Also ich fand ja MASTERS OF REALITY damals gleich toll, weil sie sich nach dem dritten BLACK SABBATH-Album benannt hatten. Wichtiger war aber Ende der 80er, dass Chris Goss und seine Kollegen etwas ganz eigenes geschaffen haben, als die bald anrollende Grunge-Welle alles platt gemacht hat. Mit einem Mix aus staubig bluesigen Klängen und Psychedelic Rock legte man den Grundstein für den Dessert Rock, ohne den es Bands wie KYUSS oder QUEENS OF THE STONE AGE sicher so nicht gegeben hätte. Dass Goss auch Alben u.a. dieser Bands produziert hat und QOTSA-Mitglieder Teil des immer mal wechselnden Musikerpools waren, das überraschte damals keinen. Dann schon eher, dass selbst CREAM-Legende Ginger Baker eine Zeit lang an den Drums saß. Heute aber steht der Name MASTERS OF REALITY für Mainman Chris Goss, der natürlich wieder ein passendes Team um sich hatte, um nun mit „The Archer“ nach gut 16 Jahren endlich ein neues Album zu präsentieren.
MASTERS OF REALITY-Mainman Chris Goss ließ lange warten auf „The Archer“
Der Titeltrack führt dann gleich mal zurückgezogen ins Album. Es wabbert, schwebt, frühe 70er flirren aus den Boxen. Wo war nochmal die Lavalampe? Man ist sofort raus aus der Realität, der Meister kann es immer noch. Und man hört ihm sofort zu, Lyrics zum Mitfühlen füllen das ganze Album. Wer ist dieser Bogenschütze? Er? Ich? Wir? Ist es wirklich der heldenhafte Ritter mit dem stählernen Schwert, der die Schlacht gewinnt und hinterher die Prinzessin kriegt? Oder ist es doch der nicht im Fokus stehende Archer, der maßgeblich den Ansturm der Feinde im Krieg und im Alltagsleben stoppt? „I Had A Dream“ holt uns wieder zurück ins Album, rockt zappelig mit knurrendem Bass nach vorn. Man sieht förmlich die Fans entzückt tanzen bei den kommenden Liveshows.
Bluesig, zappelig, psychedelisch – MASTERS OF REALITY wie gewohnt/erhofft
Zäh und unbequem kommt das bluesige „Chicken Little“, auch hier wäre die Lavalampe ein passender Begleiter. Eine frühe Grunge-Band spielt Blues oder so ähnlich, seltsam aber auch fesselnd. Alle Fesseln reißen sofort wieder beim pumpenden „Mr. Tap n‘ Go“. Kurz mag man kurz an DAVID BOWIE denken oder doch wieder an das entzückt tanzende Publikum, dass sich zum schrägen Groove die Beine verdreht. „Barstow“ ist dann eine eindeutige Verbeugung Richtung THE DOORS, mit derem typischen fesselnden Flow und klassischen Morrison-Gesangslinien. Die Dame, der „Sugar“ gewidmet wurde, möchte man gern kennenlernen. „Powder Man“ holt uns aber wieder zurück, introvertiert, melancholisch, nachdenklich. Mag es auch am Ballentines in der John Lennon-Edition liegen, der mich aus dem Glas anfunkelt, ich muss bei dem Song immer wieder an traurige BEATLES denken.
Man kann sich nicht dagegen wehren, wie die Songs einen auf fast unverschämte Weise einlullen und gefangen nehmen
Es wird kurz orientalisch, „It All Comes Back To You“ handelt vom Karma, jeder hat es selbst in der Hand, wie das zurück kommt. „Es kommt tatsächlich alles auf einen zurück. Das ist nichts Neues: Man erntet, was man sät“, sagt Chris Goss passend. „Bible Head“ schließt das Album schräg ab, funky, aber auch mit Reggae-Vibes. Und zeigt nochmal, wie abwechslungsreich es auf „The Archer“ zugeht. Und wie die Songs einen auf fast unverschämte Weise einlullen und gefangen nehmen. Man kann sich nicht dagegen wehren und will es auch gar nicht. Es ist auch nichts, was wirklich heraussticht.
Man lässt sich von Goss und seinen Kollegen mit fesselnden Songs einfangen, um am Ende des Albums total entspannt wieder auf Start zu drücken
Die Vocals, die merklich gereift klingen, tragen die Vibes und die Lyrics der Songs fühlbar mit, sind immer harmonisch in die Songs eingebettet. Auch musikalisch sorgt hier niemand für explodierende Momente. Und doch stimmt alles, alles passt zusammen, man will gar nicht überrumpelt werden von extravaganten Überraschungen. Man lässt sich lieber von Goss und seinen Kollegen mit fesselnden Songs einfangen, die Teils einen langen Entstehungsprozess hatten. Um am Ende des Albums total entspannt wieder auf Start zu drücken.
Oh je, ich hab die zwingenden Bilder vergessen von langen Autofahrten und Veranda mit Sonnenuntergang und so. Braucht man auch nicht, das Album funktioniert überall, wo man bereit ist, sich auf Musik bewusst einzulassen.
Das geht sicher auch gut live, denn MASTERS OF REALITY sind bald bei uns unterwegs:
3. April – Nijmegen/NL, Doornroosje
11. April – Köln, Artheater
12. April – Hamburg, LOGO
13. April – Berlin, SO36
15. April – Leipzig, Werk II
16. April – Nűrnberg, Z-BAU
18. April – Frankfurt, Das Bett
Veröffentlicht am 28.03.2025 (digital), 11.04.2025 (CD, LP)
Spielzeit: 38:44 Min.
Lineup:
Chris Goss – Vocals, Guitars, Keyboards
John Leamy – Drums, Vocals, Keyboards
Paul Powell – Bass, Vocals, Keyboards
Alain Johannes – Guitars, Vocals, Keyboards
David Catching – Guitar Solo (9)
Label: Mascot Records
Homepage: https://mastersofreality.com
Mehr im Web: https://www.facebook.com/mastersofreality
Die Tracklist von „The Archer“:
1. The Archer
2. I Had A Dream
3. Chicken Little
4. Mr. Tap n‘ Go (Video bei YouTube)
5. Barstow
6. Sugar (Video bei YouTube)
7. Powder Man
8. It All Comes Back To You (Video bei YouTube)
9. Bible Head