JETHRO TULL: Minstrel In The Gallery – "The 40th Anniversary La Grandé Edition" [2CD/2DVD]

Für mich das Highlight von JETHRO TULL! "Minstrel In The Gallery" gehört in jede Rocksammlung, und das in dieser wertigen "The 40th Anniversary La Grandé Edition".

Ok, es gibt aktuell reichlich willkommene Re-Releases der alten Klassiker mit oft netter Aufmachung und interessanten Bonus-Songs. Aber an die La Grandé Edition-Reihe von JETHRO TULL kommt keiner ran. So toll aufgemacht als Buch, klasse überarbeiteter Sound von Steven Wilson, spannendes Bonusmaterial und für Soundfetischisten Raumklang-Mixe auf DVD, wie schon auf den letzten Re-Releases zu A Passion Play und WarChild. Nun also ist das Folgealbum Minstrel In The Gallery von 1975 dran und kommt ebenfalls neben der Single-CD, als Download und als limitierte 180g-Vinyl-Pressung auch wieder als Luxusversion mit 2CDs und 2DVDs in wieder absolut edler Verpackung. JETHRO TULL nahmen das Album im September ´75 während der Tournee zum Vorgängeralbum WarChild innerhalb von zwei Monaten in Monte Carlo auf. Minstrel In The Gallery war das letzte Album, das im erfolgreichen Line-Up Ian Anderson, Martin Barre, John Evan, Barriemore Barlow und Jeffrey Hammond-Hammond entstand. Die 40th Anniversary Edition wurde um sechs bisher unveröffentlichte Tracks erweitert: die B-Seite Summerday Sands, mehreren Studio-Outtakes sowie Session-Material von Minstrel In The Gallery, Cold Wind To Valhalla und Aqualung, das im Zuge einer BBC-Produktion entstand.

Und warum Minstrel In The Gallery für viele Fans das heimliche Highlight in der Historie von JETHRO TULL ist, das wird schnell wieder klar. Die Band zeigt sich bis zur Perfektion zusammen gewachsen, jeder Musiker für sich agiert auf höchstem Level und die Songs sind ein absolut stimmiger Mix aus Komplexität, Geradlinigkeit, Tiefgang, Emotionen, geschickt aufgebaute Dramaturgie und greifbarer Atmosphäre. Da ist zu gern der Kopfhörer angesagt, um in das Album einzutauchen. Der Titelsong erzählt bereits so intensiv seine Geschichte, da ist bedingungsloses Zuhören angesagt. Rock-Barde Anderson verbreitet Folkflair, bevor die Kollegen und allen voran Gitarrist Martin Barre zeigen, dass hier Meister am Werk sind, die beeindruckend die Songs von Bandkopf Anderson umsetzen. Herrlich, wie zwischen ruhigen Folkklängen, spinnigen Progressive-Parts und eingängigem Rock variiert wird, immer im passenden Part geschmückt von Anderson´s erzählerischen Vocals. Beim starken Cold Wind To Valhalla gibt es von der Gitarre im harten Teil etwas zu viel LED ZEPPELIN. Schön das beflügelnd klingende Black Satin Dancer mit unfassbar emotionalen, fast schmachtenden Vocals, wird er die Tänzerin erfolgreich umwerben und vernaschen können? Sicher auch perfekt für eine Ballettinterpretation. Einnehmend das ruhige Requiem und das folkige Akustikstück One White Duck / 010 = Nothing At All. Baker St. Muse besteht aus fünf ineinander greifende Songs und bietet alles, was die Band auffahren kann auf höchstem Level. Man weiß nie so wirklich, auf welchen Musiker man sich konzentrieren soll, weil alle absolut großartig sind, sich immer wieder in Szene zu setzen wissen ohne das epische Gesamtwerk zu verspielen. Dabei bleibt es zumeist ruhig, auf wilde Spielereien wird verzichtet. Stattdessen fällt immer wieder die gelungene Umsetzung der Streicherarrangements auf, inszeniert von David Palmer, der die Band auch zukünftig begleiten sollte. Das ganze Album umwebt einen mit Moll-Tonleitern und die akustische Gitarre steht ganz vorn, wirklich hart gerockt wird nur am Anfang der Scheibe. Mit dem Ausklingen des kurzen, ruhigen Grace, dem Schlusstrack des eigentlichen Albums, wäre der erneute Griff zur Starttaste unvermeidbar, aber es gibt ja noch weitere Songs zu entdecken. Summerday Sands war die B-Seite der Single zum Titeltrack, ein ebenfalls ruhigerer, sich stetig steigernder Song. Es folgen drei alternative Aufnahmen von Albumsongs, die einen ebenso zum Zuhören auffordern wie die Originale. Das gilt auch für die abschließenden drei Tracks, lauter rockend den Titeltrack, Cold Wind To Valhalla und dem Oldie Aqualung. Die hörenswerten Aufnahmen stammen von einer Session für eine BBC-Sendung. Und immer wieder macht sich die Erkenntnis breit, dass JETHRO TULL nie mehr so gut waren wie auf diesem Album. Und was es alles zu entdecken gibt, gerade wieder wie jetzt hier unterm Kopfhörer, zahllose Feinheiten, die nicht dem Selbstzweck dienen, sondern fast heimlich die Songs noch größer machen. Groß sind neben der Musik auch wieder die tiefgreifenden Lyrics von Ian Anderson, in denen sich wieder geschickt unterschwellig verpackt sein eigenes Leben widerspiegelt. Zudem liefert der Mainman hier seine beste und abwechslungsreichste Gesangsleistung ab, egal welch gute Alben noch folgen sollten. Tja, die persönliche Begeisterung ist schwer zu verbergen, gebe es nur ein JETHRO TULL-Album, für mich müsste es ganz klar Minstrel In The Gallery sein!

Als Bonus-CD gibt es ein Live-Konzert aus der Olympia-Halle in Paris vom 5. Juli 1975, die ein paar Monate vor der Veröffentlichung von Minstrel In The Gallery mitgeschnitten wurde. Es gibt Songs vom betourten Album WarChild und hauptsächlich vom 71er Hitalbum Aqualung. Die Songs kommen herrlich krachig, das spinnige Critique Oblique, akustische Folksongs wie Wond´ring Aloud, das ja üüüberhaupt nicht nach CAT STEVENS klingt, das ausufernde My God, bei dem Entertainer Anderson recht albern mit seiner Flöte den Clown macht, eine frühe Live-Version des Titeltrack zum nächsten Album Minstrel Of The Gallery, das schon beeindruckend andeutet, welch tolles Album da auf einen zukam. Die Songs machen durchgehend richtig Spaß, auch weil die eh beste Besetzung der Bandgeschichte auf höchstem Level fährt. Jeder Musiker ist klasse, wieder mal wird deutlich, wie unterbewertet Gitarrist Martin Barre gegenüber den Rockstars jener Zeit war. Das einzige, was ihm fehlte, war eine erkennbare Eigenständigkeit, sein Spiel war doch zu sehr von den großen Kollegen geprägt. Aber hier zeigt er hervorragend, dass er ein ganz Großer war. Der gute Mix von KING CRIMSON-Gitarrist Jakko Jakszyk macht aus der alten Aufnahme ein zeitloses Live-Dokument einer Band in Höchstform. Pflichtprogramm für jeden JETHRO TULL-Fan, die um diese wertige Box eh nicht herum kommen.

Wer Lust hat, der kann sich auf der ersten DVD das Album in verschiedenen Mixen anhören, im alten Originalsound, Quadrophonie-Mix oder 5.1, sofern man das nötige Spielzeug dafür hat. Und jede Klangvariation sorgt dafür, dass man immer mehr entdeckt, die Größe von JETHRO TULL sich von immer neuen Seiten zeigt. DVD 2 präsentiert uns ebenso in verschiedenen Mixen den Live-Mitschnitt der Bonus-CD sowie als Video die Live-Version des zukünftigen Titeltrack des Originalalbums Minstrel In The Gallery, bei dem sich Mainman IAN ANDERSON gewohnt als kauziger Barde zeigt, seine Kollegen begeistern mit fantastischem Spiel und gruseligen Outfits. Da hätte man sehr gern das ganze Konzert als Video dazu packen können, JETHRO TULL gibt es hier viel zu kurz in Höchstform auf dem Bildschirm.

Wer mehr für´s Auge braucht, der kann sich auch einfach die tolle Präsentation des Re-Release in Buchform anschauen. Neben den vier Tonträgern gibt es eingebettet 80 Seiten mit ausführlichen Credits, Hintergründen zur Vorgeschichte und Entstehung des Albums und was danach so kam. Es gibt die damaligen Tourdaten und auch ehemalige Wegbegleiter der Band kommen zu Wort, Bandkopf Anderson hat ebenfalls einiges zu erzählen. Auf dem zum Album passenden Coverbild Twelfth Night Revels in the Great Hall von Joseph Nash gibt es viel zu entdecken, einzig das inhaltreichere Backcover der LP wird hier von der ausführlichen Tracklist vernichtet. Alles wird aufgepeppt von tollen Bildern, wie schon bei den vorhergegangenen Re-Releases toppt die Aufmachung der Serie der JETHRO TULL-Neuauflagen weiterhin alles, was einen aktuell so mit der Re-Release-Welle überrollt.

Für mich das Highlight von JETHRO TULL. Minstrel In The Gallery gehört in jede Rocksammlung, und das in dieser wertigen The 40th Anniversary La Grandé Edition. In Zeiten, wo bei vielen Releases alterer und neueren Megabands die Spielzeit wieder auf Kassettenniveau zurückgeht, gern verpackt in lieblosen Papp-Digipacks, fühlt man sich hier geradezu beschenkt und als Fan gewürdigt und legt dafür gern ein paar Euro drauf. 

Veröffentlichungstermin: 01.05.2015

Spielzeit: 76:33 / 77:26 Min.

Line-Up:
Ian Anderson – Vocals, Flute, Acoustic Guitar
Martin Barre – Guitar
John Evans – Organ, Piano, Synthesizer, Accordion
Jeffry Hammond-Hammond  – Bass, String Bass
Barriemore Barlow – Drums, Glockenspiel, Marimba, Percussion
David Palmer – Strings

Produziert von Ian Anderson
Label: Chrysalis Records / Warner Music

Homepage: http://www.jethrotull.com

Mehr im Netz: http://facebook.com/officialjethrotull

Tracklist:
CD 1 – Steven Wilson Stereo Remix:
1. Minstrel In The Gallery
2. Cold Wind To Valhalla
3. Black Satin Dancer
4. Requiem
5. One White Duck / 010 = Nothing At All
6. Baker St. Muse
7. Baker St. Muse – Pig-Me And The Whore
8. Baker St. Muse – Nice Little Tune
9. Baker St. Muse – Crash-Barrier Waltzer
10. Baker St. Muse – Mother England Reverie
11. Grace
12. Summerday Sands
13. Requiem (Version 1) *
14. One White Duck (Take 5) *
15. Grace (Take 2) *
16. Minstrel In The Gallery (BBC version)*
17. Cold Wind To Valhalla (BBC version)*
18. Aqualung (BBC version)*

CD 2 – Live at The Palais Des Sports, Paris, July 5, 1975 (Jakko Jakszyk Stereo Mix)
1. Introduction (The Beach Part 11)
2. Wind Up
3. Critique Oblique
4. Wond´ring Aloud
5. My God
– 5. a. Flute Solo Including: God Rest Ye Merry Gentlemen/Bouree/Quartet
– 5. b. Living In The Past
– 5. c. My God (Reprise)
6. Cross-Eyed Mary
7. Minstrel In The Gallery
8. Skating Away On The Thin Ice Of The New Day
9. Bungle In The Jungle
10. Aqualung
11. Guitar Improvisation
12. Back-Door Angels
13. Locomotive Breath (with improvisation and including Hard Headed English General and Back-Door Angels) (Reprise)
* Bisher unveröffentlicht

Die DVDs enthalten DTS & DD 5.1 Surround-Mixe sowie einen 96/24 PCM Stereo- und Quadrophonie-Mix sowie den 8-minütigen Film, den die Band am 6. Juli 1975 in Paris drehte.

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