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BHLEG: Ödhin

Zu dieser Zeit, in der das Spazierengehen in naher trister Landschaft notgedrungen zum Erlebnis wird, auch für jene, die normalerweise erst dann etwas erleben, wenn es eine Flugreise erfordert, zu dieser Zeit also ist Hochsaison für Introspektion und Emotion – und damit auch für Black Metal. Woanders habe ich neulich gelesen, im Black Metal sei das Gefühl nicht gerade zuhause, aber natürlich könnte nichts falscher sein, denn wo, wenn nicht beim wehmütigen Stapfen durch Matsch und grauen Himmel findet der Mensch zu sich? Und wo, wenn nicht da, gelangt der Kopfhörer zu seiner einzig wahren Bestimmung? Wenn’s dazu noch Winter ist, bleiben nicht nur Herz und Seele warm, sondern auch die Ohren. Und Winter ist’s ganz bestimmt auf “Ödhin”, dem neuen Werk des schwedischen Duos BHLEG, das nach dem sonnigen “Solarmegin” und dem herbstlich-dämmernden “Äril” nun eben Väterchen Frost einen Besuch abstattet, und das nicht zu knapp.

Ab ins kalte Unterholz

Hölzern-urwüchsigen Black Metal bieten alle drei Werke, aber “Ödhin” ist wirklich eine ganze Spur kälter und bitterer als die Vorgänger – und diesmal sinnvoll auf Albumlänge in Form gebracht; den Herbst nämlich hatten die beiden zu kurz gehalten, den Sommer zu lang. Dass “Ödhin” am besten funktioniert von allen drei Werken, liegt aber nicht nur an der Länge: Musikalisch gestaltet es sich angemessen abwechslungsreich: Zwischen Raserei und Geschepper passt immer noch ein akustisches oder elektronisches Zwischenspiel, auch wenn die hier vorhandene Mischung aus Hahnenkrähen und Schneeflockensynthies mir ein wenig zu simpel daherkommt und ich mir relativ schnell wieder die E-Gitarren zurück wünsche.

Auf “Ödhinn” findet der Winter zu seiner ganzen rauen Schönheit

Diese klingen, wie schon auf den Vorgängern, einen Tacken zu räudig, was aber diesmal nicht zum Anlass genommen wird, Gekrächze und Gesang zu aggressiv in den Vordergrund zu mixen: Auch hier erweist sich “Ödhin” als stimmigstes Werk von BHLEG. Jetzt müssen eigentlich nur noch die Songs richtig gut sein! Und sie sind es durchaus, wenngleich keiner an die unvergleichlich schöne Herbst-Hymne “Vittra och dö” heran reicht, die mich einst für BHLEG begeistert hat und die einfach niemals langweilig wird. Bei “Ödhin” liegt die Schönheit etwas verborgen, aber sie ist da, wie es sich für winterlichen Black Metal gehört, in den stechend wehmütigen Gitarren- und – ja! – Drehleier-Leads und dem folkloristischen Klargesang – man höre nur das epische Ende von “Alyr III” oder den Mittelteil von “Slukad Sol”, bei dem durch das hohe Klagen wohlige Erinnerungen an “Dauden” von BORKNAGAR aufkommen.

Wenn mich etwas stört an “Ödhin”, dann der unmotivierte Synthesizer-Einsatz. Es poltert zwar nicht gleich ein merkwürdiges “Industrial”-Stück in die knorrige Atmosphäre (wie bei den Kollegen von VARDE), aber die spärlichen Synthie-Effekte in den Zwischenspielen hätte es hier auch nicht gebraucht. Davon abgesehen ist “Ödhin” aber ein hervorragend uriges Album für altmodische Winterwanderer geworden, das in dieser Hinsicht dieses Jahr wohl nur durch die neue FORNHEM übertroffen werden wird.

Veröffentlichung am 15.1.2021 auf Nordvis
https://bhleg.bandcamp.com/

Spielzeit: 46:55 Min.

BHLEG “Ödhin” Tracklist

1. Vyss (Audio bei YouTube)
2. Alyr III
3. Gyllene gal
4. Slukad sol
5. Ödet
6. Drömmen om vårdträdet

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