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NEAERA: All Is Dust

Entschlossen und reflektiert zeigen sich NEAERA auf “All Is Dust” und setzen dabei auf Bewährtes, ohne sich vor neuen Ideen zu verschließen.

Was ist schon das Individuum inmitten der grenzenlosen Weite des Universums? Ein Quell unendlicher Kreativität, eine eigene einzigartige Welt, deren Potenzial bloße Worte kaum gerecht werden können – und doch im großen Ganzen der Existenz nicht einmal eine Randerscheinung. Ein Sandkorn, ein Staubpartikel, wie NEAERA im Titeltrack feststellen. Es ist eine existenzielle und philosophische Fragestellung, die „All Is Dust“ aufwirft: Warum messen wir unserem Dasein eine solch außerordentliche Bedeutung zu, empfinden es als Segen oder Fluch, wenn es letztlich doch bestenfalls nur zur unbedeutenden Fußnote gereicht?

Die Antwort finden wir nicht auf der Makroebene: Wir müssen die Perspektive in ähnlicher Weise wechseln, wie es auch die Münsteraner auf ihrem achten Studioalbum tun. Von großen globalpolitischen Missständen und gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen richtet sich der Blick nach innen. Als müsse man zunächst bei sich selbst anfangen, um jemals zum Glück zu finden; als müsse man loslassen können, wie uns „Pacifier“ rät.

NEAERA setzen auf Bewährtes, ohne sich vor neuen Ideen zu verschließen

Dass das leichter gesagt als getan ist, demonstrieren NEAERA im Folgenden derweil selbst, indem sie sich musikalisch vorwiegend doch an ihren erprobten wie unkaputtbaren Sound klammern. Warum „All Is Dust“ dennoch nicht schal aus den Boxen klingt, ist dem offenen Horizont des Quintetts zu verdanken. Obgleich das erwähnte „Pacifier“ sofort ein heimeliges Gefühl heraufbeschwört, wenn die bandtypische Melodieführung dem massiven Unterbau die Marschrichtung vorgibt, verschließt sich die Band nicht vor neuen Ideen.

So hätten wir uns das getragene „In Vain“, welches in seiner Verzweiflung der schwermütigen Seite HEAVEN SHALL BURNs nicht unähnlich ist, durchaus als Instrumentalstück vorstellen können, finden in Shouter Bennys emotionalen Screams jedoch genug Weltschmerz, um selbst lauthals gen Himmel schreien zu wollen. Stilistischen Ausflügen setzen NEAERA dabei vertraute Handschrift entgegen, indem etwa der Titeltrack Death- und Black-Metal-Riffing gezielt gegen einen walzenden Breakdown auflaufen lässt.

Ihren Sound haben NEAERA mittlerweile durch eine Vielzahl an Facetten angereichert

Diese Versatzstücke verschmilzt die Formation mit all ihrer Erfahrung so natürlich, dass die Übergänge fließend, die Experimente geradezu organischer Natur sind. „All Is Dust“ gelingt somit der Spagat zwischen traditionellen Tugenden und Fortentwicklung, die sich in erster Linie bei näherer Auseinandersetzung offenbart. Ihr Metalcore-Fundament haben NEAERA nämlich mittlerweile durch so viele Facetten angereichert, dass die Reduzierung auf einzelne Kategorien zu kurzgefasst wäre. Fast gleichberechtigt sitzen Death, Black und Melodic Death Metal der AT THE GATES-Schule (“Into The Hollow”, „Edifier“) an dessen Seite und treten mal mehr, mal weniger in den Vordergrund.

Diese Konstanz spiegelt sich auch im Gesamtkontext, wo einzelne Standout-Tracks einem durchweg hohen Gesamtniveau den Vortritt lassen. Uns ist das angesichts der durchgehenden Intensität des Albums in jedem Fall recht, obgleich wir uns in produktionstechnischer Hinsicht eine klarere Präsenz der Vocals gewünscht hätten. So gut verständlich wie in der Vergangenheit ist Fronter Benny, dessen ganz hohe Screams diesmal rar gesät sind, aufgrund der Platzierung im Mix nicht immer.

“All Is Dust” ist entschlossen, rebellisch und reflektiert

Aber mal ehrlich: Was ist schon ein kleiner Wermutstropfen wie dieser im großen Ganzen? Eine kleine Randerscheinung, der wir nicht die größte Bedeutung zumessen wollen, solange uns NEAERA das Dasein als eigentlich unbedeutendes Sandkorn ein kleines bisschen erträglicher gestalten – und damit indirekt auch die aufgeworfene Fragestellung beantworten. Um als kleines Staubpartikel im Angesicht der Welt nicht gänzlich der Verzweiflung zu erliegen, schaffen wir uns den Sinn unserer Existenz womöglich selbst. Als Ausdruck dessen ist „All Is Dust“ wohl ein Paradebeispiel: entschlossen, rebellisch, reflektiert und letztlich eben auch kreativ.

Veröffentlichungstermin: 28.06.2024

Spielzeit: 47:35

Line-Up

Benny Hilleke – vocals
Stefan Keller – guitars
Tobias Buck – guitars
Benjamin Donath – bass
Sebastian Heldt – drums

Produziert von Janosch Rathmer und Kristian Kohle (Mix und Mastering)

Label: Metal Blade

Facebook: https://www.facebook.com/neaeraofficial

NEAERA “All Is Dust” Tracklist

  1. Antidote to Faith
  2. Pacifier (Video bei YouTube)
  3. All is Dust (Video bei YouTube)
  4. Swords Unsheathed
  5. Per Aspera
  6. Edifier
  7. In Vain (VEIL-Cover)
  8. Render Fear Powerless
  9. Dividers
  10. Into the Hollow
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