THE VISION BLEAK: Carpathia

Epische Düsternis, unfassbare Eingängigkeit und spannungsgeladene Dramatik: das sind die Schlagworte, die sich THE VISION BLEAK auf die Fahnen ihres etwas anderen Reiseführers heften dürfen.

Die Ehrenmitgliedschaft im Tourismusverband der Karpaten wird den Herren Schwadorf und Konstanz wohl verwehrt bleiben. Denn Carpathia ist alles andere als eine bunte Reisebroschüre, die das familienfreundliche Angebot und die unberührte Natur der osteuropäischen Gebirgskette in den Vordergrund stellt. Viel mehr zeichnen die beiden routinierten Dark Metal-Poeten, die ihre Lebensläufe mit Bands bzw. Projekten wie AUTUMNBLAZE, EMPYRIUM, EWIGHEIM oder NOX MORTIS schmücken können, ein düsteres Bild voller dunkler Gestalten.

Carpathia beruht dabei auf einer selbst ausgetüftelten Story, die sich an das Werk H.P. Lovecrafts lehnt und die abenteuerliche Geschichte eines Geschäftsmannes erzählt, der sich ins ferne Carpathia aufmacht, um sein Erbe in Form von altehrwürdigen Besitztümern anzutreten. Wirkte die Musik auf THE VISION BLEAKs Debüt-Album noch ein wenig aufgesetzt, um die kleinen Horror-Episoden musikalisch zu begleiten, ist die Reise nach Carpathia in sich geschlossen. Da passt der Text zur Musik. Und in Addition ergibt dies eine dichte Atmosphäre, der man sich nicht verschließen kann.

Will man noch einmal den Vergleich zum Vorgänger-Album heranziehen, so fällt auf, dass der Härtegrad zugenommen hat, was sich vor allem am Gitarrensound festmachen lässt. Dieser brät old-school in bester Schweden-Manier vor sich hin und erweckt Erinnerungen an alte DISMEMBER– und ENTOMBED-Scheiben. Begleitet werden die Gitarrenmelodien vom stimmungsvollen Keyboard, das zumeist im Einklang mit den Gitarren auf der Tonleiter tanzt. Und selbst die Vocals, die von Allen B. Konstanz in bester Andrew Eldritch-Manier (SISTERS OF MERCY) beschwörend und sonor vorgetragen werden, hängen sich oft an der tragenden Melodie an. Beachtenswert ist zudem, dass instrumental keineswegs diverse Fingerakrobatik-Kunststücke praktiziert werden, sondern sich die Instrumente und auch die Orchester-Arrangements unisono dem Primärziel unterordnen, pure Atmosphäre auszustoßen.

Obwohl es sich bei Carpathia um ein in sich geschlossenes Konzept-Album handelt und auch die Songs durch die Bank auf gleichbleibend hohem Niveau ihre Wirkungskreise ziehen, will ich trotzdem noch auf den einen oder anderen Track näher eingehen (besondere Alben benötigen nun einmal auch eine besondere, ausführlichere Besprechung oder um es frei nach BRUTAL TRUTH zu sagen Extreme Conditions Demand Extreme Responses).

Den Auftakt macht eine Hommage an die Klassiker des Gruselfilm-Genres, indem in Soundtrack-Manier eine schwingende Frauenstimme, orchestral begeleitet, den Hörer seinem Reiseziel zubringt und schier übergangslos in das erste Riff von Secrecies In Darkness mündet, das neben einer geradlinigen Melodie und monotonen Konstanz-Gesang auch kurz eine Sopran-Stimme ans Mikro lässt und ebenso kurz ein Gitarrensolo einstreut. Bedeutsamer für den Gesamtklang Carpathias ist da schon der Titeltrack, der den Hörer zielstrebig vor sich hin treibt. Besondere Beachtung gilt es hierbei dem hymnischen Chorus zu schenken, der mit transylvanischer Marktschreier-Attitüde an den Mann gebracht wird. Eigentlich ausgelutschte Soundelemente wie etwa die klagende Violine als Übergangsmittel, das düstere Erschallen einer Kirchenglocke oder die allgemein vorherrschende Theatralik drücken der Scheibe hier den Bombast-Stempel auf. Dieser wird auch im schleppenden Dreams In The Witchhouse nicht abgewischt, bei dem man in manch dramatischen Endstadium ein gegröltes Uh nur schwerlich unterdrücken kann. Beinahe schon doomig geht es mit Sister Najade weiter, wo erneut mit hohen Frauenvocals gearbeitet wird. Das dem Namen gerecht orientalisch angehauchte The Curse Of Arabia und das teilweise geradlinige, jedoch mit diversen Vocal-Arrangements bestückte Kutulu! bilden schließlich die Vorhut zum überlangen The Carm Is Done, wo das deutsche Duo noch einmal zur Bombast-Keule greift, indem Orchestration und Death Metal-Gitarrenarbeit ein organisch wirkendes Ganzes zelebrieren, das das dramaturgische Talent von THE VISION BLEAK zur Geltung bringt.

Carpathia ist demnach ein Dark Metal-Werk, das zwar Klischee-beladen ist, kaum Anzeichen von musikalischer Innovation bereit hält und auch keine abenteuerlichen instrumentalen oder gesanglichen Heroenleistungen abliefert, sondern schlicht und ergreifend fesselt. Die schnörkellose Eingängigkeit, die präzis produzierte Klangdichte, die pathetische Erzählweise und die düstere Atmosphäre haben letztendlich überzeugt, so dass ich jetzt meine Koffer packe, um den Karpaten meine Aufwartung zu machen – auch ohne bunt illustrierten Reiseführer.

Veröffentlichungstermin: 29.08.2005

Spielzeit: 41:55 Min.

Line-Up:
Ulf Theodor Schwadorf – Guitars, Bass, Keyboards

Allen B. Konstanz – Vocals, Drums, Keyboards
Label: Prophecy

Homepage: http://www.the-vision-bleak.de

Tracklist:
1. The Drama Of The Wicked

2. Secrecies In Darkness

3. Carpathia

4. Dreams In The Witchhouse

5. Sister Najade (The Tarn By The Firs)

6. The Curse Of Arabia

7. Kutulu!

8. The Carm Is Done

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