KING WOMAN: Celestial Blues

Sündenfall statt Märtyrerqualen: KING WOMAN präsentieren sich auf „Celestial Blues“ als gefallene Engel und gehen einen kleinen, aber selbstbewussten Schritt nach vorn.

Dass das Himmelspersonal auch anders kann, als zu frömmeln und frohlocken, ist nicht erst seit „Heaven And Hell“ bekannt. Rauchen, saufen, spielen und ficken, das ist doch das Salz in der Suppe des Lebens, denkt sich der eine oder andere. Der Sündenfall ist viel anziehender als das Dasein als Märtyrer. Kristina Esfandiari hat das wohl begriffen, immerhin war das Debütalbum von KING WOMAN voller mythologischer und religiöser Querverweise und nicht selten klang sie mit ihrer tiefen, schwebenden Stimme, als würde sie ähnlich der Jean d’Arc Märtyrerqualen ausgesetzt.

KING WOMAN zelebrieren auf „Celestial Blues“ die Sünde mit Heaviness und einer starken Stimme

Dass nach der Verbannung aus dem Himmelreich ein „Celestial Blues“ entsteht, liegt in der Natur der Dinge. Und entsprechend ist das zweite Album der Band aus Oakland auch etwas scharfkantiger, als das Debüt, das sich immer wieder im Shoegaze verirrte. KING WOMAN zelebrieren die Sünde mit krachenden Riffs, wuchtigen Drums und pumpenden Bass – und doch ist da immer noch die leise Seite der Band, die aber eher aus dem Bedürfnis nach Dynamik entsteht. Das Grundgerüst für Kris Esfandiaris Stimme wird somit geschaffen, und wer sich zum Debüt beschwert hat, dass sie nur säuseln kann, erlebt die Sängerin auf neuen, kraftvollen Wegen.

„Celestial Blues“ ist wie schon „Created in The Image of Suffering“ roh und ungeschliffen, stilistisch aber breiter aufgestellt und definierter. Der Shoegaze-Doom ist nur mehr der Ausgangspunkt für das, was auf diesem Album passiert. Eine zärtliche Härte tritt gleich zu Anfang ins Gesicht, durch eine brachiale Wand aus Riffs und zähen Rhythmen mit schmerzendem Gesang gehen KING WOMAN in medias res. Danach wechseln sich leise und laute Songs ab, wobei Letztere im Spannungsfeld zwischen Sludge und Grunde liegen und bei weitem nicht so sehr mitreißen, wie das etwas leisere, eigenständige Material.

KING WOMAN sind Heilige und Hure zugleich

„Bohgz“ klingt beispielsweise zu sehr nach „Hiss/Spun“ von CHELSEA WOLFE um wirklich zu begeistern und „Coil“ richtet die Wut zu ziellos aus. Stücke, die in der leisen wie der lauten Welt zu Hause sind, wie „Entwined“ und „Psychic Wound“ wirken schon besser, weil das Songwriting hier ausgewogener ist und mit Kristina Esfandiari besser in der Balance ist. Und dann sind da zwei wirkliche Juwele zu hören: Das hypnotische „Morning Star“, das langsam eine Sogwirkung entfacht und das mit folkigem Cello unterlegte „Golgotha“ sind vergleichsweise leise, aber umso eindringlicher.

„Celestial Blues“ lebt von einigen ausgezeichneten Songs und einer starken Dramaturgie

KING WOMAN stehen im Schatten von CHELSEA WOLFE und EMMA RUTH RUNDLE und können keine ähnlichen Akzente setzen wie LINGUA IGNOTA, aber ihr zweites Album präsentiert sie gleichermaßen Hure und als Heilige. Stimmlich ist Kristina Esfandiari eine reife Leistung gelungen, ihre markerschütternden Schreie sitzen ebenso wie ihr zärtlich gehauchter Gesang. Einen Übersong wie „Hierophant“ gibt es auf „Celestial Blues“ zwar nicht, dafür sind die neun Songs in sich stimmiger und das Album überzeugt mit einer starken Dramaturgie. Vier Jahre nach „Created in The Image of Suffering“ machen KING WOMAN einen kleinen, aber selbstbewussten Schritt nach vorn.

Wertung: 6 von 9 Ausschweifungen

VÖ: 30. Juli 2021

Spielzeit: 40:57

Line-Up:
Kristina Esfandiari – Vocals
Peter Arensdorf – Guitars, Bass
Joseph Raygoza – Drums

Label: Relapse Records

KING WOMAN „Celestial Blues“ Tracklist

1. Celestial Blues
2. Morning Star (Official Video bei Youtube)
3. Boghz
4. Golgotha
5. Coil
6. Entwined
7. Psychic Wound
8. Ruse
9. Paradise Lost

Mehr im Netz:

https://kingwoman.bandcamp.com/
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