PRIMEsth: Alles unter Kontrolle

Sänger/Gitarrist Noa erzählte vom Tourleben, vom Musikgeschäft, sowie natürlich vom rundum gelungene Zweitwerk seiner Band, Beautiful Awakening.

Sänger/Gitarrist Noa sprach am Telefon über das Tourleben, das Musikgeschäft, sowie natürlich über das rundum gelungene Zweitwerk von PRIMEsth. Beautiful Awakening (Review folgt) wurde in deren Heimat Schweden bereits veröffentlicht und ist ab Anfang April auch in hiesigen Landen erhältlich. Angesichts des Albumtitels lag die erste Frage auch gleich auf der Hand:

Wie war dein Erwachen heute morgen?

Es war heute sehr, sehr früh, da wir ein Radio-Interview gemacht haben. Ich bin gegen halb sieben aufgestanden.

Wann stehst du normalerweise auf, wenn keine Interviews anstehen?

Gegen Mittag. Nicht vor elf Uhr. Ich bin kein Morgenmensch.

Morgen Abend findet in Stockholm eure Release-Party statt. Habt ihr fleißig geprobt?

Nein, haben wir nicht. Wir hatten keine Zeit dafür. Aber wir sind in einer Vormittagsshow aufgetreten. Das war vermutlich unsere Probe. Allerdings glaube ich, dass morgen alles gut gehen wird, da wir kein ganzes Set sondern nur fünf oder sechs Lieder spielen werden.

Noch bevor ich euer neues Album angehört habe, sprang mir bereits der Titel Fishbowl ins Auge. Wie kommt man auf so einen ungewöhnlichen Titel?

Ich fand es einen witzigen Namen. Es ist ein Teil des Textes. Der ganze Text ist sehr persönlich. Es geht um das, was wir in den letzten zwei Jahren durchgemacht haben mit den ganzen Business-Leuten. Dabei fiel mir beim Refrain eben Fishbowl ein, was ich cool fand.

PRIMEsth:Wie schreibt ihr normalerweise neue Stücke? Kommt zuerst der Text oder entsteht alles auf einmal?

Wir beginnen immer mit dem eigentlichen Song und mit dem Arrangement. Ich lasse mir einfach ein paar Worte einfallen, die ich immer wieder singe, um die Melodien zu schreiben. Die Texte entstehen dann im Nachhinein.

Ist es schon vorgekommen, dass bei diesen ursprünglichen unsinnigen Zeilen welche dabei waren, die du unbedingt im Song behalten wolltest?

Ja, das passiert ständig. Ich glaube nicht, dass es Unsinn ist. Wenn man ein Lied schreibt, gehen einem immer Wörter durch den Kopf. Zumindest ein paar davon verwende ich auf alle Fälle weiter. Es scheint jedes Mal zum restlichen Text zu passen. Durch das Singen der Melodien fallen mir immer ein paar Wörter ein, die schlichtweg stimmig sind und zum Rhythmus und zur Melodie passen. Das versuche ich dann mit dem gesamten Text in Einklang zu bringen.

Im Info steht, dass ihr als Jugendliche angefangen habt als Band zu jammen. Hattest du damals schon irgendeine musikalische Ausbildung genossen?

Wir hatten keine Ausbildung, als wir anfingen. An der Highschool hatten wir allerdings Musikunterricht. Kasper konnte Schlagzeug spielen, aber wir anderen waren blutige Anfänger an unseren Instrumente. Erst später haben wir ein paar Stunden Unterricht genommen.

Ihr habt euer neues Album auch selbst produziert. Besitzt jemand von euch eine Tontechnikausbildung oder habt ihr das von den Leuten abgeschaut, mit denen ihr zuvor gearbeitet hattet?

Kasper arbeitet als Produzent und Tontechniker in Stockholm. Alle technischen Sachen habe ich ihm überlassen. So Sachen wie Arrangements habe ich dafür gemacht. Ich bin wirklich schlecht im Umgang mit elektronischen Sachen. Aber Kasper ist irgendwie eine Art Zauberer in diesem Bereich. Wir haben also als Team gearbeitet. Wir machen das schon so lange, da lernt man viel, wenn man anderen Leuten zuschaut. Man weiß, wie man den Sound haben will. Man muss nur solange daran arbeiten, bis man ihn selbst so hinbekommt.

Vor einer Weile las ich den Spruch Mistakes always teach. Welches war bislang der Fehler, aus dem du am meisten gelernt hast?

Alle möglichen Papiere zu unterschreiben, würde ich sagen. Würde ich nochmal von vorne anfangen, würde ich nicht so schnell Verträge unterschreiben. Ich würde mit Sicherheit einen zweiten Blick darauf werfen und einen Anwalt zu Rate ziehen. Denn es passiert schnell, dass man gebunden ist und dabei einen Haufen Geld abtritt ohne irgendeine Gegenleistung. So läuft dieses Geschäft. Natürlich gibt es viele ängstliche junge Musiker, die von ihrer Musik leben wollen. Die möchten schnell alle möglichen Verträge unterzeichnen. Wenn ich zurückblicke, kann ich jungen Bands nur den Rat geben, nichts zu unterschreiben, was sie nicht zusammen mit ihrem Anwalt durchgelesen haben.

Nun habe ich ein paar Fragen zum Thema Touren. Ich bin immer neugierig, weil manche Leute Touren als todlangweilig empfinden, während andere am liebsten ihr ganzes Leben unterwegs wären. Wie ist das bei euch, wenn ihr auf Tour seid? Wie verbringt ihr den Tag vor dem allabendlichen Konzert.

Unsere Band gehört zu denen, die es genießen auf Tour zu sein. Wenn wir zu Hause sind, werden wir unruhig. Das gehört zu den Dingen, die wir am meisten lieben: einfach so oft wie möglich zu spielen. Wir haben so gut wie nie Heimweh. Selbst 15 Stunden lang durch Texas fahren ist besser als daheim zu sitzen und nichts zu tun. Ich genieße es wirklich auf Tour zu sein. Jeden Tag gibt es eine andere Stadt, jeden Abend gibt es einen neuen Klub oder eine neue Halle. Ich kann nicht verstehen, wenn Bands meinen, das sei langweilig. Wenn du mich in zwanzig Jahren nochmal danach fragst, finde ich es vielleicht auch öde. Aber das glaube ich kaum.

Vor einem Jahr habt ihr einige Konzerte in den Vereinigten Staaten gespielt, die dazu dienen sollten Werbung für schwedische Musikexporte zu machen. Dabei seid ihr zusammen mit Bands aus unterschiedlichsten Stilrichtungen aufgetreten. Wie seid ihr damit zurechtgekommen?

Das war eine bunte Mischung mit insgesamt zehn Bands jeden Abend. Es war recht seltsam mit so vielen verschiedenen Gruppen zu spielen. Aber ich denke es hat gut geklappt. Die Show in New York war sehr gut, die in L.A. war gut; nur die in Texas war ein bisschen zu viel. Denn dort hatten sie ein Festival, South by Southwest. Dort spielten 1500 Bands über die ganze Stadt verteilt. Das war einfach zu viel. Doch ansonsten lief es gut, und einige coole Leute waren dabei.

PRIMEsth:Im Oktober 2002 habt ward ihr in Deutschland auf Tour mit KEN, PINKOSTAR und UNION YOUTH, allesamt deutsche Bands. Wie war das für euch als einzige ausländische Band?

Das war ok. Ich habe diese Konstellation sehr gemocht. Das waren coole Bands. Um ehrlich zu sein höre ich mir UNION YOUTH häufig an. Und die Vorgängerband von KEN – die hieß BLACKMAIL, glaube ich – von denen habe ich ein paar Aufnahmen auf der Tour bekommen. Ich halte sie alle für wirklich gute Bands, und die Leute sind alle sehr nette Jungs. Ich wüsste nicht, was für uns als Schweden auf der Tour anders gewesen sein sollte. Wir haben auch ein bisschen Deutsch von den anderen gelernt.

Kannst du ein Beispiel geben?

Ich bin ein Geschäftsführer. Lauter so kleine Sätze. Im Gegenzug haben wir ihnen auch etwas beigebracht.

Also werden sie bald nach Schweden kommen.

Nein. Ich habe ein paar Emails mit den UNION YOUTH-Leuten gewechselt. Sie wollten nach Schweden kommen und hatten auch eine Veröffentlichung draußen. Ich sollte ihnen helfen einen Gig in Stockholm auf die Beine zu stellen. Aber ich weiß nicht, warum sie den Trip schließlich abgesagt haben.

Wie verbringt ihr letzten Minuten, bevor ihr auf die Bühne geht? Seid ihr nervös?

Ich bin eher besorgt wegen möglichen technischen Schwierigkeiten. Ansonsten bin ich eigentlich nicht nervös. Wir sitzen backstage beisammen. Die letzten zehn Minuten wollen wir dann alleine sein und schicken alle anderen Leute weg. Dann unterhalten wir uns und führen ein paar kleine Rituale durch. Die will ich aber gerne für mich behalten. Jedenfalls glaube ich nicht, dass ich nervös bin. Eher ein bisschen aufgedreht.

Was für Musik hört ihr normalerweise im Tourbus?

Alles mögliche. Ich nehme überhaupt keine Tonträger mit, weil ich lieber neue Sachen anhöre. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die ständig ihre Lieblingsalben mit sich herumschleppen. Man bekommt unterwegs immer viel neues Material, wenn man mit anderen Bands zusammen spielt und untereinander Alben tauscht.

Es heißt überall, dass ihr ein fest eingeschworenes Quartett seid. Geht ihr auch manchmal getrennte Wege?

Es ist ein bisschen seltsam, aber wir sind auch dann viel zusammen, wenn wir gerade nicht spielen. Wir waren von Anfang an Freunde und haben dann die Band gegründet. Inzwischen haben unsere Freunde andere Lebensstile, so dass man eben eher unter Gleichgesinnten bleibt.

Die auch erst mittags aufstehen…

Ja, mittags aufstehen und nichts tun.

Moment, ihr habt doch ein neues Album aufgenommen!

Ja, schon. Wenn man ein Album veröffentlicht, gibt es viel Arbeit. Aber es gibt auch immer so einen Monat, in dem man nichts tut. Mit der Zeit wird man ungeduldig und wartet darauf auf Tour gehen zu können.

Hast du je das Bedürfnis gehabt, etwas komplett Anderes zu spielen? Gibt es Ideen, bei denen du denkst, du müsstest jetzt unbedingt einen Countrysong oder sowas machen?

PRIMEsth:Jeder in der Band arbeitet auch an anderen Sachen. Kasper schreibt für verschiedene Künstler Lieder. Martin schreibt ebenfalls mit anderen Leuten zusammen Songs. Ich schreibe Sachen, die ich selber aufnehme, einfach um verschiedene Einflüsse zu verarbeiten, damit man sich nicht in eine Art von Musik verrennt. Ich mache einige Sachen, die man nicht mit dem PRIME-Material vergleichen kann. Das ist eher so Singer/Songwriter-Zeug.

Euer neues Album ist sehr gut, sehr tight, und vor allem höre ich es mir im Gegensatz zu eurem Debüt immer am Stück an. Bei Underneath The Surface neige ich dazu, nach den ersten drei Lieder wieder von vorne anzufangen. Gab es diesmal irgendwelche grundlegenden Unterschiede bei der Herangehensweise, oder lief alles so ab wie immer?

Nein, bei dieser Aufnahme war alles komplett anders, weil wir die Art und Weise, wie wir das erste Album aufgenommen hatten, nicht mochten. Wir hatten mit einem Produzenten zusammengearbeitet, der sehr gut war. Aber er arbeitet gerne sehr langsam und in kleinen Schritten, bis alles perfekt war. Diesmal wollten wir die Lieder live aufnehmen und nur im Nachhinein ausbessern; einfach live aufnehmen, um das richtige Feeling zu bekommen. Ich finde auch, dass dieses Album tighter klingt als das erste. Das ist komisch, weil dieses Album live eingespielt wurde, während beim anderen ein Instrument nach dem anderen aufgenommen wurde. Diesmal klingt alles wesentlich organischer, so wie es im Proberaum auch klingt. Ich bin da deiner Meinung. Ich mag dieses Album viel lieber. Dadurch, dass Kasper und ich es produziert haben, geht es auch wieder in die Richtung, wie wir ursprünglich klangen. Zudem haben wir nicht so viel über die Lieder nachgedacht. Man schreibt einfach ein Stück, findet es gut und nimmt es auf.

Habt ihr diesmal wieder mit Leuten von außerhalb der Band zusammengearbeitet, wie bei eurem Debüt mit Max Martin?

Diese Geschichte lief damals etwas anders ab. Ich hatte ein Lied geschrieben, das ich in Max Martins Studio aufnahm. Er hat mir dann beim Arrangement mit so Sachen wie Backing Vocals geholfen. Daraufhin dachte jeder, ich hätte Songs mit Max Martin geschrieben. Das war einerseits eine gute Sache, wenn man im Radio gespielt werden wollte. Andererseits war es eine schlechte Sache, wenn man als Rockband dastehen wollte. Die Leuten denken, man wäre eine Neuauflage der BACKSTREET BOYS. Diesmal hatten wir beim Songwriting keinerlei Hilfe von außen. Lediglich eine Sängerin war im Studio, die ein paar Gesangsspuren für das letzte Stück einsang. Wir haben im Gegensatz zum ersten Album aber keine großen Namen dabei. Keine großen amerikanischen Mischer oder so. Ich finde es klingt besser so. Ich bin sehr zufrieden damit. Beim ersten Mal wollte die Plattenfirma große Namen haben, um die Sache interessanter zu machen. Diesmal lassen wir die Songs und die Musik für sich selbst sprechen.

Eins meiner Lieblingslieder von euch ist Candy, das als Bonustrack verwendet wurde. Woran lag es, dass der Song nicht auf dem Album landete?

Es gab ein paar Songs, die es nicht aufs Album geschafft haben, Among The Stars, Candy und ein Lied namens Step. Das amerikanische Label wollte sie nicht auf dem Album haben. Sie meinten, dass wir ein paar Bonustracks bräuchten, und nahmen diese Stücke vom Album um sie als B-Seiten zu verwenden. Es gab noch mehr solche Geschichten, mit denen wir nicht so ganz einverstanden waren. Bei dem ganzen Amerikatrip waren zu viele Leute am Geschehen beteiligt. Zumindest bei der Musik wollten wir selbst entscheiden und mehr Kontrolle haben.

Wie sieht es mit der Kontrolle über Videoclips und Coverbilder aus?

Beim ersten Album hatten wir nicht sonderlich viel Kontrolle. Jetzt haben wir dagegen die absolute Kontrolle. Mein Bruder hat das Artwork gemacht und alle Geschäfte werden von Leuten erledigt, die wir kennen.

PRIMEsth:Und worin besteht der Zusammenhang zwischen einem Kind mit Engelsflügeln und Rockmusik?

Das ist Tochter eines Freunds auf dem Cover. Ich fand dieses Bild, das mein Bruder gemacht hatte, sehr cool. Sie wirkt auf dem Bild sehr charismatisch. Wir hatten eine Menge Bilder von ihr. Ich hielt es für eine coole Idee, sie für das Artwork zu benutzen. Außerdem passt es auch gut zum Titel. Ich bin mir nicht sicher, ob es etwas mit Rock zu tun hat.

PAINEine andere schwedische Band, PAIN OF SALVATION, hatte auch ihrem vorletzten Album ebenfalls Kinderbilder auf dem Cover. Aber da besteht kein Zusammenhang, oder?

Ich kenne die Band nicht.

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