DIE APOKALYPTISCHEN REITER: Have A Nice Trip

Das neue Album der sympathischen Verrückten aus Apolda/Weimar ist ein Schlag in die Fresse der Idiotie und Falschheit, ein ekstatischer Ausbruch ungestümer Energie und nicht zuletzt ein gewaltiges Statement zum Thema Heavy Metal. Das Album des Jahres?

Vor zwei Jahren hätte ich dieses Review mit einem markerschütternden Schrei begonnen. Ein Glück, dass derartiger jugendlicher Übermut einem abgeklärten Wahnsinn gewichen ist, der es mir nun erlaubt, in abgehobener Weise über Dinge zu schwadronieren, die mich vor zwei Jahren noch in markerschütternde Schreie hätten ausbrechen lassen. Dazu gehört „Have A Nice Trip“, wie sollte es auch sein, so sehr wie nichts anderes; das neue Album der sympathischen Verrückten aus Apolda/Weimar ist ein Schlag in die Fresse der Idiotie und Falschheit, ein ekstatischer Ausbruch ungestümer Energie und nicht zuletzt ein gewaltiges Statement zum Thema Heavy Metal, darin bestehend, dass jene Musik eben immer noch am besten geeignet ist, Emotionen zu kanalisieren, auszudrücken und kräftig durchzuschütteln.

In der Tat sind die vierzehn Lieder dieses Albums Meilensteine, noch dazu aus mindestens vier verschiedenen Genres: es finden sich sowohl hasserfüllte Thrash/Death/Black-Ausbrüche als auch Pop- und Folk-Nummern, und doch ist alles Heavy Metal. Eigentlich ist es, das merke ich nun beim Schreiben dieses Textes besonders stark, unmöglich, DIE APOKALYPTISCHEN REITER zu kategorisieren, und interessanterweise ist dies die einzige Band, von der ich das behaupten kann, was diese Floskel hoffentlich hinreichend rechtfertigt. Vielleicht lässt sich „Have A Nice Trip“ auf einen Nenner bringen, wenn man den Begriff „Emotion“ in den Raum wirft; im Grunde genommen ist das aber völlig wurscht. Ich könnte nun weiter versuchen, ein wenig Verstand in dieses verkopfte Gequatsche zu bringen, indem ich dieses Werk rational analysiere. Dazu habe ich jedoch keine Lust, und das geht auch gar nicht. Wer bei „Vier Reiter stehen bereit“ nicht augenblicklich im Rechteck springt und mit den vier Recken zusammen am Jüngsten Tag das Schwert schwingen möchte, wer nicht bei „Terra Nola“ und „Baila Conmígo“ ergriffen die Tränen in den Augen spürt, wer unter den Klängen von „We Will Never Die“ und „Ride On“ nicht spontan den Wunsch verspürt, die Welt zu umarmen und mit allen seinen Freundinnen und Freunden die eigene Existenz zu zelebrieren, ich glaube, der weiß gar nicht, wie man lebt. Oder mag keinen Heavy Metal, wenngleich ich egozentrisch genug bin, mir diese Möglichkeit nicht vorstellen zu können.

Natürlich gibt es aber nicht nur Licht. „Have A Nice Trip“ brauchte, wie bei einem guten Album eigentlich normal, Eingewöhnungszeit; anfangs mag der Hörer/die Hörerin ein wenig die Extreme vermissen, die die vergangenen drei Alben ausgemacht haben. Man mag für ein paar Sekunden auf die Idee kommen, die Reiter seien verweichlicht. Nach diesen paar Sekunden allerdings schaltet man sein Hirn aus und das Herz an und bemerkt, dass die Extreme mitnichten verschwunden sind – sie sind, im Gegenteil, weiter ausgelotet worden. Wer hätte schon jemals spanische Folklore oder gar Hip Hop-Referenzen erwartet? Wer hätte gedacht, dass man die hymnischen, herzergreifenden Melodien früherer Alben noch einmal hätte steigern können? Und wer hätte geglaubt, dass sich auf diesem Werk ein Rock´n´Roll-Feuer versteckt, das, ist es erst einmal entdeckt, die Energie früherer Werke noch sprengt, indem es kompakter, strukturierter und dennoch ungestüm und durchgeknallt daherkommt?

Ja, DIE APOKALYPTISCHEN REITER sind reifer geworden. Sie stehen in dieser Phase ihrer Entwicklung aber immer noch und ganz besonders für Rebellion, Spaß, Lebenslust, Kraft und ungemein ehrliche Musik. Und als sei die Wirkung der Musik nicht aufputschend genug, zeigen auch die Texte an, wohin die Reise geht: „Benetze deine harte Kruste nur einmal mit der Freiheit Seelenwein / Schon bettet dich der Sterne Funkeln in sanfte Weiten ein“ (aus „Komm“). Oder eben, wie es in “Ride On” heißt: „We learned to lose, we learned to win / We fuck things you labelled sin / We say hello and we say goodbye / We like to see you asking why“.

Und wenn du jetzt schmunzelst, lieber Leser, liebe Leserin, dann hast du verstanden. Wenn nicht, lass dir mit „Du kleiner Wicht“ gesagt sein:

„Hey, little girl, I wish you thousand wonders

Hey, little boy, all sorrow will be gone”

VÖ: 17.03.2003

Spielzeit: 55:58 (mit Bonustrack) Min.

Line-Up:
Fuchs – vocals, guitars

Volk-Man – bass, screams

Dr. Pest – keyboards

Sir G. – drums

Produziert von Andy Classen
Label: Nuclear Blast

Homepage: http://www.reitermania.de

Email: info@reitermania.de

Tracklist:
1. Vier Reiter stehen bereit

2. Warum?

3. Sehnsucht

4. Terra nola

5. We Will Never Die

6. Baila Conmígo

7. Ride On

8. Du kleiner Wicht

9. Komm

10. Das Paradies

11. Fatima

12. Wo die Geister ganz still sterben

13. Seid willkommen

14. Master Of The Wind (Bonustrack für die limitierte Digipak-Edition)

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