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SEPTAGON: Eine gewisse Fick dich-Attitüde

SEPTAGON haben mit “We Only Die Once” gerade ihr drittes und bisher bestes Album veröffentlicht. Das war Grund genug, mal virtuell bei SEPTAGON-Gitarrist Ulle anzuklopfen und mit ihm über SEPTAGON, das unvermeidbare Thema Corona aber auch seine anderen musikalischen Baustellen zu sprechen. 

Moin Ulle! Wie geht’s dir und was treibst du gerade (die Antwort “dämliche Interviewfragen beantworten” zählt nicht)?

Du wirst es nicht glauben, aber ich bastle an Sounds und neuen Songs und warte auf Grillwetter. Was sollte man auch sonst machen?

Glückwunsch zum dritten SEPTAGON-Album. Spontan würde ich sagen, dass “We Only Die Once” euer bestes Werk ist. Ich vermute, du würdest mir nicht widersprechen?

Im Endeffekt würde das sicherlich nie ein Interviewpartner machen. Ich stimme daher natürlich zu. Dafür muss ich allerdings sagen, dass mir das Debüt besser gefällt als die Nummer zwei. Das ist ja auch schon ein peinliches Eingeständnis und somit fast schon etwas gewagt.

Insgesamt klingt das neue Album wieder etwas homogener als sein Vorgänger, das ganze Album wirkt in sich geschlossener.

Ja, absolut. Beim letzten Album war es einfach so, dass die Songs teilweise zu arg weg vom ursprünglich angedachten Sound gingen. Die Basis von SEPTAGON ist eben schon klassischer, melodischer Speed/Thrash Metal. Das bedeutet nun nicht, dass man keinerlei Experimente eingehen kann – ganz im Gegenteil. Dennoch waren da einfach ein paar mehr “normale” Metalsongs drauf, die das Gesamtbild irgendwie uneinheitlich wirken ließen. Davon abgesehen lief während der Produktion einiges schief, sodass der Sound einfach nicht so druckvoll war, wie wir uns das vorgestellt hatten.

Als erstes fallen mir, wenn ich SEPTAGON höre, HEATHEN als Vergleich ein. Oft habt ihr aber auch diese Mosh-Riffs, die mich total an ANTHRAX erinnern. Kannst du mit den Vergleichen leben und welche Bands würdest du sonst noch als Einflüsse für SEPTAGON anführen?

Im Thrash würde ich schon sagen, dass zumindest mich Bands wie HEATHEN, FORBIDDEN oder auch TOXIK und REALM beeinflusst haben. Ich mag natürlich viele ANTHRAX-Sachen auch. Letzten Endes beeinflusst einen aber alles irgendwie, wenn man sehr viel unterschiedliche Musik hört. Natürlich beeinflusst man sich nach 25 Jahren dann auch selbst, wenn man mehr Alben auf dem Markt hat, als einige der Einflüsse zusammen.

Ihr seid ja nicht die totalen Road Dogs, weder SEPTAGON noch THEM. Ist es nicht trotzdem frustrierend, zwei starke neue Alben veröffentlicht zu haben und keines davon mit Konzerten promoten zu können?

Naja, mit THEM waren wir schon ordentlich unterwegs und haben eigentlich nach jedem Album getourt. Da wäre auch nach der Veröffentlichung eine Tour geplant gewesen, spätestens aber in diesem Frühjahr.

Bei SEPTAGON wären Touren aus zeitlichen Gründen nicht drin, aber selbstverständlich spielen wir dennoch gerne live. Wirklich schade ist halt, dass passend zum Release einige coole Festivals bestätigt waren, die nun logischerweise alle nicht stattfinden werden. Wir hätten auch eine coole Release-Show organisiert, die dann eben auch ins Wasser fallen musste. Zusätzlich zum Frust, dass man nicht live spielen kann, sind das natürlich auch finanzielle Einbußen. Wir sind glücklicherweise nicht darauf angewiesen, aber trotz des Budgets, welches man vom Label bekommt, fallen logischerweise zusätzliche Kosten an, wenn man ein Album produziert. Live bekommt man nicht nur Gage, sondern verkauft auch Merch, das fällt eben alles weg.

Toll ist aber, dass wir durch die vielen Vorbestellungen in unserem Shop Einiges kompensieren konnten. Dafür auch mal ein fettes Dankeschön an die Leute, die dir nicht nur ständig blöd auf die Schulter klopfen und Honig ums Maul schmieren, sondern sich dann auch mal ein Album kaufen. Solche Leute gibt es wirklich und wir wissen das auch sehr zu schätzen.

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Foto: Massacre Records

Was meinst du, wie groß und nachhaltig die Schäden sein werden, die durch die Pandemie in der Konzertbranche entstanden sind und noch entstehen? Da wird doch sicher so mancher kleine Laden über die Klinge springen…

Ich denke, wenn es wieder soweit ist, wird es deutlich mehr Tourpackages geben, weil mehr Auftritte stattfinden müssen, als Locations oder Termine vorhanden sind. Eventuell schießen dann noch mehr Festivals aus dem Boden.

Man könnte ja auch hoffen, dass das auch was Gutes hat und das Mainstream-Publikum dann eben nicht mehr willig ist, für jede größere Band Unsummen für ein Ticket zu bezahlen, während andere auf der Strecke bleiben. Aber nun ja, wenn wir ehrlich sind…das wird wahrscheinlich nicht passieren. Den großen Bands wird man die Kohle wahrscheinlich weiter in den Rachen werfen, während man sich konstant darüber beschwert, dass man ja als kleiner Angestellter immer nur der Dumme ist und abgezockt wird 😀

Und wie kommt ihr so persönlich durch die Pandemie-Zeit? Hoffe, ihr seid bisher alle verschont geblieben und habt beruflich keine riesigen Ausfälle?

Ich denke wir hatten alle einigermaßen Glück. Bei mir persönlich kam beim ersten Lockdown schon das große Loch, aber mit der Zeit hat sich das wieder gefangen.

Nach “Apocalyptic Rhymes” gab es bei euch einen Wechsel am Schlagzeug. Dein Ex-LANFEAR Kollege Jürgen Schrank ist raus und Daniel Buld ist rein. Warum ist Jürgen raus und was gibt es über den Neuen zu erzählen?

Jürgen war das irgendwann einfach zu viel und er ist ausgestiegen, weil er natürlich auch nicht wollte, dass alles ins Stocken kommt. Außerdem war er jetzt auch nie so wirklich heiß darauf Gigs zu spielen. Er scheint aber momentan ziemlich glücklich zu sein und genießt es, einfach dann Schlagzeug zu spielen, wenn er Bock darauf hat. Außerdem kauft er Vinyl wie dumm!

Auf Daniel hatte mich unser Alex hingewiesen. Ich hatte ihn dann mal angeschrieben, aber da hatte er grad ziemlich viel Stress und meinte ich sollte ihn einfach nochmal anhauen, wenn wir kurzfristig niemand finden. Wir hatten dann eine weitere Zusage, aber der ließ uns nach wochenlanger Warterei in der Luft hängen. Daraufhin habe ich Daniel nochmal angemailt und er hat dann tatsächlich sofort zugesagt. Wir haben eine Probe vereinbart und es hat sofort gepasst.

Für den Sound eures letzten Albums “Apocalyptic Rhymes” gab es hier und da ja Kritik, ich selber war auch zumindest der Meinung, dass die Gitarren etwas mehr bumms hätten vertragen können. Da klingt die neue Scheibe Meiner Meinung nach ne ganze Ecke fetter. Habt ihr euch die Kritik zu Herzen genommen, wie stehst du zum Sound “Apocalyptic Rhymes”?

Ja, wir wussten das ja selbst. Manchmal läuft eben trotz der jahrelangen Erfahrung doch alles irgendwie aus dem Ruder. Irgendwann wird es eng, man muss soundliche Kompromisse eingehen und macht dann halt das Beste draus, weil man eben auch gewisse Deadlines einhalten muss. Aus dem Grund haben wir dieses Mal bereits im Vorfeld sehr großzügig kalkuliert und uns nicht nur bei den Aufnahmen, sondern auch beim Mix die Zeit genommen, die notwendig war.

Das Cover unterscheidet sich thematisch von euren bisherigen zwei Alben. Warum seid ihr von der Endzeit Thematik weg, zu diesem eher klassischen Friedhofs-Thema?

Naja, eigentlich war das jetzt auch keine wirklich übergreifende Thematik bei den ersten beiden Alben. Wir haben uns immer eher am Titel orientiert und den hat Markus Vesper dann eben umgesetzt. Ich verstehe das neue Cover jetzt auch nicht als Friedhofs-Thema. Die Aussage ist einfach nur: “Egal wer du bist und was du hast, irgendwann sind wir alle tot. Mach also was draus, solange du es kannst…”

Textlich gibt es ja mal wieder einen bunten Strauß, von persönlichem, Motivationshymnen, Politik bis zu norddeutscher Sagenwelt. Ich nehme mal an, da darf Becker sich völlig frei austoben?

Natürlich darf und soll er das!

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Dank euch weiß ich jetzt auch, was ein Ekke Nekkepen ist – nämlich eine Sagengestalt, die auf dem Grunde der Nordsee bei den nordfriesischen Inseln lebt. Was habt ihr als quasi Norditaliener (alles unter Bonn ist Adriaküste) eigentlich mit norddeutscher Sagen am Hut?

Ich wusste das auch nicht. Zunächst bin ich davon ausgegangen, dass das ein Arbeitstitel ist und Markus einfach ein paar Buchstaben zusammengewürfelt hat. Irgendwann stand der Titel aber immer noch, da hab‘ ich dann doch mal nachgefragt und wurde erleuchtet.

Und in “Demon Divine” geht es um ne Femme Fatale oder ne fiese Ex?

Das musst du den Herr Becker fragen. Ich weiß nichts über eine dunkle Vergangenheit, aber wer weiß schon, was im großen Frankenland in den Achtzigern und Neunzigern so alles abging.

In “The Rant” bekommen Politiker allgemein ihr Fett weg. Welche politischen Entwicklungen oder aktuellen Themen beschäftigen dich denn aktuell am meisten und wo siehst du speziell in Deutschland aber auch weltweit die größten Fehlentwicklungen?

Oh je, da will ich jetzt definitiv nicht in die Tiefe gehen, sonst dreh ich noch durch. Die ganzen Schwurbler sind mir in den letzten Monaten einfach tierisch auf den Sack gegangen! Schlimm sind ja nicht die wirklich Dummen, sondern die Leute mit einem kleinen bisschen Resthirn, das sie dann von den ganz Dummen abhebt. Das Problem ist nur, wenn man sich aufgrund dieses winzigen Restwissens dann plötzlich für einen Experten auf jeglichem Gebiet hält. Und weil man ja nicht mit dem Strom geht, glaubt man immer dem, der sich die abstruseste Scheiße ausgedacht hat – der ist nämlich auch Experte. Tausend wirkliche Experten, die eine andere Meinung vertreten, sind hingegen alle gekauft, verblendet, manipuliert oder bereits gechippt.

Es scheint so, als ob die meisten Klugscheißer inzwischen ihren Dünnpfiff für sich behalten und grob verstanden haben, um was es geht. Jetzt muss dann eigentlich nur noch ein vernünftiges Krisenmanagement, vorausschauende Planung und eine Prise gesunder Menschenverstand bei unserer Regierung Einzug halten. Sollte ja nicht so schwer sein, denkt man…

Falsch gedacht, leider! Vielleicht sollte man künftig mal überlegen, wichtige Posten an Leute zu vergeben, die sich damit auskennen. Wenn ich eine Bäckerei besitze und suche einen neuen Meister, dann stelle ich doch auch keinen Glaser ein.

Ich finde es ja ziemlich beeindruckend, wie Becker sich als Sänger gemausert hat. Wenn ich da an das ATLANTEAN KODEX-Demo denke und nun an “The Course Of Empire” oder eben auch “We Only Die Once” im Vergleich, da liegen ja Welten zwischen.

Ja, ich bin auch immer wieder überrascht. Entweder ist er in einen Jungbrunnen gefallen, oder Satan besitzt jetzt seine Seele. Es ist auch nicht nur die Range, er wechselt problemlos zwischen super clean und schön angepisst und ich finde man hört das Selbstvertrauen und eine gewisse Fick dich-Attitüde sehr schön raus. Außerdem hat er sich im Home Office die Haare wachsen lassen, die Zukunft dürfte also noch brachialer werden.

Speziell bei “How To Kill The Boogeyman” finde ich den Refrain einfach nur Killer, da habt ihr echt einen kleinen Hit geschrieben. Seht ihr das ähnlich und habt ihr den Song deswegen als zweites Stück vorab veröffentlicht?

Ja, absolut. Der Song stammt musikalisch von Stef und war einer der letzten Songs, für die Markus dann eine Gesangslinie hatte. Als ich den Refrain zum ersten Mal auf den Demos hörte, war ich gleich von den Socken. Irgendwie ist das ein klassischer, melodischer Speed Song, der unglaublich catchy ist, aber eben dennoch nicht käsig klingt.

Ist der Text einfach nur eine Horrorstory oder steckt da mehr hinter? Den Umgang mit persönlichen Ängsten oder so?

Hatte der Epic-Thrash-Guru Markus Becker als Kind Angst vorm schwarzen Mann? Vielleicht immer noch? Hat er ihn gekillt? Gift in der Nachttischschublade? Ich formuliere das jetzt mal so, wie 90% der anderen langweiligen Interviewpartner auch. Da ist Raum für Interpretation, da soll sich jeder seine eigenen Gedanken machen. Es ist so toll, wenn unsere Musik Leuten über eine schwierige Zeit hilft…blablabla.

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Foto: Massacre Records

Welcher ist dein Lieblingsdinosaurier?

Der Brachiosaurus. Der Brontosaurus war mir immer zu klein, sein größerer Bruder joggt außerdem im für mich richtigen Tempo. Der Supersaurus war ja noch größer, aber zu meiner Saurier-Zeit hatten die den noch nicht gefunden. Ich könnte jetzt noch mal nachschlagen, aber das Was ist Was-Buch ist leider noch bei meinen Eltern.

Warum seid ihr denn von Cruz Del Sur zu Massacre gewechselt? Kürzere Wege mit der Schwaben-Connection?

Der Weg ist in der Tat extrem kurz, das hat schon was. Um ehrlich zu sein, passten wir bei CDS einfach nie so richtig rein. Ein Großteil der Bands ist eben eher episch, doomig, kauzig oder alles davon und wir liegen mit unserem Stil nicht einmal irgendwo dazwischen, sondern ziemlich abseits. Da wir auch nie den Eindruck hatten, dass wir in irgendeiner Hinsicht Priorität genießen und Enrico (Labelboss) einfach auch eher auf der epischen Schiene Musik hört, habe ich ihn einfach gefragt, ob wir gehen können. Das war dann auch kein Problem und für uns die absolut richtige Entscheidung, was uns alleine die letzten Wochen bewiesen haben.

Wann kommt denn endlich die LANFEAR Reunion? Wartet ihr auf das Angebot, als Headliner in Wacken zu spielen?

Ja, aber die melden und melden sich nicht. Eventuell hauen wir auch noch vorher “LANFEAR – The Movie” auf den Markt, um die Erwartungshaltung ins Unermessliche zu steigern und dann noch mehr Kohle einzusacken.

Und wie sieht es mit A COSMIC TRAIL aus? Das letzt Album erschien vor acht Jahren. Kommt da nochmal was?

Das kann schon sein. Ich hatte schon vor Jahren einige Ideen gesammelt und dann einfach nicht mehr die Zeit gefunden. Einerseits hätte ich voll Bock, andererseits ist das kommerzieller Selbstmord, zumal ich nicht einmal selbst weiß, welches Publikum ich damit überhaupt erreichen kann.

Was kommt früher? Ein neues Album von THEM oder von SEPTAGON?

Definitiv THEM. Da sind wir bereits voll im Songwriting-Modus und werden gleich Anfang 2022 ins Studio gehen.

Welcher aktuelle Trend in der Metalszene irritiert dich und warum?

Tapes. Zerrissene alte Shirts, die in Ebay für mehrere hundert Euro den Besitzer wechseln. Und ja, Sänger die man als Charakterstimme bezeichnet, weil sie mit viel Glück einen von zehn Tönen treffen.

Du hast es überstanden, ich bin mit meinen Fragen durch. Vielen Dank für deine Zeit und für “We Only Die Once”. Die letzten Worte gehören dir!

Die meisten Worte vorher gehörten ja auch schon mir. Da bin ich so zuvorkommend und lass lieber dich mal noch was sagen:

Ich danke unseren Lesern, meiner Familie, meinen Haustieren und dem ganzen Vampster-Team! Ohne euch wäre ich nie so wohlhabend geworden wie ich es… oh wait…

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