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GODTHRYMM: Distortions

UK-Doom, wie er leibt und lebt: „Distortions“ zeigt GODTHRYMM zwischen dem klassischen Peaceville III-Sound und Epic Doom, hat aber trotz der beteiligten Akteure mit der ein oder anderen Schwachstelle zu kämpfen.

GODTHRYMM bedeutet so viel wie „göttliche Gewalt“, und würden sich nicht einige große Namen der UK-Doom Szene dahinter verbergen, könnte man glatt vom Dunning-Kruger-Effekt sprechen. Da aber Hamish Glencross, der den Sound von MY DYING BRIDE ab den frühen 2000ern bis zum Album „A Map Of All Our Failures“ maßgeblich prägte, hinter GODTHRYMM steckt, ist ein gewisses Selbstbewusstsein durchaus berechtigt. Es hat sich ja auch bewährt: Mit ihrem Debütalbum „Reflections“, sowie zwei EPs zeigte die britische Band, dass Potenzial in ihnen schlummert – jetzt müssen GODTHYMM noch lernen, dieses zur Gänze auszuspielen.

Wie schon in der Vergangenheit spielen GODTHRYMM keinen puren Doom-Death, „Distortions“ weigert sich außerdem, das große Gefühlskino aufzufahren. Basierend auf Riffs, die klar Glencrosses Handschrift tragen, entstehet weder richtiges Pathos im Sinne von MY DYING BRIDE, noch Hits, die PARADISE LOST groß werden ließen; der Januskopf auf dem Artwork ist schon ein Hinweis auf das, was dieses Album ausmacht. Es gibt aber beeindruckende Momente auf „Distortions“: Der Opener „As Titans“ besticht mit großen Riffs und Harmonien, lässt sich Zeit, spielt mit Dynamik – und hat vor allem gegen Ende das Zeug zur Hymne. „Echoes“ und „Follow Me“ fahren ähnliche Geschütze auf und zeigen, dass GODTHRYMMs Schokoladenseite klar die epische Seite ist.

„Distortions“ punktet vor allem mit seinen Epen, doch auch die kompakten Stücke zeigen GODTHRYMMs Potenzial

Generell erinnert uns Hamish Glencross immer wieder aufs Neue daran, was für ein gutes Händchen er für die Gitarre hat: Die Riffs, die Leads, das Feeling, der Sound. Von seiner jahrelangen songschreiberischen Erfahrung profitieren die sieben Songs von „Distortions“. GODTHRYMM können also auch sehr eingängig sein, was „Devils“ und „Unseen Unheard“ beweisen, die starke Hauptriffs haben, aus denen sie sich schön entfalten können. Doch nicht immer sind die Kompositionen packend: „Obsess And Regress“ eiert relativ unspektakulär dahin, das abschließende „Pictures Remain“ ist kaum mehr als ein sechsminütiges Outro.

Schade auch, dass Hamish Glencross als Sänger nicht so gut wie ist, wie an der Gitarre. Mit seiner Stimme, die irgendwo zwischen Nick Holmes zu „Icon“ und James Hetfield liegt, klingt er stets reichlich bemüht. Seine Emotionen sprechen durch die Gitarren, nicht durch seinen Gesang. Das lakonische Charisma eines Nick Holmes oder das Pathos und die Varianz von Aaron Stainthorpe hat Hamish Glencross nicht drauf, und es gibt Stellen, da wünscht man sich beherzte Growls. Seine keyboardende Frau Catherine Glencross sorgt stimmlich immerhin für Kontrast, aber auch sie liefert keine Gänsehautperformance.

Bei GODTHRYMM sind die Gitarren stets im Vordergrund: „Distortions“ hätte besseren Gesang und mehr Band-Feeling verdient

Ehrlich gesagt ist es auch schwer, sich gegen die facettenreiche und leidenschaftliche Gitarrenarbeit durchzusetzen. Bassist Bob Crolla bietet ein solides Fundament, bleibt aber ansonsten recht blass, Drummer Shaun Taylor-Steels (ex-MY DYING BRIDE, ex-ANATHEMA, ex-SOLSTICE) traut sich ebenfalls nicht so recht, aus soliden, aber spannungsfreien Grooves auszuscheren. Vielleicht brauchen GODTHRYMM aber auch mehr Live-Erfahrung, um ein stärkeres Band-Feeling aufkommen zu lassen, damit sich Bandmitglieder erlauben, zwischendurch zu glänzen und im Rampenlicht zu stehen.

Okay, okay. GODTHRYMM könnten es der Doom-Szene leicht machen und klassisches Material im Stil der Peaceville III liefern. „Distortions“ geht einen Weg, der etwas abseits davon liegt – das darf schon honoriert werden. Die sieben Songs auf dem einstündigen Zweitwerk sind manchmal unentschlossen – das sorgt für Spannung, auch wenn die Stücke in sich recht stimmig arrangiert sind. Einige Längen haben sich dennoch in das einstündige Album geschlichen. Und da „Distortions“ wie schon sein Vorgänger nicht durchgehend ergreifend geraten ist, sollten alle außer der beinharten UK-Doom-Gemeinde zunächst reinhören. Und ganz ehrlich, wer nostalgische Gefühle im Doom erleben will, sollte eher zu IN GRIEF greifen. Kurz gesagt: GODTHRYMMs Zweitwerk ist ein anständiges und abwechslungsreiches Doom-Album, göttliche Gewalt steckt aber in anderen Platten.

Wertung: 4,5 von 7 Janusköpfen

VÖ. 18. August 2023

Spielzeit: 60:05

Line-Up:
Hamish Glencross – Guitar, Vocals
Catherine Glencross – KEyboards, Vocals
„Sasquatch“ Bob Crolla – Bass
Shaun „Winter“ Taylor-Steels – Drums

Label: Profound Lore Records

GODTHRYMM „Distortions“ Tracklist

1. As Titans
2. Devils (Official Video bei Youtube)
3. Echoes (Official Audio bei Youtube) 
4. Obsess And Regress
5. Unseen, Unheard
6. Follow Me
7. Pictures Remain

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