blank

THE HALO EFFECT: Days Of The Lost

THE HALO EFFECT verfassen einen Liebesbrief an die goldenen Tage des Göteborger Melodic Death Metal: Zwar ohne Überraschungen, aber mit viel Routine schütteln die Altmeister so eine Reihe nostalgischer Hitsongs aus dem Ärmel, die trotz risikoarmen Songwritings ins Herz treffen.

Wir alle kennen das Zitat aus Antoine de Saint-Exupérys „Der kleine Prinz“: „Man sieht nur mit dem Herzen gut.“, heißt es dort. „Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Worte, an welchen sicherlich etwas dran ist – dazu genügt es, exemplarisch „Days Of The Lost“ zu betrachten. Sofort fällt auf, was dieses Debütalbum nicht ist: Es ist weder ein zweites „Clayman“ (2000) oder „The Jester Race“ (1995) noch ein neues „The Gallery“ (1995) oder „Damage Done“ (2002). Das wäre wahrscheinlich auch zu viel verlangt, selbst wenn hinter der Supergroup THE HALO EFFECT ausschließlich ehemalige IN FLAMES-Musiker stecken.

Dass „Days Of The Lost” – immerhin aus der Feder des göteborgschen Königshauses, wenn man so will – also gar so wenig Risiko fährt, kann auf den ersten Blick ernüchternd wirken. Denn so ehrlich müssen wir sein: Die zehn Songs auf dieser Platte folgen allesamt ähnlichen wie traditionellen Songstrukturen; verlassen sich auf erprobte Stilmittel und weichen kein einziges Mal von typischen Schemata ab. Das sind allesamt berechtigte Einwände, die der Platte vermutlich auch den künftigen Eintritt in die Melodeath-„Hall of Fame“ verwehren könnten.

“Days Of The Lost” ist ein Liebesbrief an die goldenen Tage des klassischen Göteborger Sounds

Wessen wir uns bei genauerer Betrachtung jedoch absolut sicher sein können: „Days Of The Lost“ ist das Album, das sowohl wir als auch der komplette Melodic Death Metal gebraucht haben – ein Liebesbrief an die Hochzeit des Genres und die goldenen Tage des klassischen Göteborger Sounds. Und wer könnte einen solchen besser verfassen als die Altmeister selbst?

Eben deshalb wollen wir die Augen für einen Moment schließen und richtig hinhören: THE HALO EFFECT zielen in gewisser Weise auch auf unsere nostalgische Ader, die im Laufe der 41 Minuten mehr als einmal in Wallung gerät. Im Prinzip begegnen wir im Sekundentakt irgendwelchen Querverweisen, die an klassische Kompositionen der Göteborger Schule erinnern. Das Wichtigste aber: Diese Ehrerweisungen kommen aus dem Herzen – „Days Of The Lost“ ist eine authentische und oft spontan wirkende Achterbahnfahrt, die uns zwar keine neuen Schauwerte vermitteln kann, uns im Gegenzug jedoch daran erinnert, warum wir diese Phase des Melodic Death Metal um die Jahrtausendwende so in Ehren halten.

THE HALO EFFECT gelingt es, auch ohne Überraschungen den einen oder anderen Hitsong aus dem Ärmel zu schütteln

Die doppelläufigen Leadgitarren nach MAIDEN-Vorbild, die charakteristischen Melodien Jesper Strömblads und Niclas Engelins – was haben wir sie vermisst? Dabei sind THE HALO EFFECT keine bloße Kopie der früheren IN FLAMES, selbst wenn der Titeltrack musikalisch irgendwo zwischen „Colony“ (1999) und „Clayman“ (2000) sitzt. Dazu gesellt sich – nicht zuletzt wegen des stets fabelhaften Mikael Stanne – eine gehörige Portion DARK TRANQUILLITY aus der Ära 2000-2007. Der Opener „Shadowminds“ mit seiner markanten Melodieführung im Midtempo ist hierfür ein ähnlich geeigneter Beleg wie der atmosphärisch dichte Abschluss „The Most Alone“, das aufrüttelnde „Last Of Our Kind“ oder das recht schnörkellose „The Needless End“.

Für Überraschungen werden THE HALO EFFECT mit ihrem Debütalbum somit nicht in die Musikgeschichte eingehen, obwohl es mit dem stampfenden „In Broken Trust“ sowie dem Ohrwurm „A Truth Worth Lying For“ immerhin zwei Stücke mit Stannes warmem Klargesang im Refrain auf die Platte geschafft haben. Doch auch ohne diesen Kniff gelingt es den Schweden den einen oder anderen Hit-Song à la „Feel What I Believe“ aus dem Ärmel zu schütteln.

Kompetentes Songwriting trifft Nostalgie – THE HALO EFFECT legen die richtigen Hebel um

Es spricht wohl für THE HALO EFFECT, dass selbst ohne Mut zur Innovation am Ende ein Album voller hochwertiger Genre-Beiträge steht – obwohl ein Aufbrechen der allzu sicheren Strukturen sicherlich spannend geworden wäre. Wenn „Days of The Lost“ am Ende des Jahres 2022 trotzdem in einschlägigen Top-Listen auftauchen sollte, wären zumindest wir nicht wirklich überrascht. Nicht unbedingt, weil man diese puristische Spielart des Melodic Death Metal sonst kaum noch findet, sondern weil es der breiten Hörerschaft dann nicht anders ergangen ist als uns: So berechtigt manche Kritik sein mag, kann man nicht immer alles mit nüchternem Blick erfassen. Letzten Endes trifft uns die Mischung aus Nostalgie und kompetentem Songwriting irgendwie doch ins Herz – und das ist am Ende des Tages ja auch das Einzige, worauf es wirklich ankommt.

Veröffentlichungstermin: 12.8.2022

Spielzeit: 40:43

Line-Up

Mikael Stanne – Vocals
Niclas Engelin – Gitarre
Jesper Strömblad – Gitarre
Peter Iwers – Bass
Daniel Svensson – Drums

Produziert von Oscar Nilsson

Label: Nuclear Blast

Homepage: https://www.thehaloeffect.band/
Facebook: https://www.facebook.com/thehaloeffectse

THE HALO EFFECT “Days Of The Lost” Tracklist

1. Shadowminds (Stream/Video)
2. Days Of The Lost (Video bei YouTube)
3. The Needless End (Audio bei YouTube)
4. Conditional
5. In Broken Trust (Video bei YouTube)
6. Gateways
7. A Truth Worth Lying For
8. Feel What I Believe (Video/Stream)
9. Last Of Our Kind
10. The Most Alone

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner