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BEARTOOTH, MOTIONLESS IN WHITE, STRAY FROM THE PATH: Konzertbericht – Zenith, München – 24.03.2023

In vier Jahren vom Support-Act zum Headliner der zweitgrößten Konzertlocation der Stadt: BEARTOOTH haben eine beispiellose Entwicklung hingelegt, von der wir uns im Münchner Zenith natürlich selbst überzeugen wollen. Dank des hochkarätigen Support-Programms aus MOTIONLESS IN WHITE und STRAY FROM THE PATH dürfte da kein Stein auf dem anderen bleiben.

Es ist schon eine beispiellose Entwicklung, die BEARTOOTH in den letzten Jahren hingelegt haben: Noch 2019 erlebten wir die Band im Münchner Zenith als Support-Act der Briten ARCHITECTS. Nun wartet an einem verregneten Freitag eine stattliche Menschenschlange vor den Toren der ehemaligen Werkshalle auf die US-Amerikaner selbst. In nur vier Jahren zum Headlining-Act in der zweitgrößten Konzertlocation der Stadt – das verdient durchaus Respekt, obwohl sich heute natürlich mit MOTIONLESS IN WHITE ein durchaus zugkräftiger Special Guest angekündigt hat. Dass die Show sogar ausverkauft ist, unterstreicht nur den Status, den sich Mastermind Caleb Shomo und seine Truppe durch unermüdlichen Einsatz erspielt haben. Wobei nicht die gesamte Fläche der Halle genutzt wird: Ein schwarzer Vorhang trennt den hinteren Bereich mit Garderobe und Merchandise vom restlichen Areal ab – immerhin rund 4500 Besucher:innen fasst die Location in dieser Konstellation dennoch.


STRAY FROM THE PATH

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Diesen einzuheizen haben sich um Punkt sieben STRAY FROM THE PATH vorgenommen, die sich ihrer Rolle im Tour-Line-up durchaus bewusst sind. Während sich die Halle nach und nach immer weiter füllt, fegt Frontmann Drew York in Latzhose und Unterhemd unablässig über die Bretter, um den früh angereisten Fans den modernen und teils massiv drückenden Hardcore seiner Band schmackhaft zu machen. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten – „Needful Things“ ist aufgrund der dominanten Bassdrum zeitweise nur schwer zu ertragen -, finden die vier Musiker doch relativ schnell den Draht zum Publikum.

Dank besser ausbalanciertem Sound setzt sich die Menge im enorm groovenden „May You Live Forever“ in Bewegung, was Shouter York im Anschluss für eine kleine Rede nutzt, um den familiären und inklusiven Charakter zu betonen, der stets im Zentrum ihrer Shows stehe. Der Einladung folgen die Müncher:innen gerne, indem sie bei „III“ zum rot-blauen Polizeilicht auf und abspringen, bevor in „Fortune Teller“ der Kölner Crowdsurfer-Rekord des Vortags dran glauben soll.

Das Publikum zeigt sich ähnlich ausdauernd wie STRAY FROM THE PATH-Fronter Drew York

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Über Erfolg oder Misserfolg des Unterfangens lassen uns STRAY FROM THE PATH indes im Dunkeln, bitten uns stattdessen für „Guillotine“ in die Hocke, um anschließend umso höher im Takt zu springen. Dass sich das Publikum dabei ähnlich ausdauernd zeigt wie Energiebündel Drew York persönlich, ist so früh am Abend nicht unbedingt selbstverständlich. Aber offenbar kann selbst der Support-Act heute auf eine treue Gefolgschaft zählen: Den Refrain des abschließenden „First World Problem Child“ brüllt das Zenith erstaunlich textsicher mit – Mission „Anheizer“ erfüllt.

STRAY FROM THE PATH Setlist – ca. 35 Minuten

1. Needful Things
2. May You Live Forever
3. Goodnight Alt-Right
4. III
5. Fortune Teller
6. Guillotine
7. First World Problem Child

Fotogalerie: STRAY FROM THE PATH


MOTIONLESS IN WHITE

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Dabei wäre ein solcher gar nicht nötig gewesen, entbehrt es doch jeglicher Beschreibung, wie MOTIONLESS IN WHITE wenig später empfangen werden. Ekstatisches Kreischen erfüllt die Halle, als die US-Amerikaner mit „Thoughts & Prayers“ direkt und kompromisslos loslegen. Die Münchner:innen haben das Quintett offenbar sehnsüchtig erwartet, wie die überschwänglichen Reaktionen auf jede Geste von Sänger Chris Motionless zeigen. Dabei ist der Frontmann heute mit Windbreaker und Baseball-Cap im Vergleich zu seinen teils bleich geschminkten Kollegen recht unauffällig gekleidet. Das ist zwar insofern schade, da die Band normalerweise großes Augenmerk auf den visuellen Aspekt legt, doch stören soll uns das im Weiteren nicht.

Schließlich versteht es Chris Motionless allein durch seine ausdrucksstarke Performance, die Aufmerksamkeit gänzlich auf sich zu ziehen. Mit Charisma und einer annähernd makellosen Gesangsleistung steht der Fronter eindeutig im Zentrum der Show, ohne sich jedoch aufzudrängen. Im Gegenteil, für den spontanen Gastauftritts Caleb Shomos (BEARTOOTH) in „Slaughterhouse“ überlässt Motionless dem Kollegen gerne das Rampenlicht, welches er auch im Anschluss bereitwillig teilt: Die Powerballade „Masterpiece“ eröffnet den ruhigeren Block an Singalongs, für welchen MOTIONLESS IN WHITE nicht vergeblich um stimmlichen Beistand bitten müssen.

MOTIONLESS IN WHITE werden gefeiert wie eine Boyband aus den 90ern

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Das Zenith zeigt sich über den kompletten Auftritt hinweg textsicher, zückt für den Hit „Another Life“ die Handylichter und klatscht begeistert mit, während der Chris Motionless im synthwave-inspirierten „Werewolf“ Michael Jacksons „Thriller“-Choreografie imitiert. Dass das THE KILLERS-Cover „Somebody Told Me“ kurz vor Schluss zur absoluten Party-Nummer mutiert, ist schlussendlich die logische Konsequenz. Es wird getanzt, gemosht, gesungen und geklatscht, als sei die Menge vor der Bühne eigens wegen der fünf Musiker angereist.

Was bleibt MOTIONLESS IN WHITE also anderes übrig, als den 50-minütigen Auftritt mit dem Evergreen „Eternally Yours“ zu beschließen, bei welchem Bandkopf Chris Motionless auch heute Abend traditionsbewusst eine Handvoll roter Rosen an die vorderen Reihen verteilt. Eine schöne Geste, die das Gastspiel der Band im Übrigen so zu Ende führt, wie es begonnen hat: mit überschwänglichem Applaus und geradezu ekstatischem Kreischen, das noch Minuten später in unseren Ohren nachhallen soll. Verrückt.

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MOTIONLESS IN WHITE Setlist – ca. 50 Minuten

1. Thoughts & Prayers
2. Cyberhex
3. Slaughterhouse
4. Break The Cycle
5. Masterpiece
6. Werewolf
7. Another Life
8. Soft
9. Somebody Told Me
10. Eternally Yours

Fotogalerie: MOTIONLESS IN WHITE


BEARTOOTH

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Inwiefern der Headliner das toppen soll, ist eine berechtigte Frage, auf deren Antwort wir allerdings rund 25 Minuten warten müssen. Dann aber erlöschen die Lichter im Zenith, während das Spotlight die Silhouette Caleb Shomos auf den hochgezogenen Vorhang projiziert. Selbiger fällt schon kurz darauf zu den ersten Tönen des energischen Openers „Below“ und offenbart einen recht schlichten, aber immerhin zweistöckigen Bühnenaufbau, in dessen Zentrum der Frontmann die Blicke auf sich zieht. Die ruhigen Jahre während der Pandemie hat Shomo offenbar genutzt: Mit freiem Oberkörper präsentiert der Sänger nicht nur die stolze Löwentätowierung auf der Brust, sondern auch die Resultate seiner Trainingsroutine.

Es ist tatsächlich ein neues Selbstbewusstsein, das der Bandkopf an den Tag legt und von dessen Wendepunkt bereits die aktuelle Single „Riptide“ kündete: Caleb Shomo fühlt sich in der Rolle des explosiven Rockstars endlich pudelwohl und lässt das auch die bayerische Landeshauptstadt spüren. Über die komplette Show hinweg gönnt sich der Sänger keine ruhige Minute, dreht sich in „Devastation“ oder „Dominate“ schneller im Kreis, als es der Pit zu seinen Füßen vermag, nur um im nächsten Moment schon wieder ans andere Ende der Bühne zu sprinten.

Energiegeladener als BEARTOOTH kann man eine moderne Rock-Show kaum aufziehen

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Nicht minder energiegeladen seine Kollegen Connor Denis am Schlagzeug und Oshie Bichar am Bass, die beide hier und da Hintergrundgesang beisteuern und das unterstreichen, was für das Projekt BEARTOOTH seit Anbeginn gilt: Explosiver und energiegeladener als die US-Amerikaner kann man eine moderne Rock-Show wohl kaum aufziehen, obwohl das Quartett anders als am Vorabend in Köln komplett auf Spezialeffekte verzichtet und auch lichttechnisch lediglich das Mindestmaß auffährt. Andererseits belegt die Stimmung in der Halle, dass erprobtes Live-Material wie „Bodybag“, der Singalong „Disease“ oder der Klassiker „The Lines“ derlei Effekthascherei gar nicht nötig haben.

Letzteres sei nur im Set, um uns in Bewegung zu versetzen, lässt uns Caleb Shomo wissen. Eine Aufforderung, die sich die enthusiastischen Fans nicht zweimal sagen lassen – sogar der stoische Herr zu unserer Linken nickt auf einmal bereitwillig im Takt, während um ihn herum die Meute ausgelassen auf und ab springt. Eine Ausnahme? Mitnichten, denn das eingängige wie kraftvoll dargebotene Material lässt die Temperatur im Zenith im Minutentakt ansteigen, so dass nicht nur Will Deely, der in „You Never Know“ das einzige Gitarrensolo des Abends zum Besten geben darf, bald die Schweißperlen von der Stirn rinnen.

Für das Finale schnallt BEARTOOTH-Frontmann Caleb Shomo höchstpersönlich die Gitarre um

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Sammeln dürfen wir uns nur selten, wenn Caleb Shomo etwa vor „Hated“ um ein begleitendes Lichtermeer bittet, dem der Pit aber nur wenige Sekunden später schon wieder ein klaffendes Loch reißt. Stillstehen oder sentimental werden will hier augenscheinlich niemand und so bringen BEARTOOTH mit ihrem größten Hit „In Between“ die Halle nochmal zum Siedepunkt, um sich dann zunächst für einen Moment zurückzuziehen. Oder sogar zwei, denn geschlagene fünf Minuten lassen die Mannen ihre Fans warten, um den Nachschlag zu servieren.

Zwei Songs des aktuellen Albums „Below“ (2021) gibt es obendrauf, wobei Drummer Connor das finale Instrumentalstück „The Last Riff“ durch ein knackiges, aber durchaus stimmiges Drum-Solo einleiten darf. Als Krönung greift Mastermind Caleb Shomo selbst zur Gitarre, um sich damit anschließend einen Weg durch die Menge zu bahnen. Während der Frontmann die letzten Töne auf einem Podest vor dem Mischpult zelebriert, ist das neue Selbstverständnis des Musikers abermals besonders zu spüren: der selbstbewusste Rockstar, der leidenschaftlich gern die Rampensau mimt und sich dabei feiern lässt.

BEARTOOTH spielen die bislang größter Deutschland-Show ihrer Karriere

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Dabei hatten wir noch wenige Minuten zuvor das genaue Gegenteil erlebt, als der sichtlich überwältigte Sänger nach Ende des regulären Sets die Haare zurückstrich und kurzzeitig die Maske fallen ließ. Mit ungläubigem Lächeln im Gesicht gehörte einem sprachlosen Caleb Shomo der aufrichtigste – und vielleicht schönste – Moment des Abends. Nicht etwa, weil er uns daran teilhaben ließ, sondern weil diese Sekunden uns einen fast schon entwaffnenden Blick in das Innenleben des umjubelten Bandleaders gewährten: Selbst nach der größten Deutschland-Show ihrer Karriere ist diese beispiellose Entwicklung für den Mann hinter dem Live-Phänomen BEARTOOTH keine Selbstverständlichkeit.

BEARTOOTH Setlist – ca. 75 Minuten

1. Below
2. Devastation
3. Disease
4. Bodybag
5. Riptide
6. Dominate
7. The Lines
8. Beaten In Lips
9. Skin
10. Hell Of It
11. You Never Know
12. Bad Listener
13. Hated
14. In Between
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15. The Past Is Dead
16. The Last Riff

Fotogalerie: BEARTOOTH

Fotos: Tatjana Braun (https://www.instagram.com/tbraun_photography/)

Veranstalter: Full Force Concerts (Tour) / Propeller Music (Lokal)

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