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GOTTHARD: Homegrown – Alive In Lugano

R.I.P. Steve Lee. Für Fans der Band ist “Homegrown – Alive In Lugano” ganz klar eine Pflichtveranstaltung.

Als vor knapp einem Jahr bekannt wurde, dass Steve Lee während einem Motorrad-Trip in den USA bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall tödlich verunglückt ist, war nicht nur die große Fan-Gemeinde der schweizer Hardrocker geschockt. Rockfans auf der ganzen Welt nahmen Anteil am tragischen Verlust einer der größten Stimmen im Hardrock-Zirkus. Die verbliebenen GOTTHARD-Musiker nahmen sich erst mal eine Auszeit, um das Geschehene zu verarbeiten. Anfang des Jahres kam man überein, weiterzumachen und auf Sängersuche zu gehen. Leo Leoni brachte es auf den Punkt: “GOTTHARD is not a job for us – GOTTHARD IS OUR LIFE!!”  

Doch bevor ein neuer Frontmann das schwere Erbe von Steve Lee antreten und damit ein neues Kapitel der Bandgeschichte einläuten wird, erweist man Steve Lee anlässlich seines ersten Todestages (05. Oktober 2011) mit “Homegrown – Alive In Lugano” noch einmal die letzte Ehre. Das Konzert, welches im Rahmen der Swiss Harley Days stattfand, wurde in der Heimatstadt der Band aufgezeichnet und dokumentiert einen der letzten gemeinsamen Live-Auftritte. Bereits nach dem ersten Hördurchgang steht fest, dass die rund 20.000 Zuschauer, die sich im Sommer letzten Jahres zum GOTTHARD-Auftritt auf der Piazza della Riforma in Lugano eingefunden hatten, die Schweizer Hardrock-Legende in Topform erleben durften. Steve Lee singt wie ein junger Gott und dirigiert das internationale Publikum gekonnt auf Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch. Im  “Acoustic Medley 2010” (“Sweet Little Rock ´N´ Roller”, “Angel” und “One Life, One Soul”) und beim Duell Gitarre gegen Stimme (“Leo Vs. Steve”) wird besonders deutlich, wie viel Energie diese Stimmbänder freisetzten konnten. Ich möchte das zweifellos große musikalisches Können der GOTTHARD-Instrumentalisten in keinster Weise schmälern, aber machen wir uns nichts vor: Der kleine Leo Leoni kann noch so groß auf den sechs Saiten aufspielen und die Rhythmusabteilung noch so präzise grooven, ohne Steve Lee wären GOTTHARD niemals eine derart erfolgreiche Band geworden.  

Da man sich gerade auf “Need To Believe”-Tour befand, liegt der Schwerpunkt der Setlist GOTTHARD-typisch auf dem gleichnamigen Album. Überhaupt dominiert das Schaffen der Nullerjahre die Songauswahl. So sind die rockigen Bandklassiker aus der raueren Frühphase der Band mit dem DEEP PURPLE-Cover “Hush” und “Sister Moon” leider etwas arg unterrepräsentiert. Da war man auf dem 2006er Live-Album “Made in Switzerland” breiter aufgestellt. Dafür kann sich der Fan auf eine stark veränderte Setlist freuen – den Live-Vorgänger hat man eh schon lange im Regal stehen.
Leider wurde schon wieder das Skalpell angesetzt. So hat man bei der CD abermals auf die Liveversionen von “Firedance” und das obligatorische Drumduell zwischen Steve Lee und Hena Habegger verzichtet. Mit dem Unterschied, dass hier anders als bei “Made in Switzerland” keine DVD mit dem kompletten Gig existiert. Sehr ärgerlich, zumal die Tracklist der mir nicht vorliegenden Bonus DVD den Eindruck macht, als könnte sie ruhig noch etwas mehr Inhalte vertragen. Auch in Sachen Sound hat “Made in Switzerland” die Nase vorn, denn um “Homegrown – Alive In Lugano” mit Hilfe eines (zu) fetten Sounds mehr Druck zu verleihen, musste die Platte an Dynamik einbüßen, was die Liveatmosphäre mindert und gerade bei höherer Lautstärke auch den Hörgenuss beeinträchtigt.  

Zum Abschluss erklingt mit “The Train” eine bisher unveröffentlichte Akustiknummer aus dem Jahr 2010, die  ursprünglich für “Defrosted II” vorgesehen war. Im weiten Feld der grandiosen GOTTHARD-Balladen, eigentlich ein eher durchschnittlicher Song, wenn da nicht die einzigartige Stimme und die nachdenklichen Lyrics von Steve Lee wären.
Textauszug “The Train”:

“Looking out the window and seeing my life go by
Many times I feel the joys, some others where I cry
What´s my destination, I still don´t know
Train of life just take me down, to where the four winds blow

But I´m not alone
Everyone is going to meet its destiny
Sometimes it´s tough don´t you feel the same
But I won´t ever miss that train”

Zeilen, die insbesondere in Anbetracht der Ereignisse lange nachwirken.

Obwohl dieser Release runder hätte ausfallen können: Für Fans der Band ist “Homegrown – Alive In Lugano” ganz klar eine Pflichtveranstaltung. Man bekommt neben dem Bonusmaterial Liveversionen vieler Songs, die es auf dem Vorgänger noch bzw. so nicht zu hören gab, und hat vor allem noch einmal die Gelegenheit, eine äußerst spielfreudige Band zu hören, die es so leider nie wieder geben wird.

R.I.P. Steve. Mal sehen, was deine Kollegen ohne dich machen.

Veröffentlichungstermin: 30.09.2011

Spielzeit: 79:11 Min.

Line-Up:
Steve Lee – Vocals
Freddy Scherer – Guitar
Leo Leoni – Guitar
Hena Habegger – Drums
Marc Lynn – Bass

Gäste:
Nicolo Fragile – Keyboards 

Label: Nuclear Blast

Homepage: http://www.gotthard.com

Mehr im Netz: http://www.myspace.com/gotthard

Tracklist:
1. Intro
2. Unspoken Words (“Need To Believe”)
3. Gone Too Far (“Domino Effect”)
4. Top Of The World (“Human Zoo”)
5. Need To Believe (“Need To Believe”)
6. Hush (“Gotthard”)
7. Unconditional Faith (“Need To Believe”)
8. Acoustic Medley 2010 (“G”; “Gotthard”)
9. Shangri La (“Need To Believe”)
10. I Don´t Mind (“Need To Believe”)
11. Heaven (“Homerun”)
12. The Oscar Goes To… (“Domino Effect”)
13. Lift U Up (“Lipservice”)
14. Leo Vs. Steve (Guitar- / -Vocal Solo)
15. Sister Moon (“G”)
16. Anytime Anywhere (“Lipservice”)
17. The Train (Unreleased Studio Track)

Bonus DVD (Millennium Show Lugano December 1999):
1. Let it Rain (“Open”)
2. Acoustic Medley 1999
3. One Life, One Soul (“G”)
4. Hey Jimi (“Open”)
5. EPK / Interviews

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