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BEN BECKER: Die Bibel – eine gesprochene Symphonie [DVD]

Was auf so viele Arten hätte schief gehen können, funktioniert zu meinem großen Erstaunen beängstigend gut. Beckers rohe, volle Stimme steht klar im Mittelpunkt. Er verzichtet bewusst auf Effekthascherei, predigt nicht, sondern erzählt. Es geht um Mord und Totschlag, Rache und Völkermord. Der positive Gesamteindruck wird leider durch die eingeschobenen Musiktitel getrübt.

Tatort Tempodrom Berlin. Es ist der 12. Oktober 2007. Ben Becker präsentiert Die Bibel – eine gesprochene Symphonie. Unterstützt wird er von seiner ZERO TOLERANCE BAND, dem Deutschen Filmorchester Babelsberg, einem vierköpfigen Gospelchor, sowie einer fast schon unverschämt spartanischen Licht- und Videoshow. Was auf so viele Arten hätte schief gehen können, funktioniert zu meinem großen Erstaunen beängstigend gut.

Was den Untertitel des Werkes angeht, so liegt die Betonung eindeutig auf Sprache, nicht auf Symphonie. Beckers rohe, volle Stimme steht im Mittelpunkt des Geschehens; alles andere ist schmückendes Beiwerk. Er verzichtet dabei bewusst auf Effekthascherei, predigt nicht, sondern erzählt. Die Geschichten, die mancher vielleicht noch aus dem Religionsunterricht kennt, kommen so ohne beschönigende Worte eines Lehrers bzw. Pfarrers daher. Es geht um Mord und Totschlag, Rache und Völkermord. In seinen besten Momenten ist Becker fast so fesselnd das Fantasy-Kino des Herrn der Ringe. Im Gegensatz zu den Materialschlachten der modernen Unterhaltungsindustrie besticht sein Vortrag jedoch durch seine Sparsamkeit.

Das Orchester legt einen unaufdringlichen, aber doch eindringlichen Klangteppich unter seine Erzählung. Komponist und Schlagzeuger Ulrik Spies trifft es auf den Punkt, wenn er in der 22-minütigen Dokumentation meint, es handle sich nicht um kommentierende Musik, sondern um illustrierende Musik. Die Stimmung wird von Moll-Klängen bestimmt, was bestens zu den archaischen Geschichten passt, die Becker ausgesucht hat.

Optisch wird die Lesung durch einzelne minimal animierte Szenen ergänzt, die überwiegend menschenleere Landschaften zeigen. Je nach Bildschirmgröße wirken diese Aufnahmen auf der DVD oder sie wirken nicht. Auch sonst hält sich die Lichtregie zurück und trägt dadurch zur mystischen Gesamtstimmung bei. Für Menschen mit Aufmerksamkeitsdefiziten besteht natürlich akute Einschlafgefahr. Alle anderen bekommen ein Erlebnis geboten, das packender inszeniert ist als die meisten Hörbucher.

Der positive Gesamteindruck wird leider durch die eingeschobenen Musiktitel getrübt. Dreimal verwandelt sich die Bühne in ein Las Vegas-Showbühne, auf der Gospel zelebriert wird. Im Handumdrehen wird aus dem talentierten Geschichtenerzähler ein abstoßender Prediger. Plötzlich wirkt (ist?) Becker wertend. Noch fataler ist aber der damit verbundene Stimmungsumschwung, der besonders bei He`s Alive deutlich wird, das anfangs (Moll) noch bestens ins Gesamtgefüge passt, am Ende jedoch eine penetrante Fröhlichkeit versprüht, die einfach nicht zum Rest der Vorstellung passen will. Keine Frage: Songs wie All You Zombies (THE HOOTERS), The Risen Lord (CHRIS DE BURGH) oder Jesus Cries (EDGE OF SANITY) würden wesentlich besser ins Programm passen.

Natürlich schreit die Textauswahl förmlich danach, kritisiert zu werden. Die Form dieser Kritik hängt allerdings vom Kritiker ab. Als Metal-Fan vermisse ich die 666-Stelle, während sich manch Geistlicher wohl etwas mehr Liebe und Frohsinn gewünscht haben dürfte. Doch die Bibel ist nunmal nicht gerade ein Buch über Liebe und Frohsinn; da wird nicht nach Frieden gestrebt, sondern das Schwert geprießen. Folglich gibt es auch kein Happy End im Auenland und auch kein Always Look On The Bright Side Of Life.

Wie auch das Buch ist diese DVD für Kinder eher ungeeignet, während aufgeschlossene Erwachsene ein zentrales Stück der abendländischen Kultur erleben können.

Veröffentlichungstermin: 09.05.2008

Spielzeit: 114:30 Min.

Line-Up:
Ben Becker: Sprache & Gesang
Jacki Engelken: Gitarre
Stefan Kapitzke: Keyboard
YoYo Röhm: Bass
Ulrik Spies: Schlagzeug
Stephan Creutzburg: Gitarre

Nadine Purrmann, Jasmin Shakeri, Celina Bostie, Grace Risch: Chor

Deutsches Filmorchester Babelsberg
Dirigent: Peter Christian Feigel
Label: SPV

Homepage: http://www.bibel2008.com

Tracklist:
Altes Testament
1. Ouverture
2. Schöpfung
3. Paradies und Sündenfall
4. Kain und Abel
5. In The Ghetto
6. Arche Noah
7. Turmbau zu Babel
8. Moses Berufung und Auszug aus Ägypten
9. Samson und Delila
10. Hiob
11. Jona
12. Maleachi

Neues Testament
1. Urlicht
2. Jesu Geburt & Die Weisen aus dem Morgenland
3. Johannes der Täufer
4. Jesu Versuchung
5. Vater Unser
6. Jesus Hears Every Prayer
7. Die Heilung
8. Wahre Verwandte
9. Einzug in Jerusalem
10. Abendmahl
11. Jesus in Gethsemane
12. Jesu Verurteilung & Verspottung
13. Kreuzigung
14. Offenbarung
15. He`s Alive

Dokumentation

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