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MOOR: Heavy Heart

Just remember that death is not the end: MOORs Debütalbum „Heavy Heart“ thematisiert Krankheit und Tod und ist nicht zuletzt deshalb äußerst intensiv und zeitlos gut.

Wann immer wir mit dem Tod konfrontiert werden – nicht abstrakt durch Literatur, Filme oder natürlich den stets todessehnsüchtigen Metal –, rührt sich etwas, zumindest in den Meisten von uns. Der Tod, die einzige ewige Unbekannte, alles, was daraus resultiert, lässt oft den Atem stocken, auch weil der Mensch gemeinhin davon ausgeht, ewig zu leben. Bis es, wie im Fall von Christian Smukal, eine endgültige Diagnose gibt. Der Hamburger Szeneveteran veranstaltete unter anderem das Droneburg-Festival und war außerdem Bassist von MOOR. Sein Bassspiel auf MOORs Debütalbum sind die letzten Aufnahmen, die es von ihm zu hören gibt. Und während Christian Smukal sein Leben verlor, musste auch Gitarrist Ben Langing gegen Krebs kämpfen.

Wenig überraschend ist, dass dieses Album eine intensive Angelegenheit ist. MOOR, die zwischen Doom, Post Metal und Sludge pendeln, bieten das passende Fundament für diese traurige Hintergrundgeschichte. Dabei sollte es eigentlich ein Grund zur Freude sein, dass diese Band existiert, immerhin ist es ein Wiederhören mit Ercüment Kasalar, dem Frontmann der schmerzlich vermissten TEPHRA. Dennoch gehen MOOR in eine andere Richtung. Ist das NEUROSIS minus psychedelischer Momente, CROWBAR in brutal, YOB in bodenständig, DIRGE in kompakt? Vielleicht von alldem ein wenig. Aber das, was wirklich an diesem Debütalbum zählt, ist das Gefühl dahinter.

„Heavy Heart“  ist hör- und spürbarer Schmerz: MOORs Debütalbum geht nicht zuletzt wegen der tragischen Geschichte dazu unter die Haut

„Heavy Heart“ erfindet das Genre dabei nicht neu, doch das ist auch nicht MOORs Anspruch. Die Hamburger stechen mit diesen sieben Songs trotzdem aus der Masse hervor, denn Songwriting und Performance sind von einer Intensität, die so nicht zu erwarten war. Das Zusammenspiel von Riffs und Drums erzeugt eine Dringlichkeit, lässt Beklemmung entstehen. Der Schmerz, den MOOR im Schaffensprozess begleitete, wird hier hör- und spürbar. Dabei ist das eröffnende Titelstück noch vergleichsweise zahm, auch wenn hier schon brachiale Riffs, kräftiges Drumming und Ercüments äußerst intensive Vocals dominieren.

In der Folge setzen MOOR immer mehr subtil melodische Versatzstücke oder harmonische Riffs ein. Hier, wie in „Pale Grey Snow“, „Restless“ und „Under Your Wings“ wird alles spürbar, Angst, Wut und Trauer. Dass MOOR in diesem Setting so sehr auf den Punkt komponieren und spielen können, ist natürlich der Erfahrung der Musiker geschuldet – und dennoch ist es bemerkenswert. „Heavy Heart“ vergeht nicht in Selbstmitleid, MOOR stellen sich dem Schicksal trotzig entgegen – da ist eben kein Platz für das große Drumherum. Das bedeutet aber im Gegenzug nicht, dass „Heavy Heart“ neben der Flut an packenden, prägnanten Riffs die Harmonien außer Acht lässt – sie sind nur so gut ins Gesamtkonstrukt eingearbeitet, dass sie nicht so sehr um Aufmerksamkeit buhlen.

MOORs Spagat zwischen Heaviness und Harmonie gelingt: „Heavy Heart“ profitiert von der Erfahrung der Musiker

Am Ende steht dann mit dem knapp zehnminütigen „Breath Like Nails“ das konsequente Finale, bei dem MOOR auch beweisen, dass sie große Spannungsbögen beherrschen. Hier gibt es einen sehr starken Chorus der, mehr noch als die restlichen sparsam eingesetzten Cleanvocals, an MASTODON in ihren nachdenklich-introvertierten Momenten denken lässt. Aber auch hier gilt, MOOR verlieren sich nicht im Pathos, sie bleiben direkt und nahbar und gehen deshalb so zu Herzen. Das Ungefilterte, Direkte an „Heavy Heart“ liegt außerdem an dem starken Sound aus der Tonmeisterei, der das Album konsequent abrundet.

„Heavy Heart“ mag untrennbar mit Krankheit und Tod verbunden sein. Das lässt MOOR zu Christian Smukals Vermächtnis werden, dass die Band abseits davon weiter existiert, ist ein großes Glück. Post Metal in der Schnittmenge mit Doom und Sludge ist nun wirklich nichts Neues – umso wichtiger, dass MOOR diese Musik mit solcher Leidenschaft und solchem Können spielen. „Heavy Heart“ zeigt, dass diese Musik, selbst wenn sie zu großen Teilen ausdefiniert ist, noch immer das Potenzial hat, durch Mark und Bein zu gehen.

Wertung: 6 von 7 Atemzüge

VÖ: 17. Mai 2023

Spielzeit: 40:50

Ercüment Kasalar – Vocals, Guitar
Christian Smukal – Bass
Ben Laging – Guitar
David Kaiser – Guitar
Chad Popple – Drums

Label: Blood Blast

MOOR „Heavy Heart“ Tracklist

1. Heavy Heart (Official Video bei Youtube)
2. Pale Grey Snow
3. Tears From Acrid Smoke (Official Video bei Youtube)
4. Void
5. Restless
6. Under Your Wings
7. Breath Like Nails (Official Video bei Youtube)

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