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LILI REFRAIN: Mana

Authentisch rituelle Klänge mit einem ungewöhnlichen musikalischen Ansatz: Die italienische Solokünstlerin LILI REFRAIN sorgt auf „Mana“ für einige Gänsehautmomente.

Die Kraft eines Rituals – und damit meine ich nicht morgendliches Zähneputzen oder ein versoffenes URFAUST-Konzert, oder was sonst großspurig als solches beschrieben wird – kann viel im Menschen verändern. Selbst als Zeuge eines Rituals strahlt da oft etwas auf einen selbst ab. Wer in gutem Kontakt mit sich selbst steht, dem ist schnell klar, was authentisch ist und was ein billiger Taschenspielertrick. Der Erfolg von Bands wie HEILUNG und WARDRUNA kommt nicht von ungefähr, da sei es mal dahingestellt, wie authentisch diese beiden Big Player sind, aber in vielen Menschen ist eine große Sehnsucht nach Spiritualität, die durch das Versagen religiöser Instanzen weltweit nicht befriedet werden kann.

Nun ist da eine Musikerin aus Rom namens LILI REFRAIN, der ich Authentizität unbedingt unterstelle. „Mana“ ist ihr drittes Album und das erste seit 2013. In vierzig Minuten spüre ich tatsächlich eine Kraft, zu der ich nicht so wirklich Zugang habe, und vielleicht finde ich dieses Werk gerade deshalb so spannend. „Mana“ ist ein sehr kraftvoll weibliches Album, in einem sehr archetypischen Sinne. Die Worte, die mir in den Kopf kommen, sind Zorn, Wildheit, Fruchtbarkeit, Liebe, Dunkelheit, Feuer, Ekstase, Erde. Sind das stereotype Bilder? Vielleicht. Auf jeden Fall ist hier eine Frau auf dem Weg, Frieden mit den Elementen zu machen. Und sie dabei zu begleiten, ist absolut lohnenswert.

Im archetypischen Sinne ist „Mana“ ein sehr kraftvoll weibliches Album, das von LILI REFRAIN absolut authentisch performt wird.

Musikalisch schielt LILI REFRAIN in die verschiedensten Richtungen, sodass „Mana“, äußerst grob gesagt, zwischen ANNA VON HAUSSWOLFF, SWANS und HEILUNG landet. Das mag schwer vorzustellen sein, funktioniert in der Realität aber recht organisch. LILI REFRAIN zelebriert ihre Musik mit rituellen Rhythmen und verschiedensten Percussions, einer Fülle an Synthesizern und zeigt gerade stimmlich enorme Leidenschaft. Dabei nimmt sie sich Zeit, ihre Musik atmen zu lassen. Und tatsächlich entfalten sich weniger die einzelnen Stücke, als das gesamte Album. „Mana“ zieht nach und nach immer mehr Kraft aus der Erde und schickt sie in den Nachthimmel.

„Kokyo“ ist noch recht getragen und baut Spannung auf, die sich mit „Eikyou“ löst. Ekstatischer Gesang, eklektisches Drumming und mysteriöse Orgeln jagen immer wieder Schauer über den Rücken. Das steigert LILI REFRAIN mit „Ahi Tapu“ noch zusätzlich auf allen Ebenen und erzeugt somit das beste Stück des Albums. Das Album hat davon abgesehen eine ruhigere, reduzierte Seite. „Ichor“ und „Sangoma“ ist ein zweiteiliges Klagelied mit vereinzelten Percussions, dröhnenden Synthesizern und einer unglaublichen Gesangsperformance, die in einer gewaltigen Sopranstimme gipfelt.

LILI REFRAIN überzeugt mit gewaltiger Gesangsperformance, doch „Mana“ ist auch instrumental äußerst vielschichtig.

Schade, dass „Travellers“, das wohl als Klimax des Albums konzipiert wurde, als Combobreaker fungiert. Hier kommen bei einem wilden Tanz als Steigerung recht plumpe NDH-Gitarrenriffs zum Einsatz, die eher irritieren, als kraftvoll unterstützen. Dass am Ende der Jeff Alexander-Klassiker „Come wander With Me“ in diesem Rahmen kurz angestimmt wird, versöhnt dann doch etwas. Immerhin, die Faszination des Albums bleibt auch so ungebrochen.

Im richtigen Setting muss diese Musik vor allem Live eine Offenbarung sein. Zu Hause konsumiert, lädt „Mana“ eher zur introspektiven Arbeit, passt aber genauso zu einem Tanz um das Feuer. Obwohl, wer so etwas plant, hat mit LILI REFRAIN einen ausgezeichneten Soundtrack. Überhaupt, diese Musik ist nicht für die Ratio, sie ist perfekt um die Archetypen in sich zu nähren. Und da sind wir wieder bei der urtümlichen Kraft, die „Mana“ durchströmt. LILI REFRAIN gebiert ihre Musik und schreibt sich nicht. Damit ist eigentlich alles gesagt. Ein starkes, ungewöhnliches Album.

Wertung: 7 von 9 ekstatische Reigen

VÖ: 21. April 2022

Spielzeit: 40:15

Line-Up:
LILI REFRAIN – Taiko Floor Tom, Bass Drum, Glockenspiel, Gong, Bells, Crotales, Jingles, Air Conditioner Metal Tube, Trowel, Acoustic and Electric Guitars, Synth and Voices

Label: Subsound Records

LILI REFRAIN „Mana“ Tracklist:

1. Ki
2. Kokyu
3. Eikyou
4. Ichor
5. Sangoma
6. Mami Wata
7. Ahi Tapu
8. Travellers
9. Earthling

Mehr im Netz:

https://lilirefrain.bandcamp.com/
http://lilirefrain.blogspot.com/
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