blank

HORN: Daudswiärk

“Daudswiärk” bedeutet soviel wie “Arbeit des Todes” und bezieht sich auf das raue Leben auf dem Lande, damals, als man noch den ganzen Tag auf dem Feld malochen musste, um was zu essen zu haben. Ob das so viel Spaß gemacht hat wie das Hören dieses Albums, weiß ich nicht, aber eins ist klar: Mit “Daudswiärk” ist HORN ein ganz großer Wurf gelungen.

Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis Nerrath – Kopf von HORN – in seiner Eigenschaft als sprachlich hochbegabter Black-Metal-Musiker die plattdeutschen Dialekte vor seiner Haustür für sein Projekt entdecken würde; dass es dann zwanzig Jahre und zehn mal mehr, mal weniger gute Alben dauern würde, war weniger klar, und dass es ausgerechnet eine Variante aus dem Münsterland sein würde, die dem Jubiläumsalbum seinen Titel spendiert, ist bei einem Künstler aus Paderborn jetzt auch nicht selbstverständlich.

Mich aber, der im Münsterland aufgewachsen und aus familiären Gründen oft dort auf dem Lande ist, freut’s; doch war das nicht der einzige Grund für mein Interesse an “Daudswiärk” – auch die ersten Minuten des vorab veröffentlichten Openers “Braud” hatten mich direkt in seinen Bann gezogen und nach mehr lechzen lassen: Da wird zwar plötzlich doch nicht auf Platt, sondern auf Norwegisch gegrunzt, aber die stampfende Rhythmik, das Wechselspiel zwischen Gesang und Schlagzeug und die melancholisch-martialischen Riffs sind so effektiv, dass sie mich direkt ins Herz treffen.

Mit der Kraft der Sprache ins finstere Westfalen

Mit “Daudsaom” wird’s dann endlich westfälisch, aber das Rezept wird beibehalten, höchstens ergänzt um sinnvoll platzierte Blast Beats: Nerrath weiß um die Kraft der Sprache, um die ihr innewohnende Rhythmik und Melodie, und dann versteht man auch, wieso er für verschiedene Lieder verschiedene Sprachen bemüht – der Mann spricht sie halt und weiß, welche Charakteristik für welches Lied am besten geeignet ist. Das ist beeindruckend und vor allem beeindruckend gut umgesetzt.

Apropos beeindruckend: “Braud” ist mit seiner unheilvollen, aber erhabenen Atmosphäre der perfekte Opener für dieses Album, “Daudsaom” schaltet einen Gang hoch, und mit “Likentog” sind wir dann auch schon beim Höhepunkt eines Werks angelangt, das allerdings bis zum Schluss das Prädikat “all killers – no fillers” verdient: Wie hier der Gesang einsetzt und die Strophe zu Ende bringt, hat mir bei den ersten Durchläufen jedesmal zuverlässig eine Gänsehaut beschert; wie das Stück schließlich durch zwei der auf “Daudswiärk” sparsam eingesetzten klaren Gesangspassagen an hymnischer Gewalt gewinnt, direkt die nächste. Wahnsinn, besser wird’s dieses Jahr nicht mehr, Song des Jahres!

“Daudswiärk” hat das Zeug zum Album des Jahres

Für “Broth” bedient Nerrath sich dann zum ersten Mal des Englischen – das zunächst störend wirken mag, aber als weitere nordeuropäische Sprache letztlich doch in den Kontext des Albums passt. Der Song jedenfalls ist ein martialischer Stampfer, an dem ebenfalls schlichtweg gar nichts auszusetzen ist, und wenn HORN dann mit “Dagetostoan” und “Antoniusfeuer” beim Tanz ums Feuer sogar den Punk bzw. den D-Beat auspacken (und damit letztlich Elemente musikalischer Folklore einbauen), “Pyres” in traditionellen Pagan-Metal-Gefilden wildert und “Landrake” einfach die perfekte Midtempo-Hymne zum Abschluss ist (inklusive fantastisch klingendem Synthesizer), wird klar, dass wir es bei “Daudswiärk” nicht nur mit dem perfekten Jubiläumsalbum dieses Projekts zu tun haben, sondern auch mit einem ernsthaften Anwärter auf das Album des Jahres.

Damit war nach dem m.E. recht schwachen “Verzet” (2022) nicht unbedingt zu rechnen, und es liegt neben der Hinwendung zu simplerer Instrumentierung und härterer Atmosphäre sicherlich auch daran, dass HORN ins Studio E zu Markus Stock gefahren sind, um das Ganze dort mit ihm zusammen zu produzieren. Sicher, auch auf den nicht minder süchtig machenden “Mohngang” (2020) und “Turm am Hang” (2017) waren der Sound schon klasse und die HORNschen Trademarks alle vorhanden, aber hier wird in Sachen Punch und Finsternis nochmal gehörig eine Schippe draufgelegt – sehr sinnvoll angesichts der “raues Landleben von früher”-Thematik, der man sich angenommen hat.

Wobei man die natürlich auch weniger partytauglich als auf diesem Album inszenieren kann – “Daudswiärk” könnte problemlos auf jedem Metal-Scheunenball laufen, es ist finster, stolz, urig, irgendwie auch komisch, gleichzeitig unglaublich tanzbar und eingängig, aber niemals billig oder kitschig; es macht süchtig, aber bleibt sehr lange frisch – mithin ist es alles, was ich an Heavy Metal so liebe. Und ach, ein großartiges, perfekt zum Album passendes Artwork (Timon Kokott) hat es auch, nur die Cowbell fehlt aus unerfindlichen Gründen (hätte doch so gut gepasst zur Thematik!) Also: Prost nach Westfalen, bitte weiter so!

Spielzeit: 39:18 Min.

Label: Northern Silence

Veröffentlichungsdatum: 3.5.2024

HORN “Daudswiärk” Tracklist

Braud (Audio bei YouTube)
Daudsaom (Video bei YouTube)
Likentog
Broth
Dagetostaon
Antoniusfeuer
Pyres
Landrake

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner