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POVAROVO: Tchernovik

Darkjazz aus verrauchten Bars im russischen Nirgendwo, der es nicht in die Ruhmeshalle des Genres schafft.

Immer dran denken, mit dem russischen Winter können keine schlappe -20°C mithalten, die bis vorgestern hier herrschten. Dass es da Menschen gibt, die den ganzen Abend in verrauchten Bars hocken und wortlos in ihre Flasche Wodka hinein starren liegt in der Natur der Sache. Und weil die Nächte im finsteren Russland besonders lang und besonders kalt sind ist Tchernovik, das Debütalbum von POVAROVO, auch besonders lang ausgefallen. Dass mir auch ja keiner zu früh heimgeht. Nicht nur das, Tchernovik beginnt bei Song -5 und endet bei Song +9, so dass es auch keinen Zweifel gibt, dass POVAROVO im Guten wie im Bösen zu Hause sind. Es ist trist und bedrückend, was POVAROVO bieten aber immerhin machen sie es einem leicht, sie zu kategorisieren. Zwischen BOHREN UND DER CLUB OF GORE und THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE, mit einer von ANGELO BADALAMENTI bekannten Geschmeidigkeit entführen uns diese inkognito agierenden Musiker in eine Welt noir.

Das klingt nun wenig innovativ und fast schon ein wenig kitschig, und eigentlich ist es das auch. So gut der Ansatz auf Tchernovik ist, so erfrischend es ist, kürzere Songs statt langer Monolithen zu hören, so vage und offen der Gesamteindruck ist, so sehr orientieren sich POVAROVO an ihren Vorbildern. Zwar gibt es dank einiger schöner Gitarrenläufe, die im Gegensatz zu THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE auch als solche zu erkennen sind ein etwas greifbares Element, dennoch überwiegt der Einfluss an elektronischen Instrumenten, die Stimme ist gar auf dem ganzen Album quasi nicht hörbar, und auch die Rhythmen wirken nicht selten recht klinisch und steril. Immerhin, von dem Moment an, wo POVAROVO vom Minus ins Plus wechseln, erhalten die Stücke eine neue Qualität, haben schöne Themen und werden vollständiger, konkreter. Tchernovik wird genau dann richtig gut – bei Songs wie My Song 2224, J.S. Bach, 66 Breath und Black Powder – wenn es entweder leicht verträumt, oder zähnefletschend gemein wird.

Das russische Ensemble beherrscht sowohl das Hinterfotzige, etwas Lautere, ebenso wie das Leise und Finstere. Und fies sind sie die meiste Zeit auf ihrem über siebzigminütigem Debütalbum. So richtig zupacken wollen POVAROVO jedoch nicht, die meiste Zeit scheint Tchernovik ein wenig vor sich hin zu dümpeln. Immerhin, POVAROVO sorgen immer wieder für Überraschungsmomente, zum Beispiel durch die Gitarre, einige unheimliche Effekte und Samples oder einen unterschwelligen Humor. Gespielt ist das alles ganz prima und sehr gefühlvoll, auch die Produktion, die wie aus einem finsteren Folterkeller klingt, ist von Könnern gemacht. Freunden von Darkjazz oder Doomjazz mit leicht elektronischer Basis wird Tchernovik sicherlich gefallen, in dieselbe Ruhmeshalle wie ihre Vorbilder kommen POVAROVO aber noch nicht. Dafür müsste das Songwriting noch etwas fokussierter sein. Und dafür würde ich auch jederzeit eine kürzere Spielzeit in Kauf nehmen.

Veröffentlichungstermin: 17. Februar 2012

Spielzeit: 71:24 Min.

Line-Up:
8449494 – Programming, Double Bass, Cello, Bass, Voice, Keyboard
2ol – Programming, Keyboard, Guitar
<>< – Saxphone, Clarinet, Trumpet
jkt – FX, Voice
Burton – Technical Sound Support

Label: Denovali Records

Homepage: http://www.povarovo.info

Mehr im Netz: http://www.facebook.com/povarovo

Tracklist:

-5. Nothing Going
-4. Dumb And Short
-3. After Breake
-2. Methro Nome
-1. Hopen Head
0. Newborn
1. Ronald
2. My Song 2224
3. Pro Romance
4. FAQ Short
5. J.S. Bach
6. 66 Breath
7. Never Boiler
8. Black Powder
9. Un Der Mike

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