GAEREA-COMA-cover

GAEREA: Coma

Die Vision bleibt klar erkennbar: Obwohl GAEREA auf „Coma“ ihr Spektrum dezent erweitern, bewahrt sich die Band ihren stringenten Charakter.

Es ist möglicherweise eines der menschlichsten aller Konzepte: sich aller Widrigkeiten zum Trotz doch einen Funken Hoffnung zu bewahren ein reiner Ausdruck unseres Wesens. Diesen sprichwörtlichen Lichtblick am Horizont suchen sogar GAEREA, wenn doch eigentlich die Dunkelheit übermächtig groß scheint. „Hope Shatters“ heißt es etwa im zweiten Stück ihres vierten Studioalbums „Coma“, bevor Sänger Guilherme Henriques im Titeltrack plötzlich doch die Entschlossenheit wiederfindet:

“With hope as my compass
And courage my core
From the state of coma
I’ll wake once more”

So wenig sich das Auftreten der Portugiesen auf geläufige Stereotypen reduzieren lässt, so sehr umschifft das Gespann auch inhaltlich die traditionellen Fixpunkte des Black Metal. Dazu passt die pointierte Performance Henriques ausgezeichnet, der kurz nach „Mirage“ (2022) und dem Ausstieg Ruben Freitas‘ die Gitarre für das Mikrofon eintauschte. Der Wechsel am Gesang vollzieht sich überraschend nahtlos, auch wenn der verträumte Klargesang am Anfang des Openers „The Poet’s Ballet“ zunächst überrascht. Für die Bandbreite GAEREAs ist dies in gleichem Maße ein Zugewinn, wie es die nun häufiger verwendeten Growls darstellen, die den Frontmann stimmlich in der Peripherie Nergals (BEHEMOTH) verorten.

GAEREA erweitern auf „Coma“ ihr Spektrum in angenehm dezenter Weise

Ungleich der Polen bewegen sich GAEREA jedoch in erster Linie auf der atmosphärischen Schiene, welche die Intensität des Black Metals um getragene und oftmals aufwühlende Melodien erweitert. Die Emotionalität schultern hierbei zuvorderst die vielschichtig arrangierten Gitarren – Synthesizer spielen auf „Coma“ keine Rolle. Energisch heulen etwa die Leads im erwähnten „Hope Shatters“ auf, wohingegen „Suspended“ den undurchdringlich anmutenden Sound-Wall zwischendurch einstürzen lässt. Die sich hier zeigende Zerbrechlichkeit spricht auch von einer emotionalen Zerrissenheit, die „Coma“ in sich trägt.

Nichtsdestoweniger zeichnen die zehn Kompositionen ein schlüssiges Bild, das die deutlich vernehmbare Handschrift GAEREAs trägt. Beachtlich ist das insbesondere, weil die Band gleichzeitig ihr musikalisches Spektrum zu erweitern sucht. Death-Metal-Anleihen zeigen sich häufiger als zuletzt, gerne auch wie im Titeltrack in melodischer Ausführung, während „Wilted Flower“ mit dezenten Post-Hardcore- und Post-Rock-Vibes Marke SVALBARD spielt. Experimentell präsentiert sich darüber hinaus „Unknown“, wo durchaus diskutiert werden kann, ob dem Black-Metal-Fundament hier nicht sogar eine Prise Metalcore der alten Schule beigemischt wurde.

Die Vision bleibt klar erkennbar: GAEREA gehen auf „Coma“ stringent vor

Dass sich ein derartiges Crossover in der Praxis geradezu natürlich anfühlt, ist dem stringenten Vorgehen GAEREAs zu verdanken. Deren Vision bleibt bis zum Schluss klar erkennbar und innerhalb eines festen Rahmens, dem allerdings produktionstechnisch mehr Raum gutgetan hätte. Dicht und komprimiert erreicht „Coma“ dadurch in den intensivsten Momenten seine gewünschte Qualität, kann sich in den erhebenden Augenblicken jedoch nur eingeschränkt entfalten. Ob geplant oder nicht: Fast scheint uns die Formation damit sogar auf die Probe stellen zu wollen, wenn die tongewordene Verzweiflung am Ende doch den hoffnungsspendenden Lichtblick zu verschlingen droht.

Veröffentlichungstermin: 25.10.2024

Spielzeit: 50:58

Produziert von GAEREA und Miguel Tereso

Label: Season of Mist

Homepage: https://www.gaerea.com/
Facebook: https://www.facebook.com/@gaerea/
Instagram: https://www.instagram.com/gaerea_/
Bandcamp: https://gaerea.bandcamp.com

GAEREA “Coma” Tracklist

1. The Poet’s Ballet (7:39)
2. Hope Shatters (4:05) (Video bei YouTube)
3. Suspended (5:02) (Video bei YouTube)
4. World Ablaze (3:29) (Video bei YouTube)
5. Coma (5:19) (Video bei YouTube)
6. Wilted Flower (5:50)
7. Reborn (3:51)
8. Shapeshifter (6:24)
9. Unknown (4:24) (Video bei YouTube)
10. Kingdom of Thorns (4:45)

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