PUDDLE OF MUDD: Re:(Disc)overed

Virtuose Eigeninterpretation, wie sie uns TORI AMOS einst auf “Strange Little Girls” schenkte, will und kann einfach nicht jeder zustande bringen, aber sowas wie “Re:(Disc)overed”…ist auch für etwas gut.

Als PUDDLE OF MUDD 2002 mit ihrem Major-Debüt “Come Clean” über den großen Teich kamen, wurden sie nach allen Regeln der Kunst als der nächste große Stern am Post-Grunge- / Alternative-Rock-Himmel abgefeiert. Sogar Vergleiche mit den Grunge-Göttern NIRVANA hat man angestellt. Von den vier Singleauskopplungen des Millionensellers avancierten insbesondere “Blurry” und “She Hates Me” zu Megaerfolgen. Auch Hierzulande tappte man eine ganze Weile regelmäßig in die “Schlammpfütze”, hatte doch gefühlt jede dritte Cover-Rock-Kapelle zumindest “She Hates Me” in ihr Programm aufgenommen. Supereingängig, einfach gestrickt und im Refrain voll auf die Zwölf, da steppte der Bär im Dorffestzelt.

Nach diesem Einstand nach Maß war die Karriere der Meat-And-Potatoes Rocker für die meisten “Fans”, zumindest jenseits der USA, aber auch schon wieder beendet. Wer die Band um Grunge-Röhre Wes Scantlin richtig ins Herz geschlossen hatte, erfreute sich dagegen auch am Nachfolger “Life On Display”. Dieser schaffte es zwar nicht mit der Hitdichte seines Vorgängers mitzuhalten, ist mir aber als das musikalisch reifere Post-Grunge-Album in guter Erinnerung geblieben. Auf den Alben Nummer fünf und sechs, “Famous” und “Vol. 4: Songs In The Key Of Love & Hate”, zeigte die Formkurve der Band kontinuierlich nach unten. PUDDLE OF MUDD hatten sich mit zunehmenden Alter textlich zurück und musikalisch keinen Zentimeter weiterentwickelt. Zweiteres wäre ja nicht so tragisch, hätte sich die Band mit ihren Kompositionen nicht immer tiefer im faden Einerlei des US-Mainstream-Rock verloren. So waren PUDDLE OF MUDD auf dem besten Weg, vollkommen im Sog der Belanglosigkeit zu verschwinden. Da passte es wie Arsch auf Eimer, dass man Anfang des Jahres mit  “Icon” eine lieblos zusammengezimmerte Best Of-Compilation auf den Markt warf.

Wenige Monate später, bringt die Band nun “Re:(Disc)overed” auf den Markt. Eine Platte, auf der man ausschließlich fremdes Liedgut präsentiert. Die Interpretenliste liest sich wie eine breit aufgestellte Best Of ´70s Rock-Compilation: THE ROLLING STONES, NEIL YOUNG, AC/DC, STEVIE NICKS WITH TOM PETTY & THE HEARTBREAKERS, THE STEVE MILLER BAND, BILLY SQUIER, ELTON JOHN, FREE, BAD COMPANY, LED ZEPPELIN und JAMES GANG – auf der UK-Version des Albums, die auch Hierzulande vertrieben wird, gibt es mit “Cocaine” (im Original von J.J. CALE, hier hat man sich an der ERIC CLAPTON-Version orientiert) und “With A Little Help From My Friends” (im Original von THE BEATLES, hier stand die JOE COCKER-Version Pate) noch zwei zusätzliche Songs als Bonus. Mit dieser geballten Ansammlung von Alltime-Klassikern machen es sich PUDDLE OF MUDD schwer und einfach zugleich. Einerseits muss die Band aufgrund des hohen Bekanntheitsgrades der Originale damit rechnen, dass ihre Interpretationen besonders kritisch beäugt werden, andererseits hält man idiotensicheres Radiofutter in den Händen, mit dem man problemlos eine breite Masse ansprechen kann.

Genau diesen Radio-Braten scheint das Songauswahl-Komitee, bestehend aus Bandboss Wes Scantlin, Paul Phillips, Produzent Bill Appleberry (Keyboarder bei JAMES GANG) und Bandmanager Danny Wimmer auch gerochen zu haben. Es mag ja sein, dass es sich bei den ausgewählten Nummern allesamt um Bandfavoriten handelt, aber ausschließlich erfolgreiche Radiohits? Hm, da soll sich jeder selbst seinen Reim darauf machen. Wer jetzt glaubt, dass PUDDLE OF MUDD den alten Rock-Klassikern deutlich ihren Stempel aufgedrückt haben, wird enttäuscht sein. Dafür klammert sich die Band viel zu fest an die Originalversionen. Nichtsdestotrotz hat man es geschafft, die vorliegenden Neuaufnahmen mit einem modern-rockigen Touch zu versehen. Dies ist aber vielmehr der zeitgemäßen und für die Band ungewohnt üppigen Produktion zuzuschreiben, als irgendwelchen PUDDLE OF MUDD-spezifischen Klangcharakteristika. Wenn man es genau nimmt, könnte das Ding, mit Ausnahme der hier überraschend vielseitig tönenden Gesangsdarbietung von Bandboss Wes Scantlin, eigentlich von jeder professionellen Rockband eingezimmert worden sein. Variationen in den Arrangements existieren zwar, springen einen aber nicht unbedingt an. So wird vielen Zuhörern wohl gar nicht auffallen, dass man unter anderem bei “Gimme Shelter” das Tempo leicht angezogen und das Intro noch einmal für die Bridge ausgegraben hat, bei “Old Man” ein Gitarrensolo, sowie einen weiteren Chorus hinzugefügt und bei “The Joker” wiederum aufs Tempo gedrückt und der Nummer einen zusätzlichen Chorus spendiert hat. Mit den Bemühungen, die Vibes der Originale beizubehalten, hat man es für meinen Geschmack eindeutig übertrieben. So quetscht sich Wes Scantlin bei “T.N.T.” zwar beherzt die Eier bzw. Stimme, um Bon Scott ein wenig näher zu kommen, erhält dafür aber nicht den ersehnten Lohn, sondern die Erkenntnis, dass Mr. Scott wohl selbst heute noch die größeren Klöten hätte. Das die erklärten AC/DC-Fans dann aber unbedingt “Hey!” statt  “Oi!” singen müssen, will da irgendwie gar nicht ins Bild passen.

Wären hier nicht PUDDLE OF MUDD, sondern irgendeine Cover-Rock-Kapelle am Start, würde ich den Jungs zu einem professionellen, handwerklich erstklassig eingezimmerten und so wunderschön wie radiotauglich produzierten Coveralbum gratulieren. PUDDLE OF MUDD dagegen kann ich nur dazu beglückwünschen, dass sie auf dieser Platte mehr nach einem kurz angeleinten Produzenten-Puddel, als nach sich selbst klingen. 

So besteht der größte Verdienst von “Re:(Disc)overed” darin, dass PUDDLE OF MUDD ihre vermutlich nach wie vor überwiegend junge Zuhörerschaft mit diesen Klassikern vertraut machen und so auf eine Reise zurück in die großartige Vergangenheit der Rockgeschichte schicken. Bestimmt wird auch so manch älteres Semester zu Hause oder als Tourgast bzw. -begleitung seiner Zöglinge bei den Evergreens in Erinnerungen schwelgen, bis es dann wieder heißt: “She Fucking Hates Me”. Irgendwas haben PUDDLE OF MUDD mit dieser Veröffentlichung also doch richtig gemacht.

Veröffentlichungstermin: 03.10.2011

Spielzeit: 61:48 Min.

Line-Up:

Wes Scantlin – Vocals, Guitar
Paul Phillips – Guitar
Damien Starkey – Bass

Additional Musicians:
Piano and Hammond by Bill Appleberry
Drums by Jeff Bowders
Drums on “Funk #49” by Greg Upchurch
Bass and Lapsteel by Corey Britz
Additional Guitar by Justin Derrico
Guitar on “Funk #49” by Duane Betts
Harmonica by Johnny Rosa
Percussion by Nick Hughes
Guest Vocals on “Stop Draggin´ My Heart Around You” by BC Jean
Backing Vocals by Gia Ciambotti and Kim Yarbrough

Produziert von Bill Appleberry
Label: Goomba Music

Homepage: http://www.puddleofmudd.com
Mehr im Netz: http://www.facebook.com/puddleofmudd

Tracklist:

1. Gimme Shelter (The Rolling Stones)
2. Old Man (Neil Young)
3. T.N.T. (AC/DC)
4. Stop Draggin´ My Heart Around (Stevie Nicks with Tom Petty & The Heartbreakers)
5. The Joker (The Steve Miller Band)
6. Everybody Wants You (Billy Squier)
7. Rocket Man (Elton John)
8. All Right Now (Free)
9. Shooting Star (Bad Company)
10. D´yer Mak´er (Led Zeppelin)
11. Funk #49 (James Gang)
Bonus Tracks:
12. Cocaine ( J.J. Cale / Eric Clapton)
13. With A Little Help From My Friends (The Beatles / Joe Cocker)

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