TRICK OR TREAT: Tin Soldiers

Ein durchschnittliches Melodic Speed Metal-Album, das mit viel Leidenschaft inszeniert wurde, aber nicht aus dem Schatten der Kürbiskopf-förmigen Vorbilder hervorzutreten vermag.

Nach langer Zeit legte ich neulich das Album Garden Of Eden von CHROMING ROSE auf und war überrascht, wie gut dieses seinerzeit von mir eher als schwach eingestufte Werk klang. Natürlich ziehen sich die HELLOWEEN-Parallelen wie ein roter Faden durch die Lieder. Aber immerhin macht Sänger Gerd Salewski eine ausgezeichnete Figur: hohe Schreie, hohe Melodien, Hauptsache hoch. Halt, Moment! Das Gequicke kommt stets wohl dosiert zum Einsatz. Die meiste Zeit über bewegt sich der Gesang in erstaunlich tiefen Gefilden für Melodic Speed Metal-Verhältnisse. Und dann sind da noch die Gitarren: Abwechslungsreiche Ideen werden hier als selbstverständlich angesehen. Flottes Riffing geht fast nahtlos in zweistimmige Leads über. Zwischendurch geben Breaks einem die Möglichkeit zu verschnaufen, ehe melodische Soli sich in den Mittelpunkt drängen.

Was haben CHROMING ROSE nun mit TRICK OR TREAT zu tun? TRICK OR TREAT aus Italien liefern mit ihrer zweiten CD Tin Soldiers ein völlig durchschnittliches Melodic Speed Metal-Album ab, das für sich genommen nett klingt. Im direkten Vergleich mit einem 18 Jahre alten Durchschnittsalbum wie Garden Of Eden zieht es jedoch ganz klar den Kürzeren. Waren HELLOWEEN-Vergleiche früher ein Vorwurf, so scheint man heute ein Qualitätsmerkmal daraus machen zu wollen. Bei TRICK OR TREAT kommt die Ähnlichkeit nicht von ungefähr; schließlich begann die Gruppe als Coverband der Hamburger Kürbisköpfe. Stilistisch orientieren sich die Eigenkompositionen nun sehr stark an den Vorbildern. Doch nahezu alle wesentlichen Vorzüge der alten HELLOWEEN fehlen einfach. Klar, der Gesang ist hoch und ausdauernd. Die Band ist außerdem gut aufeinander eingespielt und immer wieder wird ordentlich aufs Gaspedal gedrückt. So klingt der Opener Paper Dragon streckenweise richtig gut. Der Charme ist jedoch völlig auf der Strecke geblieben. Die Leidenschaft des Gesangs wird von seiner Eintönigkeit mühelos übertroffen. Die Gitarren verfallen zu häufig auf monotones Ein-Akkord-Geschrubbe anstatt Hooklines und gegenläufige Melodien einzustreuen. Die Rhythmusgruppe ist bei allem Druck, den sie erzeugt, einfach zu glatt. Ingo Schwichtenberg war kein cooler Metal-Schlagzeuger, weil er ultrapräzise den Takt vorgab. Er machte seinen Vorderleuten einfach Feuer unterm Arsch; er trommelte ohne Angst vor Übermut. Da klang nicht jeder Bassdrum-Schlag gleich. Da konnte man nicht die Uhr nach stellen. Und das war gut so.

Würde heutzutage ein Album wie das (rundum gelungene) CHROMING ROSE-Debüt Louis XIV erscheinen, klängen CDs wie Tin Soldiers im Vergleich dazu einfach nur eindimensional, platt und langweilig. Vieles wirkt im ersten Moment durchaus ansprechend. Aber der Geschmack verblasst, bevor der jeweilige Song zu Ende ist. DRAGONFORCE loten wenigstens neue Extreme aus und die jüngeren Veröffentlichungen von HAMMERFALL, GAMMA RAY und Co. profitieren wohl oder übel noch der Nostalgie, die man mit den Bandnamen verbindet. TRICK OR TREAT, die zumindest mit dem humorvollen Titel ihres Debüts (Evil Needs Candy Too) aufhorchen ließen, stehen dagegen im Schatten ihres großen Vorbilds und investieren ihre Energie an den falschen Stellen. Einzelne Elemente wurden bis zur Perfektion ausgefeilt. Der permanent hohe Gesang wirkt dabei schon nach wenigen Minuten unnatürlich. Die Gitarren spielen im Prinzip zu sauber und zu organisiert. Hätte sich der Heavy Metal aus Elektro-Wurzeln entwickelt, wäre so etwas nachvollziehbar und verständlich. Doch die organische Grundlage der Club-Bühne, die Melodieverliebtheit der NWoBHM, die Härte des US-Metal – das alles fehlt. So helfen dann auch die Gastauftritte von Michele Luppi und Michael Kiske wenig. Beide sind in den starren Strukturen der Musik gefangen.

Tin Soldiers ist ein typisches Beispiel für ein Album, bei dem ich unweigerlich das Gefühl bekomme, schon viel zu lange Heavy Metal zu hören. Vor 15 Jahren hätte ich dieselbe Musik ungleich euphorischer aufgenommen und von einem durchaus lohnenswerten durschnittlichen Album gesprochen. Aber selbst dann würde ich heute zurückschauen und nichts mehr damit anfangen können, während mir CHROMING ROSE-Songs wie Music Is The Gate oder Heroes Of The Modern World auch heute noch gut gefallen.

Veröffentlichungstermin: 18.05.2009

Spielzeit: 47:49 Min.

Line-Up:
Alessandro Conti: Gesang
Luca Cabri: Gitarre
Guido Benedetti: Gitarre
Leone Villani Conti: Bass
Mirko Virdis: Schlagzeug

Label: Valery Records

Homepage: http://www.trickortreatband.com

MySpace: http://www.myspace.com/trickortreatband

Tracklist:
1. A Night In The Toyshop
2. Paper Dragon
3. Take Your Chance
4. Freedom
5. Hello Moon
6. Elevator To The Sky
7. Loser Song
8. Tears Against Your Smile
9. Final Destination
10. Tin Soldiers Pt. 1
11. Tin Soldiers Pt. 2

Total
0
Shares
WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner