blank

ENSLAVED, VREID und KNOWHERE: Winterthur (CH), Gaswerk – 06.03.2005

Thor und Odin sei Dank, ENSLAVED und VREID haben es auf ihrer sechswöchigen Tour auch in die vereiste Schweiz geschafft, genauer gesagt ins wohlig warme Gaswerk in Winterthur.

Groß war meine Freude, als ich erfuhr, dass das Package “ENSLAVED + VREID” auch in der Schweiz halt machen würde. Nach dem denkwürdigen WINDIR-Abschiedskonzert in Oslo, dem überzeugenden VREID-Debüt “Kraft” und dem mittlerweile Grammy-gekürten “Isa“-Werk von ENSLAVED war die Mission: “Wo kriege ich Tickets her?” schnell formuliert. An den Veranstaltungsort zu kommen gestaltete sich jedoch wesentlich schwieriger: So stilvoll Minustemperaturen, Schnee und Eis auch sind: mit 30 km/h über die spiegelglatte Autobahn nach Winterthur zu kriechen ist uncool.

KNOWHERE
Kurz nach halb neun begann der (noch) keyboardlose Black Metal Lauschangriff.

Wenn der stöckeschwingende Kreischer im Nacken sitzt: KNOWHERE live

Im Saal hatten sich bereits einige Trauben von skeptischen Schwarzmetallern aus allen Ecken der Eidgenossenschaft gebildet. Obschon dieser Auftritt von ENSLAVED und VREID in der Schweiz der einzige sein sollte, war die Veranstaltung beileibe nicht ausverkauft. Die Aufgabe als Opener war dennoch keine undankbare – das etwa halbstündige Set aus Songs vom Album “The Mascot” (“April 14th, 9:15 a.m”., “Drowning”, “The Mascot”, “Snowball”), einem noch titellosen “Track Nummer 17” begeisterte nicht nur die erste Reihe aus der Romandie. Nachdem die Reise nach Norwegen mit dem DARKTHRONE-Cover “Paragon Belial” bereits eingeläutet worden war, wurde lautstark nach mehr verlangt. Als Dessert reichten KNOWHERE anschließend noch EMPERORs “I’m the black wizards”. Die Reisenden waren definitiv im Lande des Schwarzmetalls angekommen.

VREID
Nach einer kurzen Umbaupause enterten VREID die Bühne. Die Ex-Mannen von WINDIR lieferten eine schnörkellose, mitreißende Show. Gitarrist und Sänger Sture übernahm die Rolle des Frontmannes überzeugend und versprühte die Energie von “Kraft” in jeder Sekunde. Die Rhythmusfraktion Hvàll (Bass) und Steingrimm (Drums) groovte gediegen und die Norweger verzichteten auf aufgesetztes “Ich bin so böse, ihr müßt euch fürchten”-Gehabe oder überflüssigen Wikingerkitsch. Nach vier Songs von “Kraft” (“Helvete”, “Unholy Water”, “Songen åt fangen”, “Wrath of Mine”) fiel erstmals das magische Wort WINDIR in der Ansage. Begeisterung ergriff das Publikum, die Darbietung von “The Spirit Lord” (vom bewegenden Album “1184“) lieferte die pure Gänsehaut. Gedanken an den tragischen Tod von Valfar mischten sich mit einer überbordenden Ergriffenheit ob der Musikwelt WINDIRs, die einen mit festen Klauen in ihre Sphären zieht und nicht mehr losläßt. Nach “Eldast, utan å gro” und “Evig Pine” huldigten VREID einer weiteren verblichenen norwegischen Black Metal-Ikone: IMMORTAL. Ihre etwas eigenwillige Version von “As the eternity opens” (die insbesondere mit mehreren “ufta-ufta”-Parts angereichert wurde) stieß beim größten Teil der Anwesenden auf Begeisterung, bei einigen Die-hard IMMORTAL-Anhängern verdüsterte sich jedoch das Antlitz ob dem lockeren Umgang mit der ursprünglichen Version. Mit “Raped by light” war die Zeit für das letzte VREID-Werk gekommen, als Abschluß ihrer Darbietung wählten die Norweger jedoch die brasilianische Variante: ein zünftiges SEPULTURA-Cover (“Troops of Doom”) heizte die Stimmung nochmals gebührend auf und schloß die ENSLAVED-Aufwärmphase gebührend ab.

VREID - Live im Gaswerk in Winterthur am 06.03.2005
Meistert Gesang und Gitarrenspiel mit Klasse und Charisma: Frontmann Sture

ENSLAVED
Kurze Zeit später prangte das ENSLAVED-Logo über der Bühne und die eben mit dem Grammy gekürten Viking Metaller stimmten sogleich “Isa“-Klänge an. Dazu gesellte sich eine Hintergrundclip-Show, die oft an die LSD-Phasen des Windows Media Players erinnerten, doch flammten immer wieder auch die nachdenklichen Gesichter der ENSLAVED-Mitglieder in diesen Collagen auf. Bis “Jotunblod” von “Frost” angetönt wurde, erinnerte die Stimmung bisweilen auch an ein bizarres Prog-Konzert in den 70ern. Fließend änderte sich die Atmosphäre zu esoterisch anmutenden Runen-Einblendungen, welche die Darbietung von “The Voices” (vom “Monumension”-Werk) untermalten. ENSLAVED wechselten mühelos von träumerisch-progressiven Klängen zu kreischend-aggressiven Nackenbrechern und dies ganz ohne Kleiderwechsel oder ähnliche Späße. Die Ausdruckskraft ihrer Musik selbst schien die Szenerie zu verändern, ja den Eindruck zu verformen, als wäre es eine immer elastische Tonmasse. Nach dem Instrumental “Madraum” boten die Bergener mit dem frischen “Violet Dawning” einen der absoluten Höhepunkte ihrer Show.

ENSLAVED - Live im Gaswerk in Winterthur am 06.03.2005
Mit kultigem Bass und heissem Draht zum Publikum: Grutle

Obschon “Isa” bereits im heimischen CD-Player eine ganz besondere Atmosphäre versprüht, schien von der Live-Version von “Violet Dawning” ein beinahe unheimlicher Bann auszugehen. Die audiovisuellen Kanäle des Publikums wurden hier opulent genährt, der bewegte Hintergrund entführte den Zuschauer in ferne Birkenwälder, in denen verträumte Gesichter hausten, man schien die Blätter und die Erde unter den Füßen zu spüren, als gäbe es keine Bierlachen in Konzertsälen. Erdig und abgehoben zugleich, selbst der Aufgang eines violetten Mondes mitten im Raum hätte niemanden erstaunt. Benommen nahm man den nächsten Song “As fire swept clean the earth” nur wahr, erst beim frenetisch bejubelten “Eld” erwachte man wieder, um sich in einer abgedrehten Wikinger-Nostalgie wiederzufinden, wo selbst ein an Slash-erinnerndes Gitarrensolo als vollkommen Trinkhorn-konform angesehen wird. Zwar glitten bei “Eld” die anfangs so fesselnden Vocals wieder in leicht dissonante Sphären ab, doch man konnte es Grutle nicht übelnehmen, denn die Fänge von ENSLAVED hatten sich schon zu tief ins musikliebende Gemüt gebohrt. Während der obligaten Bandvorstellung sonnten sich die Norweger sichtlich im Applaus und bedankten sich abschließend mit “Fenris” (von “Frost”), “Return to Yggdrasil” und schließlich mit einer Zeitreise zum herrlich epischen, atemberaubenden “Slaget I Skogen Bortenfor”. Bei diesem letzten Song gaben ENSLAVED nochmals alles, Synchron-Headbanging, ausgefeilte Huldigung des Gitarrensolos und beschwörend gesprochene Passagen – ein würdevoller Abschluß eines durch Mark und Bein gehenden Konzertabends, der Objektivität in Begeisterung verwandelte, so sehr man sich auch dagegen wehren wollte.

ENSLAVED - Live im Gaswerk in Winterthur am 06.03.2005
Oranges Inferno der Wikingerenergie

Layout: Uwe

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner