SHINING und BLUTMOND, Zürich, Werk 21 (Dynamo), 23.10.2005

Ein kleines, krankes Konzert, welches wieder einmal zeigte, dass Corpsepaint allein noch keinen krassen Black Metal macht.

Sonntagabende sind gemeinhin nicht als typische Konzertabende bekannt. Meistens braucht man sie, um bei einem schrecklich synchronisierten Blockbuster im Fernsehen den Rausch der wilden Freitag- und Samstagnacht nochmals am geistigen Auge vorbeiziehen zu lassen – oder was davon übrig ist. Trotz des ungewöhnlichen Datums fand sich an diesem Abend ein angemessen großes Publikum im Werk21 zusammen. Die Veranstalter hatten vorderhand Zivilcourage gezeigt und gleich beim Eingang ein Rassisten bleiben draussen-Schild angebracht, man konnte sich also dementsprechend wohl fühlen zu diesem Konzertanlass.

Den Beginn machte die junge Schweizer Schwarzmetall-Truppe BLUTMOND, welche erst seit etwa drei Jahren existiert und an diesem Abend ihr drittes Konzert bestritt. In schlichtem Schwarz und mit Corpsepaint enterte das Quintett die Bühne, um das Publikum mit den sechs Eigenkreationen Nachtwache im Stahlwerk, Bluthochzeit, Anomalia/Animalia, Sturmwolken und Exitus zu beglücken. Hierbei lag das Ohrenmerk definitiv nicht auf Abwechslungsreichtum. Reichlich stumpf und monoton holzten sich BLUTMOND durch ihre dumpf abgemischte Soundlandschaft, welche meist im Midtempo-Bereich angesiedelt war. Stage-Acting und Ansagen beschränkten sich auf ein Minimum, man merkte der jungen Formation ihre Unerfahrenheit an. Trotz der einfach gestrickten Kompositionen schlichen sich zudem Unsauberheiten ein und auch an der Präzision müssen die Jungs wohl noch feilen. Das Publikum schien sich an der simplen Räudigkeit dennoch zu erfreuen. Etwas deplaziert wirkte indes das BURZUM-Cover Jesus´ Tod von der Filosofem-Scheibe. Nicht nur ist es politisch bedenklich, an einem solchen Anlass ausgerechnet BURZUM vorzutragen, die Coverversion wirkte trotz etwas mehr Bewegung auf der Bühne mehr als holprig und unbefriedigend. Nichtsdestotrotz wurden BLUTMOND gebührend mit Applaus bedacht.

Nach einer kurzen Verschnaufpause an der frischen Luft war es bereits Zeit für SHINING und für eine Überraschung: Die Band auf der Bühne sah verdächtig un-schwarzmetallisch aus. Kein Corpsepaint, ein gemütlich dreinschauender Gitarrist – ja, SHINING erinnerten eher an eine Stoner Rock-Truppe als an böse Black Metaller. Dies änderte sich schlagartig mit den ersten dissonanten Klängen und dem manischen Blick von Front-Psychopath Kvarforth. Hager, bleich, verzweifelt gab er sich den SHINING-Kreationen hin, welche in einem transparent-authentischen Soundgewand daherkamen. Bald wurde auch klar, was genau die Schweden unter suicidal black metal verstehen – Kvarforth drückte seine brennende Zigarette auf der Brust des Bassisten aus, später hantierte er mit einem Teppichmesser fügte sich an den Unterarmen stark blutende Verletzungen zu (der Gedanke, dass hier etwas geschummelt wurde, kam jedoch erst nach dem Konzert auf). Hierbei wirkte er zu keiner Sekunde zerstreut oder gekünstelt, sondern stets charismatisch und zutiefst seelisch verletzt. Diese Eskapaden widerspiegelten sich perfekt in der Musik, egal ob sie sich akustisch fragil oder zornig groovend den Weg in die Gehörgänge bahnte.

SHINING gaben sich zu jeder Sekunde routiniert, obwohl einige Mitglieder des Line-Ups durchaus auch andere Verpflichtungen haben. So amtete Ludwig Witt (SPIRITUAL BEGGARS) als Drummer, während an der einen Gitarre CRAFT-Mitglied John tüchtig in die Saiten griff. Das Quartett gab sowohl ältere als auch neuere Songs zum besten. Neben den Songs Att med kniv göra sig illa und Ännu Ett Steg Närmare Total Utfrystning vom Livets Ändhallplats-Album, schafften es auch Claws of Perdition, Ioch med insikt skall du förgå, Svart Industriell olycka, Nånting är järligt fel, Eradication of the condition, Mörda dig själv und Submit to Self-Destruction auf die Setliste. Eradication of the condition fiel durch einen stilvollen Drums only-Part auf, während jenem Kvarforth fast schon liebevoll und mit viel Hingabe das Teppichmesser seinem Bassisten vorstellte. Dieser erwiderte die bizarre Zärtlichkeit, was der Qualität der darauf folgenden Basslines jedoch keinen Abbruch tat. SHINING präsentierten ihren Black Metal stets eindrücklich emotional, sei es inmitten eines dreckigen Groove-Parts oder in den zart-kranken Passagen. Zum Abschluss von Submit to Self-Destruction wurde noch ein herzzerreißendes, blues-mäßiges Gitarrensolo geboten, welches beinahe schon zum verwegenen Gedanken führte: Wäre Black Metal in einem Blueskeller im neu aufgebauten New Orleans willkommen?

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