Manchen Bands verzeiht man gerne, dass sie sich für ein neues Studio-Album Zeit lassen. Entweder, weil sich das Warten umso mehr lohnt, oder aber, weil sich der urtypische Stil so mancher Szene-Größen recht flott abnutzen könnte, würde jedes Jahr pünktlich zu Weihnachten ein neuer Lonplayer vorm Baum liegen. Im Falle des aktuellen PENDRAGON-Albums “Not Of This World” ist es eine diffuse Mischung beider Beweggründe, die mir mehr als nur ein anerkennendes Nicken ob der musikalischen Leistung der Briten abringt.
Zugegeben: Meine Begeisterung für PENDRAGON-Alben hielt sich in der Vergangenheit immer ein wenig in Grenzen. Die – fraglos perfekt inszenierte – harmonieschwangere Mischung aus urtypischem Brit Prog der zweiten Generation und den melodischen Sphärenklängen mittelalter PINK FLOYD überschritt in meinen Ohren immer wieder (und eindeutig zu oft) die Grenze vom virtuosen Wohlklang zur eher belanglosen Beliebigkeit. Hörte sich gut an, tat nicht weh, und war rasch wieder vergessen. Mostly harmless.
Der eher behäbige Veröffentlichungsturnus sorgte indes für mildernde Umstände, und irgendwie hatte ein neues PENDRAGON-Werk für mich stets etwas von einer alten, nicht allzu intensiven Schulkameradschaft, der man nach ein paar Jahren zufällig wieder über den Weg läuft: Ein freudiges Wiedersehen, ein paar nostalgisch-sentimentale Anflüge ob der gemeinsamen Vergangenheit, ein herzlicher Abschied und die unverbindliche Floskel, man könne sich ja mal anrufen. Und dann geht wieder jeder seiner Wege, mit einem kleinen Lächeln zwar, aber ohne zurückzublicken.
“Not Of This World” ist ein ausgezeichnetes Album
Doch diesmal ist es anders. Die fünf Jahre Studio-Auszeit, die sich Gitarrist, Sänger und Bandleader Nick Barrett gegönnt hat, machen sich mehr als bezahlt. Das Ergebnis legt den Verdacht nahe, Barrett habe die Jahre zu einer inneren Einkehr genutzt, so persönlich und direkt klingen weite Songteile auf “Not Of This World”. Und jene Passagen sind es, die dem Album fast durchgehend die Tiefe verliehen, die seine Vorgänger über zu weite Strecken haben missen lassen. Verspielte Sonnenschein-Harmonien und tausendmal gehörte MARILLIONismen nehmen nur mehr einen kleinen Teil der Gesamtspielzeit ein und überlassen die Bühne wundervoll ausschweifenden, melancholisch eingefärbten Gesangs- und Instrumental-Passagen, allen voran den charakteristischen Gitarrenarrangements Barrets, die die filigranen Akustikklänge eines Steve Hackett (ex-GENESIS) mit den sangesgleichen Leads eines David Gilmour (PINK FLOYD) kombiniert.
Im ungemein stimmungsvollen “If I Were The Wind (And You Were The Rain)” verdichtet sich dieser Ansatz gleich zu Beginn zur wegweisenden Essenz dieses Albums. “A Man Of Nomadic Traits” und das wundervolle, zweigeteilte “World’s End” erreichen zwar nicht exakt den gleichen Intensitätsgrad, stehen dem Opener in puncto Schwelg-Faktor dennoch nicht viel nach. “Dance Of The Seven Veils” kann Gleiches immerhin noch über weite Strecken von sich behaupten, während der dreiteilige Titelsong ein Fall für sich ist und bleibt: Die teils schon unverschämt deutlichen Fish-MARILLION-Reminiszenzen in den ersten beiden Teilen des Kernepos des Albums provozieren mindestens ein Stirnrunzeln.
Gut gemacht ist’s trotzdem, und summa summarum bleibt “Not Of This World” ein ausgezeichnetes Album, das jeden Art Rock-Fan, der sich in seiner Freizeit gerne mit Kopfhörer bewaffnet, entspannt zurücklehnt und in wonnigen Klangbädern abtaucht, eine Menge zu bieten hat.
Spielzeit: 69:08 Min.
Line-Up
Nick Barrett -.guitar, vocals
Peter Gee – bass
Clive Nolan – keyboards
Fudge Smith – drums
Produziert von PENDRAGON & Karl Groom
Label: Toff Records/InsideOut
PENDRAGON “Not Of This World” Tracklist
- If I Were The Wind (And You Were The Rain)
- Dance Of The Seven Veils – I. Faithless
- Dance Of The Seven Veils – II. All Over Now
- Not Of This World – I. Not Of This World
- Not Of This World – II. Give It To Me
- Not Of This World – III. Green Eyed Angel
- A Man Of Nomadic Trails
- World’s End – I. The Last Children
- World’s End – II. And Finally…