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PIG DESTROYER: Book Burner

Willkommen in der Endzeit. Burn preachers, not books.

Provokation und Sinnhaftigkeit gehen oftmals nicht miteinander konform. Erinnerst du dich, als du damals dein erstes Bandshirt mit einer zersägten Leiche darauf trugst, wie deine Mutter schier ausflippte? Dann der Versuch der Beruhigung: Das ist ja nur Provokation, siehst Du nicht den sozialkritischen Zusammenhang? Ob das für Mutter schwer nachzuvollziehen war (wahrscheinlich), oder ob sie schlussendlich Verständnis (weniger wahrscheinlich) zeigte, als du bei Großmutters rundem Geburtstag mit diesem Shirt einliefst, ist eine Sache. Dass deine Mutter heute vielleicht Shades Of Grey (aus Provokation deinem Vater gegenüber?) liest, und du das nicht nachvollziehen kannst, ist die andere Sache. Und manche möchten gerne dieses Buch verbrennen, Alice Schwarzer vielleicht, weil es die Entwicklung der Emanzipation/Gleichberechtigung mit seichtem pornografischem Gewäsch bremst oder rückentwickeln lässt.

Spannen wir den Bogen zu einer Band, die sich nicht immer der schlauesten Provokation verschrieben hat, nämlich einer Band wie PIG DESTROYER, die sich ursprünglich COP DESTROYER nennen wollte, dann aber doch nicht den Mumm dazu hatte. PIG DESTROYER sind mittlerweile eine der Bands, die musikalisch wie konzeptionell gewachsen sind. Book Burner, das erste Lebenszeichen in fünfeinhalb Jahren, behandelt nun das, was manche mit Shades Of Grey tun möchten: Bücher verbrennen. Wenige Monate nach dem Tod von Ray Bradbury, der Fahrenheit 451, die lyrische Vorlage des Albums schrieb, greifen PIG DESTROYER wieder an, sind wütender, schneller und brutaler als auf Phantom Limb mindestens genauso gefährlich und irre wie zu Terrifyer. Gute Aussichten für Freunde der Band? Auf jeden Fall.

Scott Hull leitet mit seinen meist simplen und dissonanten Riffs durch das Album und MISERY INDEX-Schlagzeuger Adam Jarvis spielt so verflucht schnell, versiert und sauber, dass man seinen Vorgänger Brian Harvey gar nicht vermisst. Stark ist auch die Leistung von JR Hayes, der sein Geschrei angenehm variiert, nebst völliger Hysterie kotzt er sich auch die Seele aus dem Leib. Da hätte es die zahlreichen Gastsänger fast gar nicht gebraucht, auch wenn die bekloppte Kat einige Songs wie Eve durchaus aufwertet. Book Burner ist vor allem kompakt, die neunzehn Songs in etwas mehr als zweiunddreißig Minuten wirken wie ein Katalysator, die Wut verstärkt sich im Hörer zigfach, PIG DESTROYER entführen in eine fatalistische Gewaltspirale.

Zwischen den derben Blast Beats und Hochgeschwindigkeitsmomenten zeigen PIG DESTROYER, dass sie mehr können als nur drauf los zu ballern. Mit einer Menge Grooves und derber Moshparts bleibt die Gewalt stets bestehen, die Überforderung beim Hörer bleibt jedoch aus. Besonders wild sind Eve, Machavellian, The Bug, Burning Palm, Totaled und Permanent Funeral, wären alle Songs ebenso am Anschlag, Book Burner wäre kaum auszuhalten. Glücklicherweise beherrscht Scott Hull als Produzent und Songschreiber in Personalunion die Gratwanderung zwischen dreckiger Produktion und Transparenz, zwischen irren Riffs und Songtauglichkeit mit spielerischer Leichtigkeit. Das klingt spontan, impulsiv und simpel, ist aber garantiert harte Arbeit und fordert eine präzise Arbeitsweise.

Die stumpfe Seite der Provokation ist bei PIG DESTROYER nur noch gegeben, weil man sich fragt, warum statt einem Bassisten ein Typ für Elektronik in der Band ist, dessen Einsätze man so gut wie nie hört. Die gute Seite der Provokation an PIG DESTROYER ist, wenn man mit gebrochener Nase im Pit und blutender Oberlippe im Pit steht und plötzlich hinter den Grund all dieser Gewalt steigt, Frieden durch Lärm findet und feststellt, ein Teil der Gegenrevolution zur Dystopie zu sein, in der wir leben. Zu verstehen, dass ein verbranntes Buch zu mehr Leid führen kann, als ein brennender Mensch. Willkommen in der Endzeit. Burn preachers, not books.

Veröffentlichungstermin: 26. Oktober 2012

Spielzeit: 32:36 Min.

Line-Up:
JR Hayes – Vocals, Lyrics
Scott Hull – Guitar
Adam Jarvis – Drums
Blake Harrison – Electronics, Samples

Produziert von Scott Hull
Label: Relapse Records

Homepage: http://www.facebook.com/TheRealPigDestroyer

Mehr im Netz: http://www.myspace.com/therealpigdestroyer

Tracklist:
1. Sis
2. The American´s Head
3. The Underground Man
4. Eve
5. The Diplomat
6. All Seeing Eye
7. Valley Of The Geysers
8. Book Burner
9. Machiavellian
10. Baltimore Strangler
11. White Lady
12. The Bug
13. Iron Drunk
14. Burning Palm
15. Dirty Knife
16. Totaled
17. Kamikaze Heart
18. King Of Clubs
19. Permanent Funeral

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