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TEN: Blade Runner im Melodien-Rausch

TEN, die erste: Gary Hughes über ´Babylon´, alte Kulturen, neue Götter und die Gratwanderung zwischen Konzept-Mühen und Airplaytauglichkeit.

Big in Japan, aber hierzulande nur Geheimtip: dieses Schicksal teilen zahlreiche Melodic Rock-Acts. So auch TEN. Den Briten um Sänger und Songwriter Gary Hughes ist es trotz vierer guter bis ausgezeichneter Studio-Alben noch nicht gelungen, in Europa kommerziellen Fuß zu fassen.

Entsprechend gespannt waren Gary Hughes und Gitarrist Vinnie Burns auf das Urteil der Journalisten, als sie jüngst in Köln ihr neues Werk `Babylon` vorstellten. Doch schon nach dem ersten Hördurchgang war klar: sollte der große Durchbruch weiterhin ausblieben, dann nicht wegen des Songmaterials. Denn `Babylon` klingt nicht nur griffiger und erdiger als sein Vorgänger `Spellbound`, es ist auch randvoll mit packenden Rockern und lauschigen Balladen. Und – in diesem Genre eher erstaunlich: es ist ein Konzeptalbum Die Story:

Die Erde im Jahre 2999. Nach einer nuklearen Auseinandersetzung sind weite Teile des Planeten verwüstet. Die Überlebenden wohnen in riesigen Biosphären und fristen ihr Dasein in Lebensräumen ohne Grünflächen. Ihre Freizeit verbringen sie in den virtuellen Welten ihrer Holo-Suiten (ähnlich denen der Star Trek-Serie). Hersteller der Holo-Programme ist die Firma Cryotech, bei der das junge Computer-Genie Lex arbeitet. Ebenfalls dort angestellt: Die schöne Jen. Sie und der weltscheue Lex werden ein Paar, doch ihre Liebe wird ihnen vom Brüderpaar Rev und Don Devlin, den Söhnen des Cryotech-Leiters, geneidet. Eines Tages erfährt Lex aus den Nachrichten, daß Jen unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen ist und für ihn steht fest: Es waren die Devlins. Er sinnt auf Rache und schreibt für die beiden zwei auf sie zugeschnittene Holosuite-Programme, in denen sie von verführerischen Frauen umgarnt, aber schließlich umgebracht werden. Sein Plan glückt: Mit dem virtuellen Tod tritt auch der physische Tod ein und seine Rache ist perfekt. Da ihm jedoch das Leben ohne seine geliebte Jen nichts mehr zu bieten hat, betritt er seine eigene Holosuite und aktiviert ein weiteres Programm, das er eigens geschrieben hat: Jen heißt ihn willkommen. Das Ende bleibt offen…

Das folgende Telephon-Interview fand rund zwei Wochen nach dem Studio-Besuch in Köln statt. In Köln selbst stellte sich Gitarrist Vinnie Burns meinen Fragen, die sich eher auf die musikalischen Aspekte `Babylons` konzentrierten. Dieses Gespräch werdet Ihr hier in Kürze ebenfalls nachlesen können. Doch zunächst Gary Hughes zur Story und ihren Hintergründen:

Gary, wie kam es zu der im Melodic Rock-Genre eher ungewöhnlichen Entscheidung, ein Konzeptalbum aufzunehmen?

Bands wie wir haben diese Möglichkeit wohl nur einmal. Selbst eine Band wie QEENSRYCHE konnte nur ein einziges Konzeptalbum machen. Hätten sie noch ein weiteres `Mindcrime` aufgenommen, dann wäre es nicht halb so eindrucksvoll wie `Mindcrime` selbst und wohl auch zu viel des Guten gewesen. Wenn wir schon nur ein einziges Konzeptalbum in unserer Karriere machen können, dann ist dieser der Zeitpunkt der richtige. Die Idee kam uns gegen Ende von der `Spellbound`-Produktion. Ich las ein paar Musik-Magazine und es schien, als ob jeder Konzeptalben machte. Allerdings waren es lauter Fantasy-Konzepte mit entsprechenden Artworks, denen Mythen, Legenden und vergangene Epochen zu Grunde liegen. Ich dachte mir: es wäre doch nett, etwas zu machen, das in der Zukunft angesiedelt ist, zumal dann, wenn jeder vom neuen Jahrtausend spricht. Zudem war ich schon immer ein großer Science-Fiction-Fan und liebe die ganzen Sci Fi-Serien und Filme. Ich wollte eine breite Spanne einbringen, von Judge Dredd bis Star Trek, habe alles in einen Topf geworfen und die Story geschrieben. Es war uns bei all dem allerdings sehr wichtig, daß jeder Song für sich alleine stehen kann. Auch unter dem Aspekt der Radio-Tauglichkeit ist es wirklich wichtig, daß jeder Song immer noch Sinn macht, auch ohne die anderen Tracks. Daher haben wir das Ganze nur mit kleinen gesprochenen Zwischensequenzen versehen, die die Teile der Geschichte erzählen, die nicht der Musik und den Texten zu entnehmen sind. Wir hoffen, daß wir im Rahmen einer Live-Show auch das gesamte Konzept spielen können. Wir könnten ja erst `Babylon` komplett spielen und dann in der zweiten Hälfte ganz normal die Songs der anderen Alben bringen.

War es schwer, sich dieses Konzept auszudenken?

GaryNicht wirklich. Das große Problem war nur, wie weit man mit den gesprochenen Passagen gehen könnte. Wir hätten eine Menge Soundeffekte und musikalische Zwischenspiele und Überleitungen einsetzen können. Doch alles, was wir ausprobierten, schien von den Songs abzulenken, besonders bei den eigentlichen Übergängen zur Musik. Daher haben wir all das sehr reduziert und die Sprachsequenzen sehr einfach gehalten. Mal sehen, wie das Album angenommen wird, denn es ist schon etwas Neues für uns. Wir machen keinen Hehl daraus, daß es ein Konzeptalbum ist, aber wir haben eben auch versucht, die Songs so zu gestalten, daß jeder für sich stehen kann. Wir drängen das Konzept den Leuten nicht auf und zwingen sie nicht, sich damit auseinander zu setzen. Mit Ausnahme des ersten Songs kann man sogar alles ohne die gesprochenen Sequenzen hören, denn wir haben das technisch auf besondere Art und Weise umgesetzt. Wenn man die Titel-Folge einzeln im CD-Spieler programmiert, werden die ganzen Sprachsequenzen nicht gespielt. Wir haben die Endkennungen der einzelnen Tracks immer an das Ende der Musik gesetzt. Wenn man die CD von Anfang bis Ende gehört, dann wird alles gespielt, aber wenn die Reihenfolge programmiert wird, kommen nur die Songs selbst. Man hat also die Wahl. Aber ich hoffe schon, daß jeder das komplette Album anhört. Es war aber eine Art Sicherheitsnetz für Leute, die nicht so auf Konzepte stehen.

Das Konzept selbst spielt in der Zukunft…

Ja, es spielt im Jahre 2999. Das Szenario ist fast Blade Runner-artig. Wenn ich es hätte zeichnen können, hätte es so ähnlich ausgesehen wie in dem Film: Alles sehr beengt, ein klaustrophobischer, elektronischer Moloch. Die Geschichte ist im Grunde eine bittersüße Liebesgeschichte: zwei Leute verlieben sich unter ungewöhnlichen Umständen. Wir dachten, die Emotionen, die da drin stecken, machen die Story als Konzept für die breite Masse sehr nachvollziehbar und verständlich. Die Tatsache daß es in der Zukunft angesiedelt ist, ist im Grunde nur ein Zusatz und macht es etwas interessanter. Auch was das Artwork angeht, geht das mehr in die filmische Richtung, es ist fast wie eine Kino-Poster. Alles ist irgendwie wie ein Film. Lustigerweise verhandelt unser Management gerade mit einigen Manga-Firmen (Mangas sind japanische Animationsfilme – der Verf.) mit, um zu schauen, ob Interesse besteht, aus dem Konzept einen animierten Film zu machen. Der Soundtrack ist ja schon da, er muß nur visuell umgesetzt werden. Vielleicht klappt es, vielleicht auch nicht. Es wäre wirklich interessant zu sehen, wie die Charaktere wohl umgesetzt werden würden, wie die Zeichner sie sehen. Ich denke, jeder wird wohl andere Bilder vor sich haben und für mich, der sie geschaffen hat, wird es möglicherweise recht merkwürdig sein, zu sehen, wie andere Leute sie interpretieren.

Das

Was hältst Du denn von der Umsetzung der Charaktere auf dem Cover? Ich zumindest hatte ein anderes Bild vor mir…

Ich muß zugeben: Das hatte ich ursprünglich auch, aber ich habe mich daran gewöhnt. Ich denke, das Problem ist, daß ich diese Blade Runner-Geschichte dem Künstler gegenüber ein bißchen zu sehr betont habe. Denn mit Blade Runner assoziiert man Bilder wie China Town, so wie es Ridley Scott im Film umgesetzt hat. Der Künstler hat sogar das Mädchen mit leicht orientalischen Zügen versehen. Das ist natürlich großartig für unsere Arbeit in Japan, aber ich hatte doch eine ganz andere Heldin vor Augen, eine eher westlich aussehende Frau, vielleicht blond, vielleicht eher amerikanisch. Aber weißt du, bei diesen Dingen bist du etwas in der Hand des Künstlers. Was ich allerdings sehr an dem Cover mag, ist dieses filmische Element. Die Köpfe im Rauch, die beiden Charaktere etwas kleiner im Vordergrund, es ist alles wie eine Montage des ganzen Geschehens. Und außerdem hatte der Künstler auch nicht das komplette Skript der Geschichte, als er mit der Umsetzung begann. Er hatte lediglich ein paar Schlüsselworte und ganz grobe Hinweise. Unter diesen Umständen hat er es sehr gut gemacht. Aber ich muß Dir zustimmen: Am Anfang dachte ich, das sei ganz nett, aber nicht ganz so, wie ich alles vor mir gesehen habe. Aber letztlich habe ich mich daran gewöhnt. Der Idealzustand wäre sicherlich der, eine Menge Zeit zu haben, um alles auszuarbeiten und zu entwickeln, aber der Zeitplan ist sehr eng. Aber ich bin schon mit dem Endprodukt zufrieden, denn alles paßt zusammen und macht Sinn.

Warum eigentlich der Name uralte Name Babylon für dieses futuristisches Konzept?

Ich dachte mir, wenn es nur noch eine Handvoll Städte auf Erde gäbe, dann hätten sie ähnlichen Charakters wie die sieben Weltwunder und sehr groß und farbig klingende Namen. Außerdem weist Babylon auch auf den Tod hin, auf das Dahinscheiden der Charaktere. Zudem gibt es ein Buch namens Hollywood Babylon, das ich vor circa vier Jahren gelesen. Darin ging es um all die tragischen Todesfälle amerikanischer Prominenter zum Beispiel Marylin Monroe und auch River Phoenix, der in diesem Club in LA gestorben ist. Ironischerweise gibt es ja mittlerweile ein paar Firmen, die Rundreisen namens Hollywood Babylon anbieten. Du kriegst eine Limousine und eine Art Reiseführer bringt dich zu allen Stätten berühmter Todesfälle in Hollywood der letzten 50 Jahre. Ich dachte, der Name weist tatsächlich auf eine Art Tragödie hin. Und es ging mir eben auch um einen großen und möglicherweise mythischen Namen, Babylon schien mir da der richtige für eine Stadt zu sein. Und ich mag auch diese Widersprüchlichkeit, einen Ort in der Zukunft mit eine solchen alten Namen zu belegen. Es schien mir eine gute Idee zu sein. Zumindest schien es so, haha. Künstlerische Freiheit eben…

Ich habe gehört, Du interessierst dich generell sehr für alte Kulturen…

Oh ja, in der Tat. Manchmal vielleicht sogar zu sehr, denn ich lasse mich gerne von entsprechenden Büchern und Filmen fesseln, während ich besser arbeiten sollte, haha. Vielleicht, weil wir letztlich ja Ahnen all dieser Kulturen sind. Dinge wie die ägyptische Kultur sind für mich phantastische Konzepte einer längst vergangenen Zeit. Die Technologie, die damals existiert haben muß, ist allerdings verschwunden, das fasziniert mich. Auch, weil vieles so unerklärlich bleibt. So vieles ist nicht durch Fakten belegbar, das mag ich, denn wenn man darüber liest, kann man seine eigene Schlußfolgerungen anstellen. Da letztlich nichts belegt ist und widerlegt werden kann, kann man so ein bißchen Detektiv spielen und über all das spekulieren. Ja, das fasziniert mich alles sehr. Ich war vor ein paar Jahren in Ägypten und habe mir das Tal der Könige, die Pyramiden und all das angeschaut. Das hat mich sehr beeindruckt. Ich habe unendlich viel Photomaterial mitgebracht und hatte das Gefühl, daß ich hinterher sehr viel mehr verstanden hatte als zuvor, als ich all das nur aus Büchern kannte. Das einzige, was ich bereut habe, war, daß ich nicht noch mehr gelesen hatte, bevor ich dorthin gegangen bin. Ich würde auch gerne mal die Inka-Tempel sehen, oder die Geisterstadt in China, wo sie die Teracotta-Armee gefunden haben. Ja, alte Kulturen sind eines meiner größten Interessengebiete.

Im Song `Timeless` finden sich ja ein paar Anklänge an fremde Musikkulturen…

VinnyJa, das klingt sehr nach östlicher Musik. Das haben wir ja auch schon so ähnlich bei `Arcadia` auf `The Robe` gemacht. Ich spiele gerne mit östlichen Stilmitteln. Ich könnte mir orientalische und indische Musik jetzt nicht stundenlang anhören, aber sie fasziniert mich irgendwie. Es werden viele Vierteltöne verwendet, während wir ja bei uns ja nur ganze und halbe Töne kennen. Das ist eine Musikform, mit der wir normalerweise nicht in Berührung kommen. Und es ist eine recht schwierige Angelegenheit. Es ist phänomenal, einenm Sitar-Spieler zuzusehen und die Musik zu hören. So was kann man allenfalls auf einer Langhals-Gitarre oder einer Sky-Gitarre machen. Die Jungs müssen technisch sehr gut sein, ich habe eine großen Respekt vor diesen Leuten und den kulturspezifischen Instrumenten. Wenn es besonders gut zu einem Song paßt, nehme ich so etwas gern in mein Musik auf.

Um bei `Timeless` zu bleiben: da gibt es eine Melodie-Linie, die mich sehr an `Wild World` von Cat Stevens erinnert…

Oh, wirklich? Das muß ich mir noch mal anhören. Um ehrlich zu sein, kenne ich nicht viel von Cat Stevens, ich erinnere mich nur an ein paar Sachen aus meiner Kindheit. Ist er nicht ein Mönch oder so etwas geworden?

So ähnlich. Er konvertierte zum Islam und ist ein Geistlicher geworden. Seine Vergangenheit als Musiker hat er jahrelang verdammt und als Irrweg abgetan, inzwischen hat er sich allerdings mit ihr ausgesöhnt und möchte Gerüchten nach bald wieder Musik machen…

SteveMöglicherweise hat er ja jetzt in der Religion gefunden, was er brauchte und kann nun sein Leben weiter führen. Religion ist schon etwas Verrücktes. Ich habe zu ihr nie so den rechten Zugang gefunden, muß ich sagen. Aber so viele der verschiedenen Weltreligionen haben eine Menge Gemeinsamkeiten, da muß irgend etwas dran sein. Natürlich gibt es auch eine Menge Unterschiede, aber die Gemeinsamkeiten sind schon auffällig. Aber wie gesagt, ich habe zu all dem keine rechten Zugang und ich verstehe das Phänomen Religion nicht wirklich.

Mit Blick auf `Babylon`: könntest Du Dir vorstellen, daß der Glaube an Technologie eines Tages herkömmliche Religionen ersetzen wird?

Das denke ich definitiv. Ich denke, es ist…. (wird unterbrochen) Entschuldige…

(Kindergebrabbel im Hintergrund… Daddy? Daddy? – Ja? – Wer ist das? – Das ist Thomas. Er spricht mit mir aus Deutschland. – Ich möchte Hallo sagen! – (Lachen) Das kannst Du jetzt gerade nicht, wir sind gerade sehr mit dem Gespräch beschäftigt. Aber in ein paar Minuten sind wir fertig, dann komme ich zu Dir, OK? – OK, Daddy!

(kommt zurück) Meine Tochter möchte mit Dir sprechen, haha. Tja, wo waren wir? Ja, Religion. Ich denke, das könnte passieren, Technologie könnte die Religion der Zukunft werden. Wirklich jeder ist immer mehr und mehr Technologie-fixiert. Wenn man sich die diversen Entwicklungen anschaut, dann schreitet das unglaublich rasch voran und jeder sucht sein Glück irgendwie in der Computer-Branche. Es könnte also durchaus sein, daß die neue Religion so etwas wie der technische Fortschritt wird. Ich weiß nicht, wo das enden könnte. Ich hoffe nicht in einer Situation, in der Computer die Welt regieren, aber das könnte passieren. Möglicherweise erleichtern sie uns den Alltag eine Weile, bis sie eines Tages sogar unser ganze Leben kontrollieren. Aber ich hoffe, das wird nicht zu meinen Lebzeiten passieren.

Im Rahmen des technischen Fortschritts nimmt ja auch das Schaffen virtueller Welten einen großen Raum ein. Wenn Du Dir vorstellst, die Holo-Suites in `Babylon` gäbe es wirklich: Würdest du sie benutzen wollen?

JohnIch würde wahrscheinlich. Ich bin natürlich ein verheirateter Mann und würde sie nicht zu den gleichen Zwecken wie in Babylon verwenden (lacht). Aber um das mit Ägypten aufzugreifen: wenn du dir vorstellst, man hätte keine Möglichkeit, wirklich zu reisen, dann könnte man das in einer Holo-Suite tun. Ich könnte so wenigstens einmal die Erfahrung machen, vor den Pyramiden zu stehen, ohne aber jemals das Haus zu verlassen. Ich denke allerdings nicht, daß die Wirklichkeit ersetzt werden kann, daß es zum Beispiel ein richtiger Ersatz dafür wäre, wirklich im Tal der Könige zu sein und umher zu laufen. Aber wenn das nicht möglich ist, wäre es sicher eine gute zweite Wahl, all das auf diesem Wege zu entdecken. Ja, ich denke schon, daß ich das tun würde. Es ist irgendwie wie das Internet: als es kam, haben sich nur sehr wenige Leute dafür interessiert. Plötzlich war es dann eine Art Massenzwang: man gehört nicht ins Jahr 2000, wenn man keinen PC oder Mac hat und nicht im Internet unterwegs ist. Die Gesellschaft bestimmt ihre Entwicklung selbst und ich denke, wenn man mal zu dem Punkt kommt, an dem Holo-Suiten und Programme dieser Art verwendet würden, dann würden das auch alle tun, schon aus Gründen gesellschaftlicher Konformität.

Die Möglichkeit des Rückzuges in virtuelle Welten birgt aber auch Gefahren in sich. Ich denke, Lex, der Protagonist des `Babylon`-Konzeptes, ist ja letztlich eine sehr tragische Figur. Er ist ein technisches Genie, aber ihm fehlen soziale Kompetenzen. Und dann stirbt auch noch der einzige Mensch, zu dem er emotionalen Zugang findet und die Wirklichkeit bietet ihm keinen Halt mehr…

DonJa, er ist schon eine recht tragische Figur. Daher habe ich das Ende auch offen lassen wollen. Ich wollte immer, daß das Ende auch irgendwie an Blade Runner erinnert. Denn in Blade Runner ist es ja auch so, daß der Replikant, mit dem Harrison Ford am Ende zusammen ist, möglicherweise auch mit einem Verfallsdatum versehen ist, wie ja schon die anderen Replikanten. Er weiß daher nicht genau, wie viel Zeit sie zusammen haben werde. Ich mag diese Idee. In unserm Fall bedeutet sie, daß: wir wirklich nicht wissen, ob in diesem Programm, in das er sich am Ende begeben hat, wirklich auch der Todeswunsch integriert ist oder ob er es vielleicht so lange und immer wieder abrufen kann, daß dieses Programm seine holographische Beziehung wird, sein computerisierter Partner für den Rest seines Lebens. Daher haben wir das Ende offen gelassen, denn ich denke, es wäre zu tragisch gewesen, wenn er am Ende einfach gestorben wäre. Ich kann mir vorstellen, daß manche Leute gesagt hätten: Jetzt habe ich mir das eine Stunde lang angehört, nur damit sich der Kerl am Ende umbringt! (lacht). Also haben wir das offen gelassen und jeder kann selbst entscheiden, wie es weitergeht. Natürlich wird es die Pessimisten geben, die sagen: Jetzt ist er tot!. Aber die optimistischen Romantiker werden sich entscheiden zu glauben, daß er mit seiner holographischen Partnerin weiter lebt.

Ich finde diese Polarität, die auch Blade Runner so sehr prägt, höchst interessant: Eine kalte, futuristische Welt, in der jedoch die emotionalen Aspekte der Charaktere eine große Rolle spielen, wenn nicht gar im Mittelpunkt stehen…

Ja, das fügt sich sehr gut zusammen. Mal sehen, wie das Album angenommen wird, denn es ist wirklich etwas Neues für uns….

Übrigens noch ein Frage zu den Namen der Charaktere: Warum haben die eigentlich alle nur drei Buchstaben?

Hahaha! Um ehrlich zu sein: Das ist einfach so passiert. Die einzig bewußte Entscheidung war, daß die Namen der Charaktere ganz klassisch sein sollten, fast schon in der Tradition der klassischen Komik-Konventionen. Zum Beispiel in Superman: Da hast Du Lex Luthor, also LL. Und in Batman: Vicky Veil, also VV. Es sind immer die gleichen Buchstaben bei den Initialen. Bei der Frau wollte ich also zweimal J also Jen Jarret Außerdem sind die Namen in futuristischen Geschichten meist seht kurz, fast schon so etwas wie Nummern. Vielleicht werden die Namen ja wirklich kürzer in der Zukunft, vielleicht werden sie aber auch länger und im nächsten Jahrhundert holt irgendjemand unsere CD aus den Archiven denkt sich: Die Kerle hatten ja keine Ahnung!, haha…

Eine allerletzte Frage: Als wir uns zuletzt in Köln gesehen hatten, sprachen wir schon über die Probleme, die in der Vergangenheit immer wieder Eure Tourpläne durchkreuzt haben, daß Ihr aber diesmal definitiv durch Europa reisen wolltet. Hat sich schon etwas Konkretes ergeben?

GregJa. Wir werden Ende Oktober in England auf einem Festival spielen und am Wochenende darauf spielen wir dann auf dem gleichen Festival in Rom. Nach dem ersten Auftritt nutzen wir dann die Reise nach Italien, um vier Shows in Deutschland zu spielen. Auf dem Weg zurück werden wir bei Euch drei weitere Shows spielen, danach haben wir ein paar Festival-Auftritte in Spanien, daher bleibt uns nicht viel Zeit. Wir versuchen, die Tour kosteneffektiv zu machen, so daß zwischen den einzelnen Shows nicht zu viele freie Tage liegen. Also, Ende Oktober und Anfang November spielen wir ein paar Mal in Deutschland. Vielleicht kommen wir nach unserem Aufenthalt in Spanien noch einmal, da wir auch gerne noch nach Holland und Skandinavien möchten und daher ohnehin wieder nach Norden müßten. Derzeit verhandeln wir mit zwei Konzertpromotern. Ursprünglich sollten wir mit FAIR WARNING touren, aber die haben jetzt irgendeinen Major-Support-Platz mit einer anderen Band. Wir haben jetzt vorgeschlagen, mit Bob Catley und EMERALD RAIN zu touren, was ja gut passen würde, denn EMERALD RAN sind ja auch Bobs Backing-Band. Man wird uns aber so oder so in Deutschland sehen können.

Und Du hast ja auch einiges mit Bob zu tun (Gary hat die beiden Solo-Alben Catleys produziert und deren Songs geschrieben). Ein hervorragendes Package also…

Ja, da stimmt. Ich habe je, wie Du sagtest, eh die Verbindung zu Bob und wir sprechen schon lange darüber, so was zu machen, und auch er möchte unbedingt in Europa spielen. Wir selbst haben ja, obwohl wir nun fünf Studioalben gemacht haben, noch nie ausgiebig in Europa getourt. Jetzt haben wir die Gelegenheit und können so alles ein bißchen antesten. Wenn alles gut läuft, werden wir möglicherweise im Januar noch weiter touren. Im Dezember werden wir definitiv in Japan sein. Wir möchten auch versuchen, nächstes Jahr bei einigen größeren europäischen Festival aufzutreten, denn da kann man einfach ein größeres Publikum erreichen und auch Leute, die nicht nur wegen TEN kommen und einen möglicherweise entdecken.

Na, dann mal viel Glück! Ich freue mich schon, Euch live zu sehen!

Danke! Wir freuen uns auch. Ich hoffe, wir sehen uns dann wieder! Und ich soll Dir auch noch schöne Grüße von Vinnie bestellen, ihm hat Euer Gespräch in Köln sehr gut gefallen.

Oh, Danke! Mir übrigens auch…

Er meinte übrigens, er würde Dich schon von irgendwoher kennen?

Mich? Hmmm… kann ich mir nicht vorstellen. Ich kann mich nicht erinnern, ihm jemals begegnet zu sein…

Nun, Du kamst ihm halt irgendwie bekannt vor…

Tja, vielleicht habe ich ja einen Doppelgänger. Grüß ihn bitte auch schön von mir…

Mach` ich…

Und Deine Tochter natürlich auch…

Haha, OK…

Wie alt sind Deine Kinder eigentlich?

Meine Tochter ist zwei, mein Sohn ist vier. Sie sind also beide noch sehr jung. Er ist sehr still und eher schüchtern, aber sie ist ein richtiger Wildfang. Wenn man nicht aufpaßt, dann verprügelt sie ihn, haha. Ein sehr energisches junges Mädchen. Sie sind wirklich meine ganze Welt….

Da habt Ihr´s rot auf schwarz: Das wahre Glück ist nicht virtueller Natur. Was Euch nicht abhalten soll, weiterhin Euren geliebten Vampster zu besuchen! Schließlich gibt`s hier in Kürze TEN, Teil 2: Vinnie Burns über britischen Spirit, die Arbeit mit Keyboard-Legenden und das Selbstverständnis eines Gitarristen. CU!

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