„Helldorado“ überrascht an einigen Stellen, so viel Countrysongs gab’s noch nie auf einem SPIRITWORLD-Album.
Es ist das erste Mal, dass ich meine musikalischen Einflüsse so offen zeige, „Helldorado“ ist das bislang vollkommenste SPIRITWORLD-Album.
Western-Elemente gab’s ja früher schon, auf dem ersten Album „Pagan Rhythms“ zum Beispiel den Song „The Demon Storm“, das Outro, oder „Ritual of Human Sacrifice“, eine Art pervertierter Gospel-Song.
Das ist der größte Unterschied zwischen den beiden anderen Alben und „Hellpodorado“: Was früher nur eine ein Zwischenspiel oder ein Teil eines Songs war, ist jetzt ein vollständig ausgearbeiteter Track. Das Album wird dadurch dynamischer. Ich hatte viel Spaß beim Songwriting. Ich liebe es, harte Sachen zu schreiben, aber ich spiele auch gerne meine Telecaster oder greife zur Akustikgitarre. Die Freiheit zu haben, einfach verschiedene Dinge auszuprobieren, ist etwas Wunderbares.
„Helldorado“ soll das letzte Album einer Trilogie sein.
Ja, so war das geplant. Ursprünglich dachte ich, dass ich alles Trilogie beende, weil Trilogien einfach cool sind. Das passt ja auch zur Western-Tradition, in der ein Charakter in drei Filmen eine zusammenhängende Geschichte erlebt. Aber: Ich mag dieses Album wirklich sehr. Und wenn ich jetzt zur Gitarre greife – ich habe mir eine Lap-Steel-Gitarre gekauft, mit der ich viel herumexperimentiere – dann entsteht einfach noch mehr Material in dieser Mischung aus Country, Rockabilly und Heavy Metal. Es könnte also durchaus ein viertes Album geben. Wenn ich inspiriert bin, dann folge ich diesem Gefühl.
„Pagan Rhythms“, „Deathwestern“ und „Helldorado“ beruhen auf deinen Kurzgeschichten, die zum Teil schon unter dem Titel „Godlessness“ veröffentlicht wurden. Worum geht es dabei?
Die Handlung spielt in einer fiktiven Western-Welt, um die 1860er Jahre in den USA, unten in Texas, an der Grenze zu Mexiko. Plötzlich erscheint ein riesiger, roter Mond. Daraufhin beginnen eine Menge verrückter, okkulter Dinge zu passieren. Verschiedene Charaktere versuchen, in dieser apokalyptischen Endzeit zu überleben. Schließlich finden sie die Tore zur Hölle. Es tauchen Dämonen auf, und Kreaturen aus der Unterwelt steigen empor. „Helldorado“ spoilert einige Teile der Geschichte, ich arbeite gerade daran, alles als Buch zu veröffentlichen.
Mit diesen Projekten will ich verschiedene Erzählweisen nutzen – sei es mit der Gitarre, mit den Musikvideos, die wir machen, mit den Büchern, die ich schreibe, oder mit unserer Live-Performance. Wir versuchen, die Leute ein Stück weit in diese Welt hineinzuziehen.
Du hast bei „Godlessness“ mit Riley Gale von POWER TRIP zusammengearbeitet.
Riley – möge er in Frieden ruhen, es ist ein großer Verlust, dass er nicht mehr lebt. Wir kannten uns schon sehr lange. Riley kam zu den Shows meiner Hardcore-Band FOLSOM, als er noch in der Highschool war. Bevor „Pagan Rhythms“ herauskam, wollte ich eigentlich nur ein zehnseitiges Magazin mit der Geschichte zum Album machen. Aber es wurde mehr und mehr. Ich sprach mit Riley darüber. Er kannte sich aus mit professionellem Schreiben und war sehr interessiert an Graphic Novels, kreativer Schreibarbeit – und er konnte lektorieren. Ich schickte ihm den ersten Entwurf. Ich hatte lange Zeit nichts mehr geschrieben, er hat mir sehr geholfen. Er wies er mich auf Sachen hin wie: „Yo, du musst einen einheitlichen Standard für deine Dialoge festlegen.“ Und er nahm mir die Angst vor dem Schreiben. Kurz bevor er starb, hatte ich ihm die finale Version des Buchs geschickt. Zehn Tage später habe ich erfahren, dass er gestorben ist. Ich vermisse Riley. Er wurde viel zu früh aus dem Leben gerissen. Aber ich bin froh, dass wir eine gemeinsame Zeit hatten. POWER TRIP sind die wichtigste Crossover-Band seit Anthrax und CRO-MAGS, für mich sind sie genauso wichtig wie SLAYER.
Obwohl du alle Songs alleine schreibst, arbeitest du regelmäßig mit anderen Musikern zusammen. Dwid Hellion von INTEGRITY hatte einen Gastauftritt auf Deathwestern und auch auf den neuen Album sind Musiker anderer Bands zu hören.
Dwid Hellion ist wichtig für mich – bin mit den Bands von Victory Records wie INTEGRITY, STRIFE, RINGWORM, HATEBREED aufgewachsen und liebe sie. Sie haben meine Liebe zur aggressiven Musik wirklich geprägt, nachdem ich Thrash und die Florida-Death-Metal-Szene entdeckt hatte. Ich habe INTEGRITY vor 20 Jahren für eine Show auf einem Schrottplatz gebucht und hätte mir nie vorstellen können, dass ich Dwid dazu bekomme, auf einer meiner Platten mitzumachen. Und INTGRITY haben uns auch mit auf Tour genommen!
Ich schreibe alles alleine, in Isolation. Ich probe nicht mit einer Band. Ich habe eine Live-Band, aber wir sind über verschiedene Orte verstreut. Wir treffen uns nicht zum Proben, sondern jammen einfach. Und trotzdem habe ich manchmal das Gefühl, dass andere auch etwas beitragen, alles ein bisschen besser machen können. Dann frage ich einfach Freunde oder Leute, deren Arbeit ich bewundere. Und es war wirklich cool zu sehen, was sie aus einigen meiner Songs machen.
Auf „Helldorado“ sind Zach Blair (RISE AGAINST), Frederic Leclercq (KREATOR) und Sgah’gahsowáh (BLACKBRAID) zu hören – eine ganz schön vielseitige Auswahl.
Ach, das mit diesen Genres… Ich verstehe es, wenn jemand Black Metal liebt, in seiner Black-Metal-Phase ist und keine Bands hören kann, die nicht den pursten Black Metal machen. Aber ich habe mich in so viele verschiedene Arten von Musik verliebt – und deshalb sind auch so verschiedene Leute aus so verschiedenen Bands zu hören. Und ich war total überrascht, wie gut ihre Parts jeweils die Songs ergänzen. Stell dir vor, du bekommst nur einen fast fertigen Song und weißt nicht viel über den Rest des Albums – dann musst du überlegen, was dort hineinpasst. Es ist eine großartige Fähigkeit, wenn man das kann. Die Songs schickte ich einmal quer über den Kontinent zu John in New York, zu Zach in Austin. Musik kann diese Entfernungen heutzutage einfach überwinden.
Ihr wart mit KREATOR auf Tour, mit SEPULTURA. Und als Nächstes steht eine Tour mit OBITUARY und NAILS an. Wie reagieren die Leute auf eure Bühnenpräsenz? Euer Outfit ist recht untypisch für eine Metal-Band.
In den USA kennt man die glitzernden Nudie Suits mit den Strasssteinen, sie gehören zum kulturellen Erbe. Die Leute hier verstehen vielleicht nicht unbedingt, warum eine Metal-Band sie trägt, aber der Anblick ist ihnen vertraut. Trotzdem habe ich das Gefühl, wenn wir auf die Bühne kommen, gibt es immer ein paar, die denken: „Oh, das ist irgendeine alberne Gimmick-Scheiße, das kann ich nicht ernst nehmen.“ Spätestens in der Mitte des Sets haben wir sie dann aber überzeugt und sie denken: „Okay, ich verstehe das nicht so ganz, ich weiß nicht, was das für ein komisches Theater-Ding ist… Aber verdammt, diese Riffs sind echt gut!“ In Europa ist das anders, da ist der Überraschungseffekt viel größer. Doch wenn du authentisch bis und zeigst, dass du liebst, was du machst, dann mögen dich alle. Egal, was du anhast.
Du hast schon angesprochen, dass dir auch der visuelle Aspekt wichtig ist. Wenn du unbegrenztes Budget hättest, wie würde deine Bühnenshow aussehen?
Ich würde die Sphere in Las Vegas mieten, das ist eine der größten halbkugelförmigen Hallen der Welt. Und dann hätte ich eine gigantische Videowand, die das Publikum direkt in diese ferne Welt hineinzieht. Die Leute sollen sich fühlen, als wären sie in einem Horror-Western. Wenn es um Festivals geht: Ich liebe Bühnenshows von Bands wie KREATOR, BEHEMOTH oder AMON AMARTH, sie nutzen die moderne Bühnentechnik ziemlich clever und erschaffen eigene Welten. Ich will riesige brennende Kakteen auf der Bühne haben, Dämonen, ein komplettes Spektakel. Nach drei Stunden sollst du das Gefühl haben, dass Blut und Staub an dir kleben.
Hast noch letzte Worte?
Das Wichtigste, was ich sagen möchte, ist: Seid nett zueinander. Die Welt ist voller Konflikte – besonders in den USA. Und deshalb rate ich jedem: Seid freundlich zueinander. Man weiß nie, was jemand gerade durchmacht. Ich habe das Glück, dass Menschen auf der ganzen Welt mich unterstützt und mir Freundlichkeit gezeigt haben. Deshalb glaube ich nicht an all diese Unterschiede, von denen uns immer gesagt wird, dass wir sie haben. Ich hoffe, wir können bald wieder nach Europa kommen, ich vermisse es, auf großen Festivals herumzuhängen und Baguettes zu essen. Und Danke, dass ich meinen Donut während des Interviews frühstücken konnte!