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MATTI BYE & MATTIAS OLSSON: Elephant & Castle

Wenn eine Zirkuskapelle unter Wasser melancholische Volkslieder verfremdet, dürfte das ähnlich klingen wie diese Schallplatte.

Wenn eine Zirkuskapelle unter Wasser melancholische Volkslieder verfremdet, dürfte das ähnlich klingen wie diese Schallplatte. Nein, Elephant & Castle enthält sicher keinen Heavy Metal. Aber all jene, die sich für Klanglandschaften jenseits des Progressive Rock interessieren, möchte ich auf eine Reise in eine eigenartige Welt voller entrückter Melancholie mitnehmen. Man kann das Album auch problemlos als Soundtrack zu einem nichtexistenten Film ansehen. Tatsächlich wurde das vorliegende Werk über weite Strecken von Bildern der schwedischen Fotografin Martina Hoogland Ivanow inspiriert. Zudem ist einer der beiden Urheber, Matti Bye, vornehmlich als Filmmusikkomponist tätig. Sein Gespür für atmosphärische, bewegende, aber nie zu aufdringliche Melodien zieht sich wie ein roter Faden durch die 14 relativ kurzen Stücke. Dadurch kann man sie auch ohne visuelle Untermalung wunderbar genießen. Dass man förmlich in der Musik versinken kann, liegt nicht zuletzt an der eigenwilligen Instrumentierung. Eine zentrale Rolle spielt hier das Mellotron. Der altmodische Tonbandsampler (vgl. z.B. Strawberry Fields Forever von den BEATLES) liefert von verrauschten Streichern über vernebelte Chorstimmen bis hin zu Weingläsertönen einen wahren Klangregenbogen. Einen Klangregenbogen in schwarz, graublau, dunkelgrün und blutrot. Betrachtet durch eine Fensterscheibe, die seit Jahrzehnten nicht mehr geputzt wurde. Bei flotten Nummern wie Mad Cow And Ladder und Man Playing In A Park gibt es dabei durchaus Parallelen zu dem, was TOM WAITS in den 80ern so getrieben hat. Ansonsten sorgen je nach Stimmung u.a. Glockenspiel, Orchestron, Optigan und obskures Schlagwerk für ein auf fremde Art schönes Hörerlebnis. Verantwortlich für diese klangliche Vielfalt ist Mattias Olsson, der als Schlagzeuger von ÄNGLAGÅRD bereits Erfahrung im Beschreiten abgelegener Pfade gesammelt hat. Seit geraumer Zeit sammelt er in seinem Studio die sonderbarsten Instrumente aus den letzten Jahrzehnten, die sich in erster Linie durch Rauschen, Verstimmung und eigenwillige Klangfarben auszeichnen. Bye und Olsson setzen diese Vielfalt glücklicherweise wohl dosiert ein. So können sich die eigentlichen Melodien parallel zu den Klangexperimenten entfalten. Die Titelmelodie des Albums ist gleich dreimal vertreten, völlig zu Recht, wie ich meine. Dadurch fällt auch weniger ins Gewicht, dass mit The Eye Of The Giraffe und Desk With Torso zwei zu sperrige, gesichtslose Stücke vertreten sind.

Elephant & Castle ist in limitierter Auflage als hochwertig produzierte LP erhältlich – 199 Stück normale Auflage für knapp 15 Euro, dazu noch 78 Exemplare in einer Box mit allen Fotografien im LP-Format (für saftige 150 Euro) sowie 22 dieser Boxen mit einem Bonustrack auf einer Wachswalze (!!!), die bei einem Stückpreis von 349 Euro wohl ausschließlich ein bestimmtes kunstinteressiertes Publikum ansprechen. Alternativ wird das Album auch digital vertrieben (u.a. über iTunes), was freilich dem verschrobenen Feeling ein wenig abträglich ist. Dafür kann man hier besser die Reihenfolge manipulieren und sich so einen schönen Soundtrack für sonderbare Stunden zusammenstellen.

Veröffentlichungstermin: 24.04.2011

Spielzeit: 38:21 Min.

Line-Up:

Matti Bye
Mattias Olsson

Label: Kning Disk

Homepage: http://www.kningdisk.com/index_elephantandcastle.htm

MySpace: http://www.myspace.com/elephantandcastlemusic

Tracklist:

1. Elephant & Castle I
2. Empty Chairs
3. Red Curtain
4. People Passing Sunset
5. Northern Flakes
6. The Eye Of A Giraffe
7. Girl Catching Glassbowl
8. Happy Cow And Ladder
9. Moon Behind The Tree
10. Elephant & Castle II
11. Man Playing In A Park
12. Desk With Torso
13. Flowerlady
14. Elephant & Castle III
15. Forgotten Waltz (Bonustrack)

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