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HAMFERÐ: Men Guðs hond er sterk

Ein Requiem für 14 tote Seeleute: HAMFERÐ geben sich auf „Men Guðs hond er sterk“ mittels bedrückendem Doom-Death der Hand Gottes hin.

Was ist eigentlich tragischer, wenn Männer auf See bleiben und ihre ohnehin verarmten Familien trauern, oder wenn Wale aus ihren sehr sozialen Familienverbünden herausgerissen und grauenvoll abgeschlachtet werden? Nun, ich habe gelernt, dass man mit Färöern und Isländern – vor allem als Tourist – nicht über Waljagd reden soll, sofern man sich nicht auf emotionale Diskussionen einlassen will. Schließlich steckt diese aus mitteleuropäischer Sicht grausame Art der Jagd tief in der DNA der färöischen Bevölkerung und ist zentraler Teil der färöischen Folklore. Die Wahrheit ist eben auch, dass das Leben auf den kargen nordeuropäischen Inseln noch vor 100 Jahren ohne den Walfang (oder die Fischerei) schlicht nicht möglich gewesen wäre.

Dass HAMFERÐ nun mit „Men Guðs hond er sterk“ (dt: Doch Gottes Hand ist stark) ein ganzes Album einem der dramatischsten Unglücke der färöischen Seefahrerei widmen, passt punktgenau zur folkloristischen Ausrichtung der Band. Wie HAMFERÐ selbst zum Thema Walfjagd stehen, ist nicht bekannt, „Men Guðs hond er sterk“ ist jedoch mehr Dokumentation denn tragische Heldengeschichte oder Glorifizierung einer Barbarei. Das Unglück, das im Jahr 1915 in Sandvik passierte, kostete 14 Männern das Leben. Kurz zur Einordnung: 2015 lebten 87 Menschen in Sandvik. Wie einschneidend diese Sturmnacht gewesen sein muss, kann man sich ausrechnen. Dass HAMFERÐ darin nun das perfekte Fundament für ihre Doom-Death-Tragödien finden, ist selbsterklärend.

HAMFERÐ öffnen sich: Der massive Doom-Death bekommt auf „Men Guðs hond er sterk“ neue Facetten.

Auf den ersten Eindruck scheinen HAMFERÐ seit „Tamsins Likam“ kaum verändert zu haben. Die Tristesse eines Regentages dominiert das Album, Songs wie „Marrusorg“ führen die tragischen Songs des Vorgängers kongenial fort, doch beim dritten oder vierten Hören wird bewusst, wie viel schwärzer die Musik der Färöer geworden ist. War schon das letzte Album nicht gerade positiv, ist „Men Guðs hond er sterk“ in seiner Atmosphäre noch bedrückender und karger. Auch unter einem anderen Gesichtspunkt sind HAMFERÐ noch schwärzer: Zusammen mit Neu-Gitarrist Eyðun í Geil Hvannastein, hat sich auch das Riffing stellenweise verändert. In „Rikin“ und „Í hamferð“ verirren sich in das massive Death-Doom-Fundament Tremolo-Gitarren und kurze, schnelle Momente, die sogar die Grenze zum Blast Beat überschreiten. Auch mit dem hässlichen fast-schon-Sludge-Monster „Hvølja“ zeigen HAMFERÐ die Zähne – und sind in diesen fünf Minuten so packend wie kaum zuvor.

Gerade diese Momente sind es, die „Men Guðs hond er sterk“ mitreißend werden lassen, während die getragenen, feierlichen Momente mit dieser Intensität nicht mithalten können, Pathos hin oder her. Und auch das ein oder andere große Epos, das die Tränen ins Gesicht treibt, fehlt auf dem Album, dabei performen die Instrumentalisten so, als wären es ihre eigenen Väter, die im Sturm umkamen. Immerhin wertet Jón Aldarás Stimme die Kompositionen auf. Sein Spektrum aus höllentiefen Growls bis hin zu großem Drama ist wie schon auf den letzten Alben ausgezeichnet und facettenreich. Auch die wuchtige Produktion von Gitarrist Theodor Kapnas, die mit ihrer Undurchdringlichkeit die Klaustrophobie an Bord eines dem Untergang geweihten Schiffs spürbar werden lässt, passt gut zu dem Drama von „Men Guðs hond er sterk“.

Bedrückend, karg und schwärzer als in der Vergangenheit: „Men Guðs hond er sterk“ zeigt HAMFERÐ als intensive Performer.

Das dritte Album von HAMFERÐ ist so voll mit nautischer Tragik, wie die Lunge einer Wasserleiche mit Salzwasser. Dass „Men Guðs hond er sterk“ dann auch mit einem Zeitzeugenbericht endet, verschafft am Ende die Gänsehaut, die man sich in den sieben Songs zuvor öfter gewünscht hätte: Der Radiomitschnitt aus den 1950ern wird über ein ruhiges Outro gelegt und lässt Album und Konzept noch viel greifbarer werden. Auch wenn 109 Jahre zwischen dem Unglück und heute liegen, es scheint nur ein Wimpernschlag vergangen zu sein seit damals, angesichts dieser noch immer praktizierten, brutalen Traditionen. Wer daran nicht verzweifelt, ist für HAMFERÐs bitteren Doom-Death gewappnet.

Wertung: 6 von 8 sinkende Schiffe

VÖ: 22. März 2024

Spielzeit: 43:41

Line-Up:
Jón Aldará – Vocals
Theodor Kapnas – Guitars
Eyðun í Geil Hvannastein – Guitars
Esmar Joensen – Keyboards
Remi Kofoed Johannesen – Drums
Jenus í Trøðini – Bass

Label: Metal Blade Records

HAMFERÐ „Men Guðs hond er sterk“ Tracklist:

01. Ábær (Official Video bei YouTube)
02. Rikin
03. Marrusorg
04. Glæman
05. Í hamferð
06. Fendreygar
07. Hvølja (Official Video bei YouTube)
08. Men Guðs hond er sterk

Mehr im Netz:

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