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MIDNIGHT: Hellish Expectations

Das punk’n’rollige Black/Speed Metal-Ein-Mann-Kommando MIDNIGHT entfacht auf “Hellish Expectations” eine hymnische Gewaltorgie und übertrifft die Erwartungen meilenweit!

Rabinowitz: “Topper, what are you reading?”

Topper Harley: “Great Expectations.”

Rabinowitz: “Is it any good?”

Topper Harley: “It’s not what I’d hoped for.”

Irgendwie musste ich umgehend an jenen kurzen Dialog aus der filmischen Komödie “Hot Shots! Part Deux” denken, als mir der Titel von MIDNIGHTs neuester Scheibe “Hellish Expectations” ins Auge fiel.

Cleveland-Rabauke Athenar, der ein Dauerabo auf das englische Wort für Luzifers Wirkungsstätte abgeschlossen hat, umschreibt im typischem Sprachjargon mit diesen zwei Worten seinen sechsten Angriff auf gutbürgerliche und eingefahrene (Metal?-) Konventionen und verbalisiert damit zugleich die Erwartungshaltung, die eigentlich mit allen Alben, EPs sowie seinen Split- und Compilationbeiträgen seines 2003 ins Leben gewürgten Projekts einhergeht: nämlich wie hoch der Zerstörungsgrad denn diesmal ausfallen wird?

Blicken wir aber erstmal zurück: “Satanic Royalty”, nach acht Jahren Anlauf MIDNIGHTs erstes vollumfassendes Songkompendium, schlug 2011 wie eine Bombe in der Szene ein und ist dabei nichts weniger als ein perfekter und makellos-primitiver Schmelztiegel aus Black Metal, Punk, Speed Metal, NWOBHM und einem gehörigen Schuß Rotz’n’Roll – ein energiegeladener und asozialer Bastard, bei dem VENOM, HELLHAMMER, BATHORY, SODOM und MOTÖRHEAD ebenso Pate standen wie POISON IDEA und die THE STOOGES.

Der in einer Arbeiterfamilie aufgewachsene Athenar, eigentlich Jamie Walters, hat mit unbekümmerter Schrammelmentalität und beißendem Krächzorgan all diese Einflüsse durch den Fleischwolf gedreht, einmal kräftig gewürzt und mit dem Endprodukt den Nerv unzähliger endorphinsüchtiger Metal-Grobiane getroffen! Und nicht zuletzt einen Klassiker der Neuzeit respektive mit dem alles überragenden “You Can’t Stop Steel” eine postmillenniale Stahlhymne für die Ewigkeit erschaffen!

Das nahezu ebenbürtige, allerdings mit mehr Heaviness bestückte “No Mercy For Mayhem” konnte keine drei Sonnenwanderungen um die Erde später das Standing dieser One-Man-Show untermauern. Wenngleich hier noch evidenter wurde, dass MIDNIGHTs Stärke nicht nur in ungezügelten Rüpeleien, sondern auch in einem bemerkenswertem Feinsinn für sich hartnäckig festsetzende Hooks und Melodien im klassischen Heavy Metaloutfit, allen voran natürlich IRON MAIDEN, liegt. Ein Trademark, welches auf den darauffolgenden Longplayern immer häufiger und prominenter anzutreffen war und letztendlich im vergleichsweise sauber produzierten und geschniegelten “Let There Be Witchery” (2022) kulminierte. Obwohl das teuflisch-königliche Debüt bislang qualitativ unerreicht blieb, sprechen wir – bis auf das etwas durchwachsene “Sweet Death And Ecstasy” – bis dato immer von hervorragenden Platten, die eine Metalparty übelst zum Eskalieren bringen können.

“Verdammt nochmal, wie ist denn nun die neue MIDNIGHT”, fragt ihr euch sicherlich schon ungeduldig.

Lasst es mich mit dem Refrain des stürmischen Eröffnungssongs ausdrücken:

“Expect no torture, expect no mercy… EXPECT TOTAL HELL” !!!

“Hellish Expectations” reckt den Mittelfinger weit nach oben

“Hellish Expectations” reckt den weit nach oben gestreckten Mittelfinger all denjenigen entgegen, die der Meinung waren, dass Mr. Walter mit seinem nach der Punkband BOULDER gegründeten Soloprojekt nach so vielen Jahren der alles zerfetzende Biss der Anfangstage abhanden gekommen sei.

Doch weit gefehlt: In ultraknackigen 26 (!) Minuten fegt MIDNIGHT auf seinem sechsten Eisen mit rougher Assi-Keule und nonchalanter Haudraufattitüde wie ein wild gewordener und wütender Teenager durch das Zimmer und hinterlassen in fast nicht mehr für möglich gehaltenem Eifer eine Schneise der infantilen Verwüstung! Athenar, der allerdings mittlerweile sein fünftes Lebensjahrzehnt (!) abgeschlossen hat, keift im zornesroten Bereich Gift und Galle ins Aufnahmemikro und wirkt nicht nur beim ungestümen “Gash Scrape” oder “Nuclear Savior” so angepisst wie seit Ewigkeiten nicht mehr. Dass sich seine aggressiven Vocals immer im leicht übersteuerten Bereich bewegen, macht die Sache nur noch abgefuckter.

Bemerkenswert ist also, dass sich MIDNIGHT bewusst ein Stück weit zur originär primitiven Natur der Prä-”Satanic Royalty”-Zeit zurück orientiert, ohne jedoch den damaligen – auch wegen überschaubarer handwerklicher Fähigkeiten – amateurhaften Einspielergebnissen nach VENOM-Art nachzueifern.

Denn MIDNIGHT bzw. vielmehr Jamie Walters – der auch für “Hellish Expectations” niemand anderen an Bass, Gitarre und Schlagzeug gelassen hat – ist an diesen Instrumenten zwar auch weiterhin alles andere als ein feingeistiger Perfektionist, aber über die Jahre als Musiker und Songwriter enorm gewachsen. Und weiß – trotz aller Fuck off-Mentalität und entfesselter Spontanität – um den Wert einer sauber gespielten und prägnanten Hookmelodie und eines tighten und möglichst punktgenauen Schlagzeuggekloppes.

MIDNIGHT gönnen einem wenig Verschnaufpausen

Und genau das bekommt man auf “Hellish Expectations” mit voller Wucht in die Fresse geschlagen: eine explosive Liaison aus gemeingefährlicher “Komm mir nicht in die Quere”-Mentalität einerseits und hammermäßig, on point gezockte instrumentale Wertarbeit andererseits, die diesem Album eine ganz besondere Aura verleiht. Nicht zuletzt auch, weil dabei Verschnaufpausen rar gesät sind.

MIDNIGHT reißt so in den allermeisten Fällen in schönster Punkmanier in maximal drei Minuten alle Wälle nieder und fegen über einen wie beim D-Beat-Smasher “Deliver Us To Devil” oder “Nuclear Savior” im erhöhten Tempo gnadenlos hinweg, schreit einen beim garstigen “Doom Death Desire” in Grund und Boden oder fährt auch mal wie bei “Slave Of The Blade” einen charmant vor sich hin swingenden MOTÖRHEAD-Groove auf. Ohnehin strahlt Lemmys musikalisches Vermächtnis und Attitüde auf diesem Teil aus jeder Pore raus!. Und das so reduziert, so basisch, so zielstrebig und so kompromisslos, wie es in der Gesamtform wohl noch auf keinem MIDNIGHT-Album zu finden war! Lediglich das im dunklen Hinterhalt lauernde und voller Mordlust stampfende “Mercyless Slaughtor” und der frivole Midtempo-Banger “Dungeon Lust” durchbrechen diese Phalanx aus kurzen, rasanten Gitarrenläufen und nach vorne peitschenden Felleinschlägen.

Die konzeptionelle Erfolgsformel wird auf dem selbstproduzierten und erneut von Noah Buchanen abgemischten “Hellish Expectations” im Prinzip nur minimal verändert, hat aber im Outcome große Auswirkung. Gegenüber “Let There Be Witchery” drängt sich statt traditioneller Heavy Metal-Schönheit nun im stärkeren Maße die hässliche Fratze der stumpfen und dreckig verzerrten Black/Speedmetalriffs massiv nach vorne. Und diese flutschen in all ihrem gefährlich anmutenden Charakter dank wieder einmal Athenars herausragendem Harmonieverständnis megageschmeidig ins Ohr und werden von selbigem in den aufs Nötigste komprimierten Songs mit nur so vorbeizischenden Soli veredelt. Das Motto: If in doubt … play faster!

Dass dieser rohe Exzess als direkte Antwort auf das zurückliegende Album zu verstehen ist, gibt folgendes Statement von Athenar wieder:

“It’s a knuckle dragger with a fat cutoff. Pure testosterone meat. Probably the most concise and straight to the point Midnight album to date, and all written in a weekend. The album was written on pure reaction upon leaving the studio after listening to raw tracks from the previous album Let There Be Witchery. The final mix of that album was good, but at the time of laying it down in the studio, I didn’t like what I was hearing and demanded a new leviathan of an album to be written that weekend.”

MIDNIGHT zündet die nächste Raketenstufe

Das “Hellish Expectations”-Testosteronfleisch ist also übers Wochenende in eine dickflüssige Marinade aus ungebändigten Energien eingelegt worden! Denn MIDNIGHT verkörpert im Kern seit jeher pure, ekstastische Chaoskraft und maximale Impulsivität und kitzelt davon auf diesem Album mit einer Nonne als Glockenschlegel auf dem Cover (veranwortlich für diese szenische Tat ist wieder einmal William Lacey) auch die letzten sich versteckenden Prozentpunkte mit entschiedenem Nachdruck heraus.

Nicht zuletzt seit “Rebirth By Blasphemy” und dem damit verbundenen Wechsel zu Metal Blade ist das vermummte Ein-Mann-Gebilde, das on stage zu einem ebenso gesichtslosen Trio Infernale aus wechselnden kapuzentragenden Ghouls… entschuldigt, das ist ne andere Band… kapuzentragenden “Violators” mutiert, zu einem Big Player im Underground Metal Music Business geworden. Während andere Bands sich erstmal auf dem bislang Erreichten ausruhen und die Lorbeeren auf dem Siegerkranz zählen, starten die kultigen MIDNIGHT mit “Hellish Expectations” so richtig durch und zünden ohne Rücksicht auf Verluste die nächste Raketenstufe. Dabei wälzt sich das punk’n’rollige Black/Speed Metal-Kommando wieder hemmungslos mit seinem ganzem Körper in der Lust, Filth and Sleaze-Suhle und hat mit “Hellish Expectations” eine hymnische Gewaltorgie entfacht, die in nicht mal einer halben Stunde ins Ziel kommt, aber dafür mächtig Höllenfeuer im Arsch hat. Das dürften auch die anstehenden Shows im April belegen.

Erwartungen somit meilenweit übertroffen!

A real “Hot Shot”! Hell, yeah!!!

 

Veröffentlichung: 08. März 2024

Label: Metal Blade Records

Spielzeit: 25:31

Line Up:

Athenar – Vocals, Guitar, Bass, Drums

Recorded By: Midnight

Mixed/Engineered By: Noah Buchanen

Coverartwork: William Lacey

Die MIDNIGHT “Hellish Expectations”  Tracklist:

01. Expect Total Hell
02. Gash Scrape
03. Masked and Deadly
04. Slave of the Blade
05. Dungeon Lust
06. Nuclear Savior (Audio bei YouTube)
07. Deliver Us to Devil
08. Mercyless Slaughtor
09. Doom Death Desire
10. F.O.A.L. (Video bei YouTube)

MIDNIGHT: Cyclone, High Command Tour 2024:

04.04.2024 Turock – Essen
05.04.2024 Kulturpalast – Hamburg
07.04.2024 Roxy – Flensburg
11.04.2024 Goldgrube – Kassel
12.04.2024 Bastard Club – Osnabrück
20.04.2024 No Playback Festival – Remchingen
21.04.2024 Schlachthaus – Dornbirn, AT
23.04.2024 Gaswerk – Winterthur, CH
24.04.2024 Backstage – Munich
25.04.2024 Viper Room – Vienna, AT
27.04.2024 Lido – Berlin
28.04.2024 Chemiefabrik – Dresden

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