blank

KOHLRABENSCHWARZ: Das Elend direkt vor der Almtür

Dass erfahrene Musiker hinter KOHLRABENSCHWARZ stecken, wird schon beim ersten Hören klar, dass es aber Constantin König (ex-LUNAR AURORA und ex-BALD ANDERS) ist, der verantwortlich für „Im finsteren Tal“ ist, überrascht dann doch. Das Debüt von KOHLRABENSCHWARZ ist ein impulsives Stück Black Metal, voller Energie, aber auch mit packender Atmosphäre abseits der Mystik seines Vorgängers. Zusammen mit langjährigen Freunden wie Dirk Rehfus (ex-GRABNEBELFÜRSTEN) schafft König hier das Kunststück gleichzeitig spontan und wild zu klingen, ohne auf Dynamik zu verzichten. Bandchef Constantin antwortet ausführlich zur Geburt seiner neuen Band.

Informelle Eisbrecherfrage zum Einstieg: Ich frage mich schon seit geraumer Zeit, ob ich LUNAR AURORA 2004 im Januar im Garchinger Profil gesehen habe, oder hab ich mir das nur eingebildet? Wie blickst Du auf diese Zeiten zurück?

Ob du da warst, kann ich Dir nicht sagen – wir waren es definitiv! Leider habe ich überhaupt kein gutes Gedächtnis, daher erinnere ich mich an vieles aus dieser Zeit nur anekdotisch. Das ist meines Wissens auch der einzige Auftritt, von dem ich keine Bilder habe – nachdem mir die sonst helfen, mich zu erinnern, kann ich hierzu leider nichts sagen.

Wenn Du allgemein die Zeit mit LUNAR AURORA meinst, dann ist das schon viel für eine kurze Antwort, aber man kann sicher sagen, dass es eine auf so vielen Ebenen bereichernde Zeit war mit coolen Erfahrungen, die halt auch nicht jeder in seinem Leben macht und mit coolen Leuten – ich möchte nichts davon missen.

Zunächst die wichtigste Frage: Befindest du dich im finstren Tal oder bist du herausgekommen?

Danke der Nachfrage, im Moment geht es mir sehr gut. Um im Bild zu bleiben: Kein Tal ist endlos, wenn man sich bewegt, aber auch der mühsamste Aufstieg zum Gipfel kann niederschmetternd sein, wenn dich Sturm und Wolken da erwarten.

Aber letztlich: Alles cool, genießen wir es, es kommen auch wieder andere Zeiten.

Ist es dir überhaupt möglich, kreativ zu sein, wenn es um die mentale Verfassung gerade nicht so gut bestellt ist? Oder hast du danach eher produktive Phasen?

Man muss dazu sagen, dass vieles von dem, was ich mit KOHLRABENSCHWARZ thematisiere, schon etwas her ist – das Album ist vor allem im Jahr 2021 / 22 entstanden und es hat in dem Moment wirklich für mich so etwas gebraucht, in das ich mich stürzen konnte. Einmal, um gewissen Themen eine Stimme zu geben, aber auch, weil die Art der Musik zu machen für mich eine Möglichkeit darstellt(e), sehr schnell und einigermaßen einfach etwas zu erschaffen und mit Leben zu füllen.

„Im finstren Tal“ ist tatsächlich in seiner Urform ziemlich hingeschlampt, aber genau diese Nicht-Perfektion, kein Grübeln und Herumperfektionieren, sondern sich an roher Form und Schlichtheit erfreuen können, war – und ist – für mich sehr wichtig, wenn ich diese Musik mache. Es ist eine Vorgehensweise, die im „echten Leben“ oft nicht möglich ist oder zu vielen Problemen führen kann und im Umkehrschluss hohe Erwartungen (von außen, aber auch an sich selbst) mental nicht nur bei mir sicher auf Dauer extreme Konflikte hervorrufen – und da tut es halt gut, was hinrotzen zu können, was genau so, wie es ist, auf Anhieb passen darf!

“Manchmal denke ich, ich mache als Punk verkleidete Schlagermusik im Black Metal Gewand” – KOHLRABENSCHWARZ stehen nicht für verkopften Black Metal.

Als jemand der selbst genug Erfahrungen mit dem finstren Tal, dem schwarzen Hund und der grauen Wolke hat, kann ich an die Lyrics sehr andocken. Obwohl du nicht konkret schreibst, sind die Worte sehr direkt und es wirkt so, als wären die Worte aus dir heraus gesprudelt. Waren die Lyrics der Ausgangspunkt oder die Musik und magst du näher darauf eingehen?

Die Texte sind hier sehr spät dazugekommen und ich habe mich sehr viel an Zitaten entlanggehangelt: „Keiner ist weise, der nicht das Dunkel kennt“ ist ja von Hesse und da gibt es ganz viel, was ich als Ausgangspunkt gebraucht habe, um irgendwo anfangen zu können – und in manchen Songs habe ich dann derartige Zitate als „unique selling point“ beibehalten, weil ich mir dachte, ich muss dieses Rad nicht neu erfinden.

Grundsätzlich glaube ich, bin ich eher ein schlechter Texter – ich finde Texte schreiben unfassbar mühsam und habe immer nur kurze Momente, in denen es flutscht – da aber kann es sein, dass ich in 5 Minuten einen Text beisammen habe, den ich dann nicht mehr ändern muss oder sogar zwei. Andererseits weiß ich oft schon sehr früh sehr genau, was ich inhaltlich gerne hätte, das macht es mir leider nicht einfacher, das auch wirklich zu erreichen.

Dirk hat auch schon angeboten, Texte zu schreiben, aber ich fürchte, das wäre genau deswegen ein sehr undankbarer Job, das will ich ihm nicht antun – da muss ich selber durch!

blankWie lange hat es insgesamt gedauert, bis Songs und Texte standen? Ging der Songwritingprozess schnell, oder hat es sich lange hingezogen?

Die ganzen Songs zusammen zu haben, hat schon 2-3 Jahre gedauert, da ich es größtenteils neben BALD ANDERS gemacht habe und auch nicht regelmäßig gezielt danach gesucht habe. Wenn ich aber ein Lied begonnen habe, habe ich es in der Regel in einem Aufwasch binnen weniger Stunden fertig gestellt. Das hat sich für mich wie gesagt am besten angefühlt und zwar denke ich hört man, dass hier überhaupt nicht gefeilt wurde, aber es spricht mich genau diese Unverblümtheit sehr an und wie ich das sehe, geht es anderen genau so – das freut mich natürlich.

Das Schwierigste daran und meine größte Sorge ist, dass es irgendwann in die Banalität abgleitet – ich sehe ja selber mit welch schlichten Mitteln ich arbeite, aber dann wiederum weigert sich alles in mir, mit scheinbar technischer Finesse (die ich nicht habe) oder einem komplexen Songwriting (das ich nicht kann) davon abzulenken.

Manchmal denke ich, ich mache als Punk verkleidete Schlagermusik im Black Metal Gewand, aber das ist dann halt so.

War dir gleich bewusst, dass KOHLRABENSCHWARZ eine Bandangelegenheit werden würde, oder hast du mit dem Gedanken gespielt, alles allein aufzunehmen? Inwiefern hast du die Songs mit der Band ausgearbeitet – wirklich gemeinsam old-school im Proberaum oder lief es remote ab? Drummer CA von ODEM ARCARUM ist ja auch Toningenieur von „Im finstren Tal“. Hat er Gitarrist Enrico mit ins Spiel gebracht? Und warum ist dein Bruder Benjamin bei KOHLRABENSCHWARZ nicht mit von der Partie?

KOHLRABENSCHWARZ war lange Zeit gar nicht richtig zu Ende gedacht – dass da was Ernstes draus geworden ist, habe ich Thomas (CA) zu verdanken: Ich hab ihm das gezeigt, kurz nachdem wir „Navigator“ (das dritte und letzte BALD ANDERS-Album – Anm. d. Verf.) bei ihm in den Five Lakes Studios aufgenommen hatten, und er hat angeboten, das Schlagzeug dazu einzuspielen und bei ihm ein Demo aufzunehmen.

Mein homemade Demo war ja noch mit Drumcomputer und ich hatte da auch Gitarren gespielt, aber als dann das Ganze ernster wurde, war klar, dass das jemand machen muss, der wirklich sein Handwerk versteht und vielleicht noch ein bisschen mehr rauskitzelt. An Bernhard habe ich da mit der Akustikgitarre sofort gedacht – er ist ein ziemlich guter Gitarrist und vor allem kommt er, wenn man so will, aus dem Jazz und hat eine sehr eigenwillige Art, Musik zu machen. Und genau das wollte ich dabei haben, wobei ich denke, dass man hier noch ein bisschen mehr hätte experimentieren können. Naja, vielleicht das nächste Mal.

Enrico spielt bei Thomas’ Thrash-Band WHITE MANTIS. Ich kannte ihn nicht, bis ich sie live gesehen habe. Enrico ist, denke ich, ein klassischer Metalgitarrist. Ich hoffe, ich tu ihm nicht unrecht oder bediene zu sehr Klischees, wenn ich sage, er würde spielerisch auch super in eine der italienischen Power Metal-Bands passen.

Und erst da ist mir klar geworden, dass ich für das bisher so hingerotzte Album eigentlich wen an der Gitarre brauche, der gut genug ist, um das schnell kompetent und vor allem gewollt sleazy zu spielen. Ich bin mir nicht sicher, ob Benjamin das gelegen hätte, aber Enrico war eh quasi vom Fleck weg gekauft, da hat sich die Frage schlicht nicht gestellt.

Musikalisch hat sich dann die Musik bei den Aufnahmen eigentlich kaum noch verändert – klar, Thomas hat das anders gespielt als meine rudimentären Drumcomputertracks, Enrico hat eben diese Fluffigkeit im Spiel, die dem Album echt gut tun und Bernhard hat seine ungewöhnliche Note z.B. beim Intro von „Erinnerungen“ gut eingebracht, aber im Großen und Ganzen ist das alles sehr nah am Demo.
Ich habe auch keine Sekunde erwogen, das Material nochmal zu überarbeiten, denn für mich waren die Aufnahmen an dem Punkt auch erst mal nur ein weiteres Demo, um mal was zu haben – auch da hat letztlich Thomas die gute Frage gestellt, warum das eigentlich ein Demo sein soll und nicht gleich ein Album. Für mich wäre eben gerade die Tatsache, dass hier nicht mehr viel am Material gearbeitet wurde, der Grund gewesen, noch von einem Demo-Stadium zu sprechen, aber zum Glück hat mich Thomas davon überzeugt, dass das ja völlig egal ist und so hab ich das dann an HOUSE OF INKANTATION als Album übergeben können.

“Dirk hat für mich alles, was ein guter Sänger braucht: Er ist extrem ausdrucksstark, scheut sich auch nicht, mal irgendwo drüber zu sein, dazu ist er vielfältig und er hat einen sehr guten Sinn für Dramatik und Theatralik.” – Constantin König über KOHLRABENSCHWARZ-Sänger Dirk Rehfus.

Die Zusammenarbeit mit Sänger Dirk ist keine Überraschung, da ihr auch schon bei KAMERA OBSKUR zusammengearbeitet habt. Aber die Freundschaft währt schon deutlich länger, richtig? War er deine First Choice und was liebst du an seinen Vocals?

Dirk hat für mich alles, was ein guter Sänger braucht: Er ist extrem ausdrucksstark, scheut sich auch nicht, mal irgendwo drüber zu sein, dazu ist er vielfältig und er hat einen sehr guten Sinn für Dramatik und Theatralik.

Er war auch wirklich meine erste Wahl und es freut mich sehr, dass er hier gleich Feuer und Flamme war, sich wirklich reingekniet hat und auch jetzt noch mit vollem Elan dabei ist – das ist sehr wichtig und manchmal schiebt er mich sogar ein bisschen an – danke hierfür, Dirk!

Was hat Dirk in der Zeit nach „Pro-Depressiva“ getrieben? Um ihn ist es sehr ruhig geworden – war er somit gleich wieder on fire, ein neues musikalisches Abenteuer zu erleben?

Das stimmt wohl. Er hat zwar weiterhin Musik gemacht, aber hatte keinen offiziellen Labelrelease. Momentan hat er aber mit ALLVATERS ZORN und VOYAGER3 zwei weitere Projekte, denen er ambitioniert nachgeht. Und für KOHLRABENSCHWARZ war er auch sofort Feuer und Flamme.

Besonders schön finde ich, dass die Akustikgitarre so prägnant auf dem Album ist und kein Gimmick. Sie steht teilweise sehr gleichberechtigt neben der E-Gitarre. Bernhard war auch Teil von BALD ANDERS; war es daher naheliegend und von Anfang an dein Plan, ihn ins Line-Up aufzunehmen?

Die Akustikgitarre war von Anfang an eines der Hauptinstrumente – dafür kommt sie leider fast ein wenig kurz. Lieder wie „Erinnerungen“ oder „Der Weg nach unten“ sind fast komplett aus einer Idee an der Akustischen heraus entstanden und „Donnerwetter“, „Der Weg nach unten“ und „Der letzte Schrei“ habe ich definitiv zuerst so gespielt.

Ich finde Akustikgitarre, vor allem die Nylonversion wie sie hier verwendet wurde, ein wirklich großartiges Instrument, das ich leider viel zu lange vernachlässigt habe – hier ist es nun auch ein bisschen ein Lackmustest: wenn was akustisch gut klingt, kann es so schlecht nicht sein.
Aber es war auch klar: Ich kann das nicht gut genug, das muss wer vom Fach machen und da lag Bernhard schon nahe.

Kohlrabenschwarz visual (c) House of Inkantation
Kohlrabenschwarz visual (c) House of Inkantation

KOHLRABENSCHWARZ wirbt damit, dass du bei LUNAR AURORA warst, aber die Musik ist trotz der Genrezugehörigkeit eine ganz andere, viel direkter und bodenständiger. War es Dir wichtig, dich von LUNAR AURORA abzuheben, oder kam das ganz automatisch, auch durch das Älterwerden?

Die Verbindung zu LUNAR AURORA hätte ich selber überhaupt nicht hergestellt – das kommt vom Label und aus deren Sicht ist es natürlich verständlich, das mitzunehmen.

Aber für mich ist das so lange her und musikalisch mache ich schon so lange so vieles anders, dass da eigentlich überhaupt keine Verbindung besteht – nicht mal die, mich abgrenzen zu wollen.

Es gibt viele bemerkenswerte Songs auf „Im finstren Tal“. Allen voran „Tundra“ mit einer starken Western- bzw. Alternative Country-Atmosphäre durch die Akustikgitarre und die Black ´n´ Roll-Ausrichtung. Gibt’s eine Story zu dem Song?

Das ist der einzige reine „storytelling“ Song auf dem Album – ich hab keine Ahnung mehr, wo das Anfangsriff herkommt, es ist aber wohl das einzig „echte“ Riff auf dem Album, das nicht auf einer harmonischen Progression aufbaut.

Die grundlegende Textidee stand übrigens mal für „Jagdnacht“ von BALD ANDERS zur Auswahl, aber ich hab ihn damals nicht fertig bekommen und der Text von Benjamin war dann eh der Bessere. Aber möglicherweise kann man immer noch Ähnlichkeiten erkennen – dieses Thema Dampflok in verschneiter Landschaft wird von Wölfen gejagt, ist ja tausendmal durchgekaut, aber irgendwie, finde ich, kann man das recht gut mit einem rollenden, schiebenden Sound verbinden. Letztlich steht aber hier wirklich das Black´n´Roll Element im Vordergrund… Davon möchte ich in Zukunft bisschen mehr machen.

Am Anfang und am Break vor dem Schluss hört man übrigens eine Resonatorgitarre, die hat Bernhard beigesteuert, der hat eh viele außergewöhnliche Instrumente. Mal schauen, vielleicht kann ich damit in Zukunft auch wieder arbeiten.

“[…]da tut es halt gut, was hinrotzen zu können, was genau so wie es ist, auf Anhieb passen darf!” – Constantin König über den spontanen Charakter von KOHLRABENSCHWARZ’ Debütalbum „Im finstren Tal“.

Auch wenn die Songs recht kompakt sind, schaffen sie es in relativ kurzer Zeit starke Spannungsbögen aufzubauen. Besonders zu Herzen gehen dabei „Erinnerungen“ und „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ mit diesen packenden Harmonien. Haben sich die Songs so ergeben, oder hast du bewusst auf eine Klimax hin komponiert?

Ich denke schon, dass eine Progression in den Liedern Teil meiner Art ist, zu komponieren und zu arrangieren – ohne, dass das jetzt besonders ausgefeilt wäre, aber mir ist bei dem oft sehr schlichten Ausgangsmaterial wichtig, den Raum, den das bietet, auch zu nutzen und kleine Varianten einzubauen und nach und nach das Ganze anzureichern. Das ist aber nur ein kleiner Teil, vieles davon macht der Gesang aus, denke ich – das meinte ich, als ich sagte, Dirk hat einen guten Sinn für Dramatik, er kann gut feine Progressionen in Liedern aufgreifen und noch mal schön verstärken.

Am Ende steht „Dunkler Stern“ und hat doch ein wenig LUNAR AURORA-Atmo, wirkt ein wenig abstrakter als die restlichen Songs durch die Keyboards und die Riffs. Ein Tribut an die damalige Zeit?

Du hast Recht, hier gibt es sogar wirklich einen Aspekt, der ganz explizit eine Verbindung zu LUNAR AURORA hat: die Flächen, die man da hört, kommen von einem Yamaha PSR-73, das ist eigentlich ein ziemlich billiges Keyboard, war aber das, das bei den ersten beiden LUNAR AURORA-Demos zum Einsatz kam.

Was diesen Song etwas aus der Reihe tanzen lässt: Er war eigentlich für BALD ANDERS geschrieben, da natürlich ohne Blastbeats und so, ich habe aber schnell gemerkt, dass das eigentlich ein Black Metal-Lied ist, und mit diesem Gedanken ist überhaupt erst die Idee entstanden, Black Metal zu machen.

Zwischendurch gibt es mit „Am Ende der Nacht“ ein instrumentales Akustik-Stück. Hat Bernhard das Lied geschrieben?

Nein, das habe auch ich geschrieben – und sogar selber gespielt, da das Lied nach den eigentlichen Aufnahmen dazugekommen ist und ich schlicht zu faul war, das noch jemandem zu zeigen und es dann auch langsam schnell gehen sollte.

blank
Constantin König / KOHLRABENSCHWARZ (c) House of Inkantation

„Im finstren Tal“ hat eine Menge Facetten, die Songs sind stilistisch breit aufgestellt, und gleichzeitig sehr kompakt, mit Fokus auf Riffs und Leadgitarren. Sind KOHLRABENSCHWARZ also das Ergebnis aus deinen Wurzeln und der neuen Art des Songwritings, die du mit BALD ANDERS betrieben hast?

Interessant, dass Du KOHLRABENSCHWARZ stilistisch breit aufgestellt siehst – es war eigentlich gar nicht so angelegt und ich gehe auch oft sehr ähnlich vor: Meist gibt es eine harmonische Progression an der Akustischen und davon ausgehend entwickelt sich das Lied – eigentlich ähnlich wie ein Popsong, der ja auch oft lediglich auf einer 4-Akkord-Folge basiert und das durchkaut.

Ich denke, dass eher diese stark reduzierte Formel ein Resultat daraus ist, dass ich mich auf Basics im Songwriting konzentrieren und sehr klassisch vorgehen wollte: eine Rhythmusgitarre, Leadgitarre, Bass, Schlagzeug und dann die Stimme, als Gimmick noch die Akustikgitarre. Das hebt das Ganze doch von den Klangkulissen bei BALD ANDERS stark ab und das war teilweise auch so beabsichtigt. Ich habe mal wo gehört: „Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn man nichts mehr hinzufügen, sondern wenn man nichts mehr wegnehmen kann“. Das stimmt natürlich nicht für jede Musik, ich mochte die Opulenz und überbordende Verspieltheit von BALD ANDERS, aber hier finde ich mich eben in der sehr klaren, einfachen Sprache wieder, die, denke ich, auch sofort und ehrlich klar macht, woran man ist.

Das Cover ist sehr stimmungsvoll, passt zur Musik, zur Atmosphäre, den Lyrics und auch eurer Herkunft. Was verbindest Du mit dem Artwork?

Ich hab mir über die optische Repräsentanz von KOHLRABENSCHWARZ sehr spät Gedanken gemacht. Bei den Portraits habe ich sowieso versucht, mit besonderem Licht Gesichter auf eine sehr rohe, direkte, wenig schmeichelhafte, aber dadurch intime und schonungslose Art darzustellen – das, denke ich, ist am ehesten das, was die Musik auch ist.

Eine mögliche Metapher, mit der man KOHLRABENSCHWARZ in der realen Welt darstellen könnte, ist das Leben des größten Teils der Bevölkerung im 19. Jahrhundert – besonders, da ich da einfach ein bisschen Einblick habe, Bergbauern: Es war in meiner Vorstellung ein entbehrungsreiches Leben, immer am Rande des Elends, eine Missernte, ein totes Stück Vieh und dein Kind verhungert, mühsam, freudlos und ich glaube, das „finstre Tal“ war immer direkt vor der Almtür. Wenn einen was am Leben erhalten hat, dann viel Aberglaube, Dislozierung vom allzu Menschlichen in der eigenen Psyche und die Hoffnung an Erlösung im Jenseits – das findet man ja bisweilen heute noch.
Auf jeden Fall ist das Grausame, was man z.B. bei dem Bild des aufgehängten Raben als Vogelscheuche sieht, was vor 20 Jahren in der ländlichen Gegend hier völlig normal war. Das ist ein ganz gutes Abbild hiervon und auch die eigentlich menschenfeindlichen Berge, vor allem wenn nicht gerade Almsommer am Tegernsee ist…

“Wenn einen was am Leben erhalten hat, dann viel Aberglaube, Dislozierung vom allzu Menschlichen in der eigenen Psyche und die Hoffnung an Erlösung im Jenseits – das findet man ja bisweilen heute noch.” – Von wegen Postkartenidyll, Constantin König sieht ein ungeschöntes Bild seiner präalpinen Heimat.

Physisch erscheint „Im finstren Tal“ nicht auf Vinyl, nur auf CD und Tape, wobei die handgemachte CD-Version sehr schön ist. Was sprach gegen Vinyl?

Mit den ganzen Releasethemen habe ich quasi nichts zu tun – das macht alles Martin bei HOUSE OF INKANTION. Bisher war natürlich überhaupt nicht klar, welche Form des physischen Tonträgers sich überhaupt lohnt – inzwischen wissen wir aber mehr, und somit wird es sehr wohl auch Vinyl geben. Wann genau, weiß ich aber leider nicht.

Wie geht’s jetzt für KOHLRABENSCHWARZ weiter? Werdet ihr weitere Musik aufnehmen und eventuell auch live auftreten?

Erst mal: Enrico und Thomas sind aus zeitlichen Gründen leider nicht mehr dabei. Wir haben uns aber inzwischen neu aufgestellt und wir werden recht bald Genaueres veröffentlichen. Wir möchten auf jeden Fall live spielen und ein paar Optionen haben wir auch schon und von einem neuen Album ist auch schon vieles an Musik und Texten geschrieben. Mein Plan ist, diesmal vor den Aufnahmen dem Material ein bisschen mehr Möglichkeiten zum Reifen zu geben – ich glaube zwar nicht (und möchte es auch gar nicht), dass wir hier alle Lieder nochmal umkrempeln, denn was ich bisher habe, hat im Großen und Ganzen schon sehr viel von dem, was ich haben möchte. Aber ich möchte sie zumindest mal geprobt haben um vielleicht Schwachstellen zu finden, vor allem aber möchte ich diesmal ein bisschen mehr Varianz über den Song hinweg erreichen und gerade ruhigere Passagen deutlich organischer haben – da finde ich, wäre auf „Im finstren Tal“ noch deutlich mehr gegangen.

Vielen Dank für Deine Zeit und Deine Antworten. Wenn Du noch was loswerden willst, bitte gerne!

Danke Dir für das gute Interview, es hat mir Spaß gemacht. Mal schauen, was nun die Zukunft bringt!

 

Bildmaterial: (c) HOUSE OF INKANTATION

Cookie Consent mit Real Cookie Banner