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ALL MY SHADOWS: Eerie Monsters

ALL MY SHADOWS liefern mit „Eerie Monsters“ ein hochklassiges Debüt zwischen melodischem Hard Rock und Metal ab. Das ist insofern wenig überraschend, weil mit den Bandköpfen von VANDEN PLAS erfahrene Musiker hinter dem Projekt stehen. Starker und einfühlsamer Gesang, einprägsame Melodien und melodische Leads bieten das Grundgerüst, um Genre-Fans in Glücksgefühle zu versetzen.

Ich gebe es ja zu: erscheint auf dem Label Frontiers Records ein Projekt bereits bekannter Musiker, bin ich zunächst skeptisch. In den letzten Jahren haben die Italiener den Markt mit solchen Projekten regelrecht geflutet, nicht selten verbarg sich dahinter arg Uninspiriertes und Hardrock-Hausmannskost. Aber man muss Frontiers zugute halten, dass sie immer wieder auch Perlen ausgraben, die jeden Cent wert sind. Seien es die Soloalben von PRETTY-MAIDS-Frontröhre RONNIE ATKINS, die Newcomer BLOODY HEELS oder Gitarren-Virtuosin ORIANTHI: alles sehr feines Material, das aus der Masse herausragt.

Auch vorliegendes Debüt ist ein Schmuckkästchen in Sachen zeitgenössischem Hard Rock, das bei Genre-Fans Freudentränen auslösen dürfte. Das verwundert insofern nicht, weil hier erfahrene Musiker am Werk sind: ALL MY SHADOWS ist eine Band, in der sich fast die komplette Mannschaft der deutschen Vorzeige-Proger VANDEN PLAS tummelt. Andy Kuntz ist für den Gesang zuständig, Stephan Lill für die Gitarre, auch Schlagzeuger Andreas Lill ist mit an Bord. Und Keyboarder Markus Teske gehört zwar nicht zur Band, war aber für den Mix einiger VANDEN PLAS-Platten mitverantwortlich. Fehlt noch Bassist Franky R., der schon MICHAEL SCHENKER begleitet hat. Durch Schnellschüsse sind die Pfälzer bisher nicht aufgefallen. Auch „Eerie Monsters“ ist ein ausgereiftes und sorgfältig komponiertes Album. Hier wurde jede Note mehrfach abgeklopft und gütesiegelgeprüft, sind die Details liebevoll arrangiert und stimmig.

ALL MY SHADOWS: Melodischer Hardrock, aber…

ALL MY SHADOWS haben die beteiligten Musiker „aus Liebe zu kraftvollem, melodischem Hardrock“ gegründet, so ist auf der Webseite der Band zu lesen. Stephan Lill, auf dessen Engagement die Band zurückgeht, nennt Acts wie WHITESNAKE, OZZY OSBOURNE und DOKKEN als Einfluss. Eins vorweg: Das könnte eine falsche Erwartungshaltung wecken.

Zwar ruft ein kraftvolles Riff wie im Song „Wolverinized“ tatsächlich Erinnerungen an WHITESNAKE wach, zumal es begleitet wird von einer hymnischen Hammond-Orgel. Aber seit jeher ist dem VANDEN-PLAS-Sound eine gewisse Sensibilität zu eigen, die sich auch auf diesem Album findet. Das liegt nicht zuletzt am Gesang von Andy Kuntz. Seine markante Stimme hat ein sanftes Timbre, das er gern als Gestaltungsmittel einsetzt. Auch in hohen Stimmlagen singt er klar und kontrolliert. Man kann sich schwer vorstellen, dass Kuntz bei Konzerten den Mikroständer ähnlich penetriert wie David Coverdale in jungen Jahren – und dass er seinen -hüstel- Prügel daran reibt, spitze Schreie und „Ooohs“ ausstoßend. Breitbeiniges Mackertum war den Pfälzern stets fremd.

Das ist aber keineswegs eine Schwäche des vorliegenden Albums, im Gegenteil. Kraftvolle Riffs paaren sich mit dem gewohnt hochklassigen und klaren Gesang von Kuntz, der hier tolle Harmonien und hooklastige Refrains zaubert. Auch das Gitarrenspiel erschöpft sich nicht im Hard-Rock-Einheitsbrei, sondern bietet melodieverliebte Leads und manch virtuoses Kabinett-Stückchen. Weil die Songs trotz allem sehr eingängig gehalten sind, bietet sich eher ein anderer Vergleich an. ALL MY SHADOWS rufen Erinnerungen an QUEENSRYCHE zu „Empire“-Zeiten wach. Ähnlich dicht ist die Atmosphäre, und ganz ähnlich wird hier auch auf dem Grad zwischen Eingängigkeit und Virtuosität balanciert. Teils grooven die Gitarren härter als auf dem Meisterwerk der Seattle-Legende, aber dennoch ist es verwunderlich, dass sie nicht als Referenz genannt werden. Ey, das ist als Kompliment gemeint!

Der Sound von VANDEN PLAS findet sich auch bei ALL MY SHADOWS: in abgespeckter Form

Auch eine andere Referenz muss den Pfälzern nicht peinlich sein: Ihre Hauptband VANDEN PLAS selbst. Aus dem Schatten von DREAM THEATER, mit denen die Jungs zu Beginn ihrer Karriere oft verglichen wurden, sind sie längst herausgetreten und haben sich als eigenständige Stimme im Prog Metal etabliert. Das spiegelt sich zum Beispiel in den eingängigen Refrains, die sich mitunter sogar in Richtung Melodic Rock verneigen, aber auch in einem leicht mystischen und theatralischen Touch, in dem sich die Arbeit der Musiker für Theater- und Bühnenprojekte spiegelt. Diese Momente sind auch auf „Eerie Monsters“zu finden, wenn auch in deutlich abgespeckter Form, mehr den Fokus auf Ohrwurm, Hooks und Riffing setzend. Somit sei das Album auch jenen zum Reinhören empfohlen, denen der Sound von VANDEN PLAS zu pompös und verschnörkelt daher kommt.

Bereits der Opener „Silent Waters“ bringt die Stärken der Band auf den Punkt. Stimmungsvolle Orgel-Klänge und eine sanfte Akustikgitarre eröffnen den Song, bis ein kraftvolles Riff übernimmt und in einen so eleganten wie stimmungsvollen Midtempo-Groover mündet. Kuntz croont in der Strophe einschmeichelnd in mittlerer Stimmlage, der Refrain ist einprägsam und bleibt haften. Erzählt wird die Geschichte eines Geisterschiffes: „Und sie fragen das Meer wieder/ Wo die stillen Wasser enden/ Und sie setzen ihre Segel in den Wind“. Das textliche Konzept des Albums ist nicht uninteressant. Thematisiert werden Monster- und Geister-Legenden, vor allem aber auch die Hoffnungen und Ängste, die sich in diesem Erzählstoff aus menschlicher Perspektive widerspiegeln. Das verleiht den Songs einen düsteren Grundton, der durch das Hammond-lastige Keyboardspiel und manch opulenten, mehrstimmigen Chorus verstärkt wird.

Power-Metal-Anklänge und opulente Refrains

„A Boy Without a Name“ zeigt anschließend eine weitere Facette des Albums auf. Es handelt sich um eine flotte, rifflastige Uptempo-Nummer und die besungene Spukgestalt streift sich ein Power-Metal-Gewand über. Das ist leibhaftig nicht der einzige Moment, in dem ALL MY SHADOWS ihrer Selbstbeschreibung „melodischer Hardrock“ musikalisch widersprechen. „Syrens“ ist ein opulentes Stück Bombast Metal, mit von Piano getragener Strophe, schweren Powerriffs und mehrstimmig gesungener Bridge. SAVATAGE wären einem solchen Song gegenüber sicher nicht abgeneigt. Immer wieder lassen die Pfälzer ihre Vorliebe für opulente Arrangements und mehrstimmigen Gesang aufblitzen.

Der klassische Hardrock schimmert am ehesten bei kraftvoll vorgetragenen Groovern wie „The Phantoms of the Dawn“ und dem bereits erwähnten „Wolverinized“ durch, wobei ich vermute, dass auch DOKKEN-Gitarrengott George Lynch sowie Ritchie Blackmore bei manchem Riff und bei manch melodischem Solo Pate gestanden haben könnten. Aber man sollte es der Band nicht durchgehen lassen, hier nur ein Hardrock-Album zu sehen. Dafür sind die Songs zu vielschichtig, sind die Verweise in Richtung Prog, Bombast und Theatralik zu offensichtlich. Das abschließende “All my Eerie Monsters” ist ein weiteres Highlight: eine balladeske Strophe mündet in einen Refrain, den QUEENSRYCHE mit Kusshand nehmen würden. Es ist gar nicht so einfach, das hier Dargebotene stilistisch zu fassen. Ist das ein hart rockendes Melodic-Metal-Album mit symphonischen Einsprengseln? Vielleicht. Theatralic Heavy Rock? Maybe. Schubladen sind ja auch egal.

Fakt ist: ALL MY SHADOWS haben mit “Eerie Monsters” ein starkes Debüt eingespielt: elegant, heavy, detailverliebt und hochmelodisch. Hierzu trägt auch die transparente Produktion von Markus Teske bei, der das Können der einzelnen Musiker gekonnt in Szene setzt. Hardrock- und Melodic-Metal-Fans sollten besser mal ein Ohr riskieren!

VÖ: 17.02.2023

Spielzeit: 48 Minuten 52 Sekunden

Label: Frontiers Records

Line-up:
Stephan Lill – Guitars
Andy Kuntz – Vocals
Markus Teske – Keyboards
Franky R. – Bass
Andreas Lill – Drums

Eerie-Monsters Tracklist

1. Silent Waters (Offizielles Video bei Youtube)
2. A Boy Without A Name
3. Syrens
4. Lifeforms
5. Wolverinized
6. The Phantoms Of The Dawn (Offizielles Video bei Youtube)
7. Farewell
8. Devil’s Ride
9. All My Eerie Monsters

Mehr im Netz:

Offizielle ALL MY SHADOS-Band-Webseite

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