blank

BATTLE OF MICE: A Day of Nights

Ein großartiges, instinktgetriebenes Werk zwischen Selbstzerstörung und Schmerz, Mut, Stolz und Erhabenheit. Schwerste Kost.

Wenn zwei Welten aufeinander prallen, die besser voneinander unabhängig geblieben wären, dann kann man sich viele Szenarien vorstellen, die passieren. Das kann mit Abstrichen richtig gut gehen, das kann in einer unvorstellbaren Katastrophe enden. Im Falle von BATTLE OF MICE endete ein derartiges Aufeinanderprallen tatsächlich in einer Schlacht. Eine Schlacht, die man sich anhören kann, die man – sofern man etwas Phantasie besitzt – am eigenen Leib erfahren kann, komprimiert auf 45 herbe Minuten.

Den Dolch haben sich Julie Christmas, Stimme von MADE OUT OF BABIES und Josh Graham, Gitarrist von RED SPAROWES und Visualkünstler von NEUROSIS gegenseitig ins Herz gerammt – auf einer Beziehungskiste basiert diese Band. Zwei Musiker, die sich liebten, die miteinander eine Band planten und gerade daran zugrunde gingen? Das ist unklar. Klar ist nur, dass Julie und Josh sich trennten, während A Day of Nights unter der Obhut von Joel Hamilton aufgenommen wurde. Was ein Album hätte werden können, das zwei Egos bei dem Versuch zeigt, Musik zu machen, wurde zu einem Seelenstriptease, der teilweise unerträglich intensiv ist, teilweise schön, elegisch und tragisch wirkt. Das beginnende, epische The Lamb and the Labrador zeigt BATTLE OF MICE von einer sanfteren Seite, ist hypnotisierend, stimmig, schön, aber doch eigenwillig und schwer zu durchdringen.

Letztgenanntes Attribut zieht sich durch das Album hindurch. Da macht es keinen Unterschied, in welche Richtung die Stücke tendieren. Die Sperrigkeit steigert sich höchstens manchmal noch ins Unermessliche. So ist Bones in the Water, das leise und dezent mit dem zärtlichen Sprechgesang der Julie Christmas beginnt das härteste Stück der Platte. Denn es explodiert, es kriecht, es windet sich, es quält sich vor Schmerzen. Musikalisch erinnert es sehr an NEUROSIS, wie Julie darauf schreit, so sehr, dass sich ihre Stimme überschlägt, das lässt den Hörer blass werden. Diesen Brocken verdaut man nicht so einfach. An der Zärtlichkeit von Sleep and Dream findet sich der Beweis, dass dieses Album aus Liebe geboren wurde, auch wenn sich ein paar Ausbrüche darin wieder finden. An Wrapped in Plain hört man, wie sich jeder der Hauptprotagonisten in seine eigene Höhle verkriecht, als wollten sie dort verenden. Und gerade bei diesem Song hat Julie den größten vorstellbaren Auftritt: Das Hauchen während der Strophen ist kein Schauspiel mehr, das dezente Aufbäumen in den Refrains ist purer Stolz, dass man sich trotz eines gebrochenen Herzens unter Kontrolle hat.

Nach mehrmaligem Hören hat man so manche Stücke noch immer nicht vereinnahmt, Salt Bridge und Cave of Spleen haben einen sehr spontanen Charakter und bleiben trotz oder gerade wegen ihres Minimalismus und ihrer schleppenden Geschwindigkeit absolut schwer beim Hörer hängen. Der Qualität tut das jedoch keinen Abbruch. At the Base of the Giant´s Throat jedoch ist der Song, den man am wenigsten vergessen wird. Doomig und böse kriecht dieses Monstrum dahin, mit tonnenschwerem Drumming unterlegt und kellertief gestimmten Gitarren geschmückt, sowie einer Furie am Mikrofon, die durch die Verzerrung ihrer Stimme noch viel furchteinflößender wirkt als sonst schon. Nach einem leisen Teil und einem lauten, tiefen Ausbruch endet der Song mit Keyboard-Flächen, über die ein Notruf gelegt wurde, bei dem eine Frau, die scheinbar gerade abgestochen wird, anruft. Das ist mehr als nur schockierend. Das wirkt so echt und unterlegt die psychotische Stimmung des Albums bestens.

A Day of Nights ist furchtbar schwer zu kategorisieren. Von der Wut der MADE OUT OF BABIES und der Progressivität von RED SPAROWES weit entfernt schaufeln sich BATTLE OF MICE ihre eigene Nische, die voller Selbstzerstörung und Schmerz auf der einen und voller Mut, Stolz und Erhabenheit auf der anderen Seite ist, was instinktiv ausbalanciert wurde. Die raue, etwas dünne Produktion ist alles andere als perfekt, aber da Joel Hamilton der Musik das Bild verliehen hat, die es braucht, muss man sagen, dass dieses unglaublich mitreißende Album so klingt, wie es klingen muss. Auch oder eben weil es nicht perfekt produziert ist.

Julie Christmas und Josh Graham gehen hier definitiv als Paar zu Werke, die anderen Musiker sind für den Hörer hauptsächlich als Gäste zu sehen, seinen Charakter erhält A Day of Nights wegen den ehemaligen Liebenden. Und die liefern dieser Extremsituation wegen eine wahnsinnig gute Performance ab. Man muss sich in diese Situation nur mal hineinversetzen, aufzunehmen mit jemandem, mit dem man nicht mehr in einem Raum sein kann. Das bedeutet nichts anderes, als dass die Beteiligten dieses Album fertig stellen mussten und nicht nur wollten. Da war mehr als nur Ehrgeiz dahinter. Wie würde das Debüt von BATTLE OF MICE ohne dieser Beziehungskiste klingen? Sicherlich nicht so intensiv. Aber das, was hoffentlich noch kommen mag, wird diesem Album ebenbürtig sein. Bis dahin lasst euch mitreißen, 45 Minuten lang. Dies hier ist harter Stoff, für den ihr extrem viel Geduld braucht. Nichtsdestotrotz, den fantastischen Alben der Hauptbands der hier agierenden Hauptpersonen steht A Day of Nights in nichts nach. All das in eine wunderschöne Verpackung eingebettet macht dieses Album zu einem Ganzen, das man haben muss.

Veröffentlichungstermin: 10. November 2006

Spielzeit: 45:51 Min.

Line-Up:
Julie Christmas – Vocals
Josh Graham – Guitars, Keyboards, Bass
Tony Maimone – Bass
Joel Hamilton – Drums, Guitars, Bass

Produziert von Joel Hamilton
Label: Neurot Recordings

Homepage: http://www.battleofmice.com

Email: bom@battleofmice.com

Tracklist:
1. The Lamb and the Labrador
2. Bones in the Water
3. Sleep and Dream
4. Salt Bridge
5. Wrapped in Plain
6. At the Base of the Giant´s Throat
7. Cave of Spleen

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner