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MARTA GABRIEL: Metal Queens

MARTA GABRIEL, Frontfrau der polnischen Power-Metal-Hopefuls CRYSTAL VIPER, veröffentlicht mit „Metal Queens“ ihre Hommage an starke Frauen des Metal in den 80ern Jahren. Ein Cover-Album und notwendiges Korrektiv für eine Zeit, in der noch immer der Machismo im Metal regierte: zudem ein Album, das wirklich viel Spaß macht! Banger en masse: aus einer Zeit, als Metal noch wild und unberechenbar war.

Whoop Whoop! Zunächst: Damn, ich bin spät dran mit dieser Rezension. Sehr spät. Bereits seit dem 16. Juli ist MARTA GABRIELS Cover-Album „Metal Queens“ auf dem Markt. Und irgendwann stellte ich mir die Frage: Macht es jetzt noch Sinn, dieses Album zu besprechen, zu empfehlen? Verdammt: Ja, es macht Sinn.

Denn solltet Ihr noch nichts von diesem Album, das ausschließlich aus Cover-Versionen besteht, gehört haben: Ich spreche hiermit schon einmal eine Kaufempfehlung aus. Weil es ein verdammt geiles Album ist. Und ein notwendiges Korrektiv. Ich will nicht zu hoch stapeln, aber: ein bisschen leistet MARTA GABRIEL hier Pionierarbeit. Sie gräbt bisher übersehene Perlen aus den 80ern und von Anfang der 90er Jahre aus. Metal-Bands mit Sängerinnen, Band-Leaderinnen: Bands, die vielleicht genau deshalb übersehen wurden, weil sie dem heutigen Genre (Ich hasse es!) Female Metal zuzuordnen wären. Und in einer Zeit erschienen sind, als Machismo noch allgegenwärtig im Metal war.

Genau dies ist ja das Problem: Anfang der 90er Jahre kann ich mich noch an Debatten erinnern, in renommierten Metal-Zines (Ich nenne keine Namen), in denen drüber diskutiert wurde, ob eine Gitarristin oder Sängerin eine gute Gitarristin oder Sängerin sein kann. Einfach deshalb, weil sie eine Frau war und ist. Um mich klar zu positionieren: Das war bitter, das war unendlich doof. Für die Qualität der Musik ist es einfach nicht entscheidend, ob du einen Elefantenrüssel zwischen deinen Beinen trägst (alternativ: Donnernudel, Fleischrakete, einen 12-Pfund-Kolben, Schniedelwutz). Es ist egal, welches primäre Geschlechtsmerkmal du dein Eigen nennst. Die ersten Musiker*innen, die ihre Gitarre mit ordentlich Distortion und elektrischer Verzerrung spielten, dreckig und rau, waren Frauen. Memphis Minnie. Rosetta Tharpe. Noch lange vor JIMI HENDRIX, den ROLLING STONES und BLACK SABBATH. Ich hatte es schon in einer anderen Rezension erwähnt, ich muss es erneut erwähnen. Weil mich dieses Machismo-Dings aufrichtig ankotzt.

Hier kommt nun MARTA GABRIEL mit einem Album um die Ecke, das den (Es ist dem Albumtitel unschwer zu entnehmen) „Metal Queens“ der 80er Jahre huldigt. Und das ist schon eine kleine Sensation. Wer mit ihrem Schaffen bisher nicht vertraut ist: Marta ist die Sängerin der polnischen Power-Metal-Hopefuls CRYSTAL VIPER. Eine Band, die sich stillheimlich in die Beletage des europäischen Metal gespielt hat, mit einer treuen und hungrigen Fanschar. Das liegt nicht zuletzt an Martas Stimme. Rau, voluminös, markant. Der Bandname kommt – vielleicht – nicht von ungefähr. Mitunter erinnert Martas Stimme an unsere sehr geschätzte JUTTA WEINHOLD, die bei den Schlangen von VELTVET VIPER für offene Münder sorgte und sorgt. Legende! Eine der markantesten des Genres. Das kann doch kein Zufall sein.

Dass sie sich nun am 80er-Metal versucht, verdient auch Erwähnung. 1984 geboren, hat Marta viele dieser Bands nicht in ihrer Hochzeit erlebt. Aber besitzt (das ist dem aktuellen Deaf-Forever-Mag zu entnehmen) viele der gecoverten Songs auf Vinyl, Originalpressung. Eine begeisterte Sammlerin. Viele dieser Platten dürften mittlerweile ein Vermögen wert sein, gesuchte Sammlerstücke: eine bessere Altersvorsorge als die Riester-Rente.

Der Sound der 80er ist allpräsent

Eins vorweg: Der Sound kommt sehr viel oldschooliger daher als der – mitunter auch moderner und komplexer tönende – Sound der Hauptband. Denn Marta orientiert sich schon stark an den Originalen der 80er Jahre. Hier gibt es satte “Reck-deine-Faust-in-die-Luft”-Hymnen, stampfende Midtempo-Grooves und speedig angehauchte Uptempo-Nummern. Songs, die Spaß machen sollen und den kämpferischen Spirit einer Zeit einfangen, als die Kutte noch ein Statement war und der Vokuhila nicht nur ein Accessoire in Berlin-Mitte-Szenekneipen. Das ist auch ein Trumpf des Albums. Über die ganze Spielzeit hinweg ist ein unglaublicher Enthusiasmus zu spüren, Freude an der Sache. Ein großes Wort, aber: wahre Liebe.

Und es ist auch eine Fundgrube. Denn MARTA GABRIEL entpuppt sich als kompetente Kennerin des Genres, keineswegs gräbt sie nur altbekannte Kammellen hervor. Das gilt speziell beim Blick über den großen Teich. Von CHASTAIN hat sie “Light in the Dark” vom Album “For those who dare” ausgegraben. Eine tolle Halbballade mit virtuosen Gitarren-Licks, Ami-Metal per Exzellenz: der seinerzeit, im Jahr 1990, ein wenig unter seiner blechernen Produktion litt. Sängerin Leather Leone hatte ein geiles, kratziges Organ, das Marta wunderbar einfängt. Und sie hat sich prominente Unterstützung geholt: Den männlichen Gesangspart übernimmt JAG-PANZERs Harry Conklin. Tolles Duett, tolle Nummer. Sollte man im Original wie in der Coverversion kennen.

Höllischst gefreut habe ich mich auch über die Coverversion von “Bad Attitude” von HELLION, seinerseits 1987 auf dem Album “Screams in the Night” erschienen. Mein Gott, deren Frontfrau Ann Boleyn ist eine der beeindruckendsten Persönlichkeiten, die die Metal-Welt je hervorgebracht hat. Eine Portion unnützes Wissen gefällig? Boleyn spielte Ende der 70er Jahre in unzähligen Horror-B-Movies mit, bevorzugt als Vampirfrau. Sie gründete 1985 das Label New Renaissance Records, wo die erste Platte der ROCK CITY ANGELS (mit einem gewissen Johnny Depp an der Gitarre) erschien. Und wo auch die ersten Songs von SEPULTURA veröffentlicht wurden. Es geht also schon in Ordnung, wenn die Frau behauptet, ihre Familie verfügte vor mehreren Generationen über Zauberkräfte, die dann aber verloren gegangen seien. Ach, Linguistin soll die Boleyn auch sein, an der University of California in Los Angeles. Schwerpunkt: Altnordische Sprachen. Eine Persönlichkeit, die einem gewissen Bruce Dickinson in nichts nachsteht. Mittlerweile soll sie als Rechtsanwältin arbeiten, behauptet VICE, bevorzugt im Kampf gegen Sexismus. Können wir bitte alle mal einen Ann-Boleyn-Fanclub gründen? Und weil es hier ja primär um Musik geht: “The Black Book” von 1991 ist ein Must-have für alle Freunde des Ami-Metals, das in keiner Plattensammlung fehlen darf.

Ebenfalls geil: Das komplett in Spanisch gesungene “Reencarnacion” der spanischen Metal-Band SANTA aus Madrid, ursprünglich 1984 aufgenommen. Eine sensationell groovende Mid-Tempo-Nummer mit schneidenden Gitarren und ordentlich Biss. Kennt Ihr nicht? Kein Problem: kannte ich bisher auch nicht. Aber macht verdammt Gaudi: und auch, wenn ich nur drei Semester Spanisch an der Uni gelernt habe (Ich scheiterte kläglich: Me llamo Mirko! Meine trinkfreudigen kolumbianischen Freunde mögen es entschuldigen), scheint Marta das quasi akzentfrei hinzubekommen. Und wie ich schon erwähnt hatte: Es gibt auf dem Album einiges zu entdecken. MALTEZE mit “Count Your Blessings” (1990)? Kult! BLACKLACE mit “Call of the Wild”? Superkult! Bands, bei denen es sich lohnt, wiederentdeckt zu werden. Und denen vielleicht auch deshalb der große Erfolg verwehrt geblieben ist, weil Metal in den 80ern eben doch auch eine ordentliche Portion Machismo zu eigen gewesen ist. Hallo? Das hier sind Songperlen, kompetent vorgetragen von einer spielfreudigen Band!

Auch große Namen sind vorhanden

Ja, neben all dem undergroundigen Stoff sind auch bekanntere Namen vorhanden. DORO PESCH mit WARLOCK: vielleicht, was ja sympathisch ist, unvermeidlich. Marta hat sich entschieden, “Mr. Gold” zu intonieren: flotte Uptempo-Nummer, Opener des 1986er-Albums “True as Steel”. Einen Literaturnobelpreis werden Doro und ihre Mannen vermutlich nie gewinnen, der Song ist catchy as hell. “See the master of evil/ Diamonds in his eyes/ Fingertips like a needle/ Stab you from behind/ He’ll pay any price”, warnt uns Doro vor den Verlockungen des schnöden Mammons. Ist das schon Kapitalismus-Kritik? Vielleicht. Macht halt leider Spaß. Gang-Shouts im Refrain, und einen kleinen Minus-Punkt gibt es, weil Marta nicht diesen sympathischen rheinländischen Dialekt in ihrer Stimme hat. Ja sorry: Wer Doro-Fan ist, will sie definitiv nicht mit perfektem Englisch hören.

Auch LEE AARON wird gehuldigt: Hier gibt es den Song “Metal Queen” von 1984. Viele kennen sie nur für ihre poppig angehauchten AOR-Rock-Songs der späten 80er: Stimmt nicht. “Metal Queen” war eine geil stampfende, episch angehauchte Metal-Nummer, für die sich DIO ganz sicher nicht geschämt hätte. Epic-Metal, hallo? Kennen ATLANTEAN KODEX ihre Einflüsse? Macht auch in der Interpretation von MARTA GABRIEL tierischsten Spaß. Kompetentes Futter für Kutten-Träger der alten Schule.

Fazit: Das hier ist gut, das hier macht Spaß. Ist kultig, das ist TRUE. Mit allen Nebenwirkungen. Zum Glück auch mit einem Augenzwinkern. Wer jetzt ihre Begleitmusiker*innen sind, ist mir leider entfallen: Der Promo-Zettel, frisch ausgedruckt und in die Po-Tasche meiner Jeans gesteckt, rotiert gerade in der Waschmaschine. Aber es ist klar: Das hier ist kompetent und gut gespielt. Es müssen gute Musiker sein.

Release: 16. Juli 2021 via Listenable Records
MARTA GABRIEL bei Facebook

MARTA GABRIEL “Metal Queens” Tracklist:

01. Max Overload (ACID-Cover)
02. Metal Queen (LEE AARON-Cover) (Audio bei YouTube)
03. Call Of The Wild (BLACKLACE-Cover feat. Todd Michael Hall)
04. Light In The Dark (CHASTAIN-Cover feat. Harry Conklin)
05. Rebel Ladies (ZED YAGO-Cover)
06. My Angel (ROCK GODDESS-Cover feat. John Gallagher)
07. Count Your Blessings (MALTEZE-Cover, Video bei Youtube)
08. Goin’ Wild (WENDY O’ WILLIAMS-Cover)
09. Bad Attitude (HELLION-Cover)
10. Reencarnacion (SANTA-Cover)
CD-Bonustrack:
11. Mr. Gold (WARLOCK-Cover)

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