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RAMMSTEIN: Mein Teil

Ich kann verstehen, wenn jemand über schwarzen Humor und Textzeilen wie „Heute treff´ ich einen Herrn, der hat mich zum Fressen gern“ oder „Weiche Teile und auch Harte stehen auf der Speisekarte“ nicht lachen kann. Ich kann es jedenfalls. Aber dafür möchte ich nicht verurteilt werden. Von niemandem!

Der Aufschrei der empörten und geschockten Moralapostel und Weltverbesserer in den deutschen Feuilletons dieser Republik ist mal wieder groß. Ekelhaft, dreiste Skandalinszenierung, perverse Verherrlichung – so und ähnlich berichteten „Bild“, „Spiegel“ und andere „seriöse“ Blätter und Meinungsmacher. Der Grund? RAMMSTEIN haben mit „Mein Teil“ eine neue Single (die es als Maxi-Single im Jewelcase, als Limited Edition im Digipak und als Pock-it gibt) veröffentlicht. Was hat die Schweriner-Berliner Connection in einer Zeit verbrochen, in der Fotos von toten Soldaten und nicht weniger toten Zivilisten ohne Skrupel auf die Titelblätter der Boulevardpresse gepackt werden oder irgendwelche unwichtigen, in Kuhscheisse stehenden/sitzenden/badenden Z-Promis ebenfalls den Sprung auf Seite Eins schaffen?

Richtig, sie haben sich eines realen (!!) Themas angenommen. Einer Geschichte, die (so unglaublich und pervers diese ist und klingt) einfach nur tatsächlich passiert ist. RAMMSTEIN vertonen den Fall „Armin Meiwes“ – bekannt als der „Kannibale von Rothenburg“. Armin Minchen Meiwes wuchs ohne Vater auf und lebte zusammen mit seiner herrischen Mutter, die einen extremen Hass auf Männer hatte. Meiwes hatte nie feste Beziehungen und Partnerschaften – dafür aber äußerst kranke Phantasien. Die letzten Dämme brachen im September 1999 nach dem Tode seiner Mutter. Meiwes, der sich (später vor Gericht) bei Äußerungen wie Ich denke, dass es keinen großen Unterschied macht, ob ein Schwein oder ein Mensch geschlachtet wird nichts dachte, suchte im Internet Menschen, die sich gerne schlachten und essen lassen wollten.

In der Nacht vom 9. auf den 10. März 2001 war es soweit. Er traf sich mit seinem freiwilligen (!!!!) Opfer – dem Berliner Bernd Jürgen Brandes.

Meiwes (der vor Gericht Unverständnis darüber äußerte, dass Kannibalismus nicht legal ist) schnitt seinem mindestens genauso kranken Gegenüber mit dessen Einverständnis den Schwanz ab, haute das gute wie tote Teil in die Pfanne und verspeiste Teile davon zusammen mit dem Ex-Besitzer des guten Stücks. Danach erstach und zerteilte Meiwes sein Opfer, aß später einige Körperteile des Toten (mit Pfeffersoße…) und fror den Rest ein.

So krank diese Geschichte auch ist, sie ist passiert. Und mir persönlich ist es völlig scheißegal, ob irgendwelche kranken Gestalten sowas veranstalten. Wenn BEIDE es wollen, sollen sie doch.

Und genau um diesen Fall geht es in Song und Video. Sicher, der Clip von Regisseur Zoran Bihac, (der bereits die Regie zu Links 2,3,4 führte) ist Geschmackssache und ich kann durchaus verstehen, wenn einige zartbesaitete Leute durch bewegte Bilder von Männern, die in Frauenkleidern rohes Fleisch in sich reinstopfen genauso abgestoßen werden wie von Oralverkehr-ausübenden Engeln, die nach dem Akt gerupft und getötet werden.

Ich PERSÖNLICH finde den Clip künstlerisch ziemlich ansprechend, zumal Band/Regisseur auf plumpe Splatter-Effekte verzichten. Ich kann es auch nachvollziehen, wenn jemand über schwarzen Humor und Textzeilen wie „Heute treff´ ich einen Herrn, der hat mich zum Fressen gern“ oder „Weiche Teile und auch Harte stehen auf der Speisekarte“ nicht lachen kann. Ich kann es jedenfalls. Aber dafür möchte ich nicht verurteilt werden. Von niemandem…

Musikalisch ist der Song eigentlich nichts anderes als ein typischer RAMMSTEIN-Track, auch wenn der immer noch an LAIBACH erinnernde Gesang von Till Lindemann in den Strophen etwas verzerrter als in der Vergangenheit rüberkommt. Ansonsten gibt’s eine fette Gitarrenwand, einen bombastischen Sound, flächendeckende Keyboardpassagen, spartanisch eingesetzte Samples, die Mischung aus Heaviness und Tanzbarkeit, leise Strophen und einen lauten Refrain. RAMMSTEIN-Business as usual also. Und zwar ein so gutes, dass das Warten auf das neue Album schon jetzt beinahe unerträglich ist.

Neben dem eigentlichen Titelsong gibt es noch drei Remixe. Gleich zwei davon stammen von den PET SHOP BOYS. Beide sind wesentlich tanzbarer als das Original und könnten auch (zumindest was den There Are No Guitars On This Mix-Mix) problemlos in den House- oder Tranceschuppen dieser Republik laufen. Das gilt auch für den siebeneinhalbminütigen „The Return To New York Buffet“-Mix von Arthur Baker (ein international bekannter US-Produzent, der bereits für BOB DYLAN, BRUCE SPRINGSTEEN, die BEASTIE BOYS oder NEW ORDER arbeitete, der ebenfalls tanzbar, aber auch vielleicht einen Tick zu lang (weil zu wenig abwechslungsreich) geworden ist.

Ein mehr als gelungener Vorbote des neuen Albums.

Veröffentlichungstermin: 26.07.2004

Spielzeit: 23:15 Min.

Line-Up:
Richard Kruspe (Guitar)

Paul Landers (Guitar)

Till Lindemann (Vocals)

Flake Lorenz (Keyboards

Oliver Riedel (Bass)

Christoph Schneider (Drums)

Produziert von Jacob Hellner
Label: Motor Music / Universal

Homepage: http://www.rammstein.de

Tracklist:
1. Mein Teil

2. Mein Teil (You Are What You Eat Edit) –

Remix by the Pet Shop Boys

3. Mein Teil (Return to New York Buffet Mix) –

Remix by Arthur Baker

4. Mein Teil (There Are No Guitars on This Mix) -Remix by the Pet Shop Boys

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