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REVERB ON REPEAT: [reverb on repeat]

Melancholie, zum Ertrinken schön, mit einer lebendigen Gravitas: REVERB ON REPEAT glänzen mit einem Wunderwerk zwischen Shoegaze, Blackgaze und Post Rock.

In Stig Sæterbakken schmerzhaftem letzten Roman „Durch die Nacht“ möchte der Protagonist zunächst gleichzeitig ertrinken und doch leben. Obwohl das Konzept von REVERB ON REPEAT mit Sæterbakkens todessehnsüchtig-dysfunktionalen Trauerarbeit nichts zu tun hat, ist es dieses „ertrinken und doch leben wollen“, das „[reverb on repeat]“ eigentlich ausreichend zusammenfasst. Das russische Quartett REVERB ON REPEAT, das zwischen Shoegaze, Blackgaze und Post Rock oszilliert, steht indes voll im Leben. In siebzig Minuten schaffen die Musiker es, die Hörer*innen tiefer und tiefer sinken und gleichzeitig davon driften zu lassen, durch die endlosen Weiten eines Kosmos, der uns statt mit Lebensfeindlichkeit, sondern mit Gnade empfängt.

Was den Verfasser zu solch pathosgeschwängerten Worten verleitet, kommt indes selbst ganz ohne solches aus. REVERB ON REPEAT balancieren auf dem schmalen Grat zwischen Emotionalität und Sentimentalität, und es gelingt ihnen über die lange Spielzeit von 70 Minuten hinweg, nie auf eine Seite hinunterzufallen, da sie stets die Heaviness als Fundament haben. Diese Verbindung der Attribute, die bei anderen Bands dieser Genres allzu leicht Kitsch erzeugen kann, umschiffen REVERB ON REPEAT auch, indem sie ihrem Namen alle Ehre erweisen. Und, um bei den Fakten zu bleiben, „[reverb on repeat]“ besteht aus zwei Veröffentlichungen, die im Februar („Жить“, die ersten vier Songs), respektive im April („Успею“, die restlichen fünf Stücke) diesen Jahres veröffentlicht wurden.

REVERB ON REPEAT balancieren auf dem schmalen Grat zwischen Emotionalität und Sentimentalität. „[reverb on repeat]“ vermeidet dank Heaviness jeglichen Kitsch.

Die Band um Drummer Tim Yusupov und Bassist Michail Kurochkin (beide SOMN), sowie Gitarrist Andrey Novozhilov (TRNA) bündelt ihre Stärken, indem sie gewaltige Räume auslotet. Das Soundbild klingt unendlich weit, die Gitarren und Synthesizer entfalten sich schier endlos, seien es die Tremolo-Gitarren oder raue Riffwände. Geerdet werden die Songs durch die Rhythmus-Einheit, die schön rau klingt. Dass mit Vladimir Frith (Рожь / RYE), der mit dem Post Black Metal-Soloalbum „Всё“ eines der wundervollsten Alben 2023 erschaffen hat, als Sänger und Lyriker an Bord ist, ist ein zusätzlicher Gewinn für REVERB ON REPEAT. Seine tiefe, gefühlvolle Stimme, die atmosphärischen Chöre, die liebevoll ausgearbeiteten, sich ergänzenden Gesangslinien bilden ein Universum für sich und sind so schön in die Instrumente verwoben, dass es in den besten Stellen den Boden unter den Füßen wegreißt.

Und sie lassen sich dabei Zeit. Unter sechseinhalb Minuten geht bei REVERB ON REPEAT nichts. „Розовые сны (Aurorean Dreams)“ und „Нерест (Spawning)“ sind die vergleichsweise kurzen Stücke, die schließlich mit Blackgaze-Blast Beats die Fluchtgeschwindigkeit triggern, um die Erdumlaufbahn zu verlassen. Die restlichen Stücke bleiben im Midtempo, doch jedes schafft es, sich auf andere Art zu entfalten. Wo „Мемантин (Memantine)“ zunächst noch recht traditionell im Shoegaze bleibt, ist das anschwellende Crescendo des Doom Metal ab dem Refrain zumindest im Subtext fühlbar. Die Gravitas der Musik wird zunehmend stärker, je länger der Song fortschreitet. Diese Art der Dynamik bauen REVERB ON REPEAT mal abrupter („Башни (Towers)“ und „Всё закончится (it will be over)“) und mal subtiler („Стекло (Glass)“) aus. Und am Ende, mit dem 16-minütigen „Успею (it will keep)“, driftet die Band dann vollständig in einen Songkosmos ab, der ob seines Facettenreichtums, der dröhnenden Synths, des ausdauernden Songaufbaus, der exzellent zueinanderpassenden, dynamisch variablen Teile, dann die erwartbare Klimax des Albums darstellt.

Trotz detailverliebter Arrangements bleibt „[reverb on repeat]“ stets nachvollziehbar: REVERB ON REPEAT sind talentierte Songwriter mit einem Blick für das große Ganze.

REVERB ON REPEATs neun Songs werden mit einer irrsinnig lauten Soundwand angereichert, die alles niederdrückt und gleichzeitig dazu einlädt, völlig in der Musik aufzugehen. „[reverb on repeat]“ ist dabei Realitätsflucht, Romantik, Trauerbewältigung und Erdung in einem und verflucht laut und kraftvoll. Ein organisches Album, das trotz seiner zahlreichen Schichten stets nachvollziehbar bleibt und wo es trotz seiner stilistischen Limitierung in jedem Song einen eigenen Charakter gibt. Es ist auch eines, das in siebzig Minuten keinerlei Längen aufweist oder ermüdend wirkt. „[reverb on repeat]“ ist eine musikgewordene warme Decke, wie ein Trostspender an einem Tag voller Selbstzweifel, wie ein Levitieren trotz gebrochener Flügel – und so schafft die St. Petersburger Formation es, das Grau zu vertreiben und zarte Farben entstehen zu lassen. Die Melancholie, die von dieser Musik ausgeht, ist so intensiv, aller Schwere zum Trotz so lebensbejahend, dass es wie ein Trip wirkt. Für diejenigen, die sich an ein Happy End jenseits der Grenzen irdischen Lebens klammern, sicherlich eines DER essentiellen Alben 2024.

Wertung: 8 von 9 geflutete Lungen

VÖ: 12. April 2024

Spielzeit: 70:57

Line-Up:
Andrey Novozhilov – Guitar, Gaze
Vladimir Frith – Lyrics, Vox
Tim Yusupov – Drums, Cover
Michail Kurochkin – Bass, Mix

Label: These Hands Melt

REVERB ON REPEAT „[reverb on repeat]“ Tracklist:

1. Мемантин (Memantine) (Official Audio bei Youtube)
2. Розовые сны (Aurorean Dreams)
3. Башни (Towers)
4. Нерест (Spawning)
5. Луна (Luna) (Official Audio bei Youtube)
6. Стекло (Glass)
7. Всё закончится (it will be over)
8. Ночь (Nocturnal)
9. Успею (it will keep)

REVERB ON REPEAT „Жить“ Full Album Stream bei Youtube
REVERB ON REPEAT „Успею“ Full Album Stream bei Youtube

Mehr im Netz:

https://reverbonrepeat.bandcamp.com/
https://www.facebook.com/reverbonrepeat
https://www.instagram.com/reverbonrepeat/

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