KARMA TO BURN, SALLY – Stuttgart, Röhre, 16. 3. 2000

Fünf (!) Leute waren vor uns da, gähnende Leere in der Stuttgarter Röhre.

Fünf (!) Leute waren vor uns da, gähnende Leere in der Stuttgarter Röhre.

Sally haben offensichtlich noch nicht sehr viel Live-Erfahrung. Witzigerweise agierte gerade der Gitarrist, der schätzungsweise allerhöchstens 18 ist, am souveränsten. Das sah schon halbwegs nach Rockstar aus, wie der Junge seinen Kopf schüttelte und vor sich hin groovte. Sänger Lee Smith hingegen vermied es völlig, auch nur einmal ins Publikum zu blicken, das inzwischen aus immerhin 30 Leutchen bestand. Stattdessen lief er im Kreis herum oder tappelte in Ozzy-Manier von rechts nach links und wieder zurück. Der Schlagzeuger thronte hinter einem Kit, das aus einer Bassdrum, einer Snare, zwei Toms, zwei Becken und einem Hi-Hat bestand. Diese abgespeckte Grundausstattung reichte aber auch völlig aus. Sally sind bestimmt keine begnadeten Instrumentalisten, doch sie beherrschen etwas wesentliches: sie spielen Songs, die grooven ohne sich in endlosen Jam-Sessions zu verheddern.

Trotz oder gerade wegen der Unbeholfenheit der Band war der Auftritt einfach liebenswert. Die Songs vom Debütalbum „Sally“ grooven live – im Gegensatz zu den Musikern – so richtig, und warum soll eine Band nicht einfach nur die Musik sprechen lassen? Obwohl Schlagzeuger Dirty das Spielen auf dem Hi-Hat noch nicht so ganz beherrscht, obwohl die Band keine einzige Ansage macht, obwohl das Stageacting gegen Null tendierte, war es ein richtig netter Auftritt. Sally haben einfach einen ganz besonderen Charme, reduziert auf das absolute Minimum zeigten sie dem Publikum, das gegen Ende immerhin artig mitwippte, dass völlig simple Musik wunderbar zum Mitgrooven geeignet sein kann.

Karma To Burn kannte ich ehrlich gesagt gar nicht – umso gespannter war ich dann, als drei Leutchen, von denen einer wie ein breiter Paul Breitner aussah, die Bühne betraten. Paule nahm hinter dem Schlagzeug Platz und legte los. Und, was soll ich sagen – der Mann ist gut! Doch der Reihe nach: Mit einigem Erstaunen hörte ich mir den ersten Song an – erstaunt war ich, weil es mir einigermaßen ungewöhnlich schien, ein Set mit einem Instrumental zu beginnen. Zu Beginn des zweiten Songs fragte ich mich, wo die Amis denn ihren Sänger versteckt hatten oder ob er womöglich seinen Einsatz verpasst hat. Außer mir schien sich aber keiner zu wundern. Kein Wunder, denn Karma To Burn haben keinen Sänger.

Dass man den auch nicht unbedingt braucht, stellte die Band in der folgenden Stunde unter Beweis. Die Songs, die lediglich durchnummeriert sind (darum gibt es hier keine Tracklist, 6-12-31-14-5-27 sieht eher wie nach Lottozahlen als nach Songs aus), klingen mal punkig, mal stoner-rock-mäßig, mal hardcore-lastig, mal rocken Karma to Burn und dann klingen sie schon fast nach Metal. Kurz, sie sind abwechslungsreich. Ungewöhnlich, aber gut. Das fanden auch die Fans, die plötzlich aus ihrer Erstarrung erwachten und richtig Stimmung machten. Der Band machte die Sache sichtlich Spass, der Sänger schwitze wie Sau, ich habe noch nie ein tropfendes Baseball-Cap gesehen, der Bassist starrte zwar ständig wie ein hypnotisiertes Karnickel ins Publikum, bewies aber eine kräftige Oberschenkelmuskulatur: den gesamten Gig über hielt er seine begonnene und bei der Hälft des Wegs abgebrochene Kniebeuge durch.

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