Eine Band, die von Informatikstudenten gegründet wurde? Schon das Cover und die Songtitel machen deutlich, dass man seine Vorliebe für Computer auch in der Band umsetzt. Besonders originell ist die Nummerierung der einzelnen Songs auf dem Backcover, bei der man das Binärsystem verwendet, womit die zwölf Tracks von 0000 bis 1011 durchnummeriert sind. Die dadurch erweckten hohen Erwartungen an die musikalische Originalität und Innovationskraft des italienischen Sextetts werden jedoch leider enttäuscht. Im Grunde handelt es sich um typischen italienischen Prog Metal, der – wie bei sämtlichen Kollegen – spieltechnisch sehr überzeugend und höchst anspruchsvoll ist, aber musikalisch ziemlich identitätslos und seelenlos wirkt. Ob eine gewisse Kälte aufgrund der Computer-Thematik vielleicht sogar beabsichtigt gewesen ist, ist eine andere Frage.
Die Musik von ICYCORE ist nicht progressiv im eigentlichen Sinne. Die Struktur der Songs ist recht komplex, so dass diese sich erst nach mehrmaligem Hören erschließen. Dabei wechselt sich hartes Prog-Riffing mit melodischen Gitarrenleads ab, die Keyboards legen in den getrageneren und melodischen Passagen meist einen seichten Streicher-Teppich darüber, während sie in den harten und schnellen Passagen, die teilweise mit ihrem Doublebass-Geboller, Gitarrengeratter und dem melodischen Gesang gar an typischen italienischen Melodic Speed Metal erinnern, meist virtuos vor sich hin klimpern. Auch ruhige Passagen mit cleanen, atmosphärischen Gitarren oder Pianobegleitung werden hin und wieder gekonnt eingeflochten. Positiv fallen die Keyboardsounds auf, denn hier herrscht echte Vielfalt, insbesondere die futuristisch anmutenden Sounds wissen zu gefallen, und auch Sänger Valerio Voliani mit seinem hohen, manchmal wie eine Mischung aus James LaBrie und Geoff Tate klingenden Gesang kann überzeugen.
Leider sind herrscht jedoch eine Gleichförmigkeit zwischen den einzelnen Songs, die fast alle nach ähnlichem Rezept aufgebaut sind, sich im gleichen Tempo bewegen und und sich durch das Fehlen echter Hooklines auszeichnen. Auch nach mehrmaligem Hören bleibt so gut wie nichts hängen von dem, was die Italiener einem um die Ohren hauen. Ausnahmen, die aus der Gleichförmigkeit herausstechen, sind das balladeske, von Pianoklängen getragene The Hollow Men, das mit seinen süßlichen Gesangslinien aber etwas aufgesetzt und kitschig wirkt, sowie Watchdog & Virus, welches härter und moderner als das restliche Material ist, in der Strophe mit aggressivem Shout-Gesang überraschen kann und teilweise fast thrashig rüberkommt. Chrome mit Terence Holler von ELDRITCH als zweitem Leadsänger kann hingegen nicht positiv herausstechen, während A New Gestalt mit seinem Savatage light-Ende überzeugen kann. Dass die Jungs durchaus in der Lage sind, richtig großartige Songs zu schreiben, zeigen sie mit dem abschließenden, über zehnminütigen Eternal Unlife, welcher mit grandiosen Gesangslinien und einer sehr ausdrucksstarken Interpretation durch Valerio Voliani sowie mit perfekt aufeinander abgestimmtem Drumming und Gitarrren-Riffing zu begeistern weiß. So muss progressiver Power Metal gespielt werden!
Alles in allem fehlt es dem amtlich produzierten Album – der druckvolle und gleichzeitig transparente Sound kann sich echt hören lassen – jedoch an einer eigenen Identität und herausragenden Songideen und Melodien, das Ganze wirkt zu austauschbar und beliebig. Schade, denn das Konzept hätte eine bessere Umsetzung verdient gehabt, und genug positive Ansätze sind ja durchaus vorhanden.
Veröffentlichungstermin: 10.05.2004
Spielzeit: 67:58 Min.
Line-Up:
Lisa Oliviero – Bass
Tiziano Romano – Gitarre
Andrea Baroni – Keyboards & Piano
Valerio Voliani – Gesang
Davide Alberti – Gitarre
Alessandro Bracoloni – Schlagzeug
Produziert von Luigi Stefanini
Label: Limb Music Products
Hompage: http://www.icycore.com/
Tracklist:
1. Wetwired
2. Upload
3. The Net
4. Visions Of Numeric Life
5. The Hollow Men
6. Watchdog & Virus
7. Chrome
8. Redefine Stru
9. A New Gestalt
10. Watch Me Now
11. Inner Void
12. Eternal Unlife