerung zu seinem großartigen Vorgänger dar. Das Songwriting ist insgesamt fokussierter und dadurch wirkt die Platte trotz seiner Länge auch etwas kompakter, als Vermis es war. Der Sound ist wie immer top: transparent, organisch und differenziert, was für den technischen Death Metal heutzutage leider nicht selbstverständlich ist. Einen kleinen Kritikpunkt konnte ich mir trotzdem nicht verkneifen: Was zum Kuckuck soll das zweiminütige Instrumental Bow to Spite auf der Platte? Meiner Meinung nach absolut sinnfrei und trägt auch nicht gerade zum Flow bei. Ansonsten ja, trotz ihrer mittlerweile recht langen Musikkarriere wirken ULCERATE auf Shrines of Paralysis zu keiner Sekunde müde oder uninspiriert und liefern erneut wohl das beste Death-Metal-Album des Jahres ab.

Veröffentlichungstermin: 28.10.2016

Spielzeit: 57:00 Min.

Line-Up:

Paul Kelland: Bass, Vocals

Michael Hoggard: Guitars

Jamie Saint Merat: Drums

Produziert von Jamie Saint Merat
Label: Relapse Records

Homepage: https://ulcerate.bandcamp.com/

Mehr im Netz: https://www.facebook.com/Ulcerate/

Tracklist:

1. Abrogation

2. Yield to Naught

3. There Are No Saviours

4. Shrines of Paralysis

5. Bow to Spite

6. Chasm of Fire

7. Extinguished Light

8. End the Hope

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