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EMMA RUTH RUNDLE: Engine Of Hell

Wenn es nicht mehr lauter geht, muss sie leise werden. „Engine Of Hell“ zeigt EMMA RUTH RUNDLE persönlicher und intimer als je zuvor.

Einmal Hölle und zurück. Eigentlich ist das nichts Neues, denn EMMA RUTH RUNDLE zeigt sich so authentisch und verletzlich wie keine andere Musikerin dieser Zeit. 2021 lernen wir aber: EMMA RUTH RUNDLE kann viel mehr, als sie bisher zeigte. Vielleicht bezahlt sie diese Brillanz mit den Dämonen, die sie mit sich herumträgt, vielleicht hält sie diese damit aber auch im Zaum, wer weiß das schon. „Engine Of Hell“ ist jedenfalls nicht zufällig so betitelt. Und es hat nicht zufällig ein Cover, auf dem sich die Musikern so ungeschminkt im Spiegel zeigt. Allein diese Fotografie, wie schon das Cover von „Marked For Death“. Hier geht es nicht darum, eine Maske von sich zu zeigen, es geht darum, SICH zu zeigen.

EMMA RUTH RUNDLE, die mit „Marked For Death“ ein so unfassbar schmerzlich, mitreißendes Album und mit „Some Heavy Ocean“ ein fast perfektes Singer-Songwriter-Werk verzeichnen kann, scheint nun auf eine gewisse Art und Weise diese beiden Pole zu verbinden – in einer neuen Ästhetik. Wer wusste schon, dass EMMA RUTH RUNDLE nicht nur eine herausragende Gitarristin, sondern auch ein sehr solide Pianistin ist? Und genau hier beginnt „Engine Of Hell“. Als hätte sich EMMA RUTH RUNDLE mit dem – sehr guten! – „On Dark Horses“, das sie erstaunlich leicht und shoegazig-bandorientiert zeigte und der letztjährigen, brutalen und voluminösen Kollaboration mit THOU dazu entschieden, dass es nur in eine Richtung gehen kann.

EMMA RUTH RUNDLE hat das Instrument ihrer Jugend entdeckt: Auch am Piano schreibt sie große, oftmals schmerzhafte Songs.

Und die heißt: Konsequente Reduktion. Das ist gleichbedeutend mit ungefilterter Emotion. Ergo wird es nicht unbedingt bequem auf „Engine Of Hell“, aber so richtig wird das wohl niemand erwartet haben. Gleichzeitig ist dieses Album so wunderbar ungekünstelt und dadurch so bewegend und irgendwie auch schwer auszuhalten. EMMA RUTH RUNDLE erspart sich selbst und ihrem Publikum nichts, weder die Düsternis, noch die lichten Momente. Und derer gibt es genug, man muss sie nur suchen. So saß EMMA RUTH RUNDLE nach einigen Jahren zum ersten Mal wieder am Klavier, dem Instrument ihrer Jugend und wurde prompt mit den Dämonen aus ihrer Kindheit konfrontiert. Vorhang auf für „Engine Of Hell“.

Mit den schweren Klavierakkorde von „Return“ geht EMMA RUTH RUNDLE in medias res und baut sofort eine bedrückende, aber andererseits doch hoffnungsvolle Stimmung auf. Ihre darauf gelegte Stimme ist mal zerbrechlich, mal kraftvoll, hadert mal mit dem Leben, stellt sich dennoch immer den Widrigkeiten entgehen. Es braucht nicht mehr als das Klavier, das selbst eine Geschichte zu erzählen scheint, und den entrückten Gesang: „Return“ geht unter die Haut und berührt tief. Hier macht sich auch bemerkbar, dass EMMA RUTH RUNDLE den richtigen Weg ging, alle Songs als One-Takes einzuspielen – mehrmals, um sich schließlich die beste Version für das Album auszusuchen. Die Stimme mag mal schwanken, ein Ton am Instrument mag mal daneben sein, aber der emotionale Aufschlag gleicht einer Urgewalt.

„Engine Of Hell“ ist ein unpoliertes, unperfektes Album – mit einem maximalen emotionalen Aufschlag.

Das Hauptinstrument wechselt ab diesem Moment fast von Song zu Song. „Blooms Of Oblivion“ ist ein Stück mit Akustikgitarre, leiser Violine im Hintergrund und ein paar Klaviereinsprengseln. Nicht nur hier erreicht „Engine Of Hell“ locker das Niveau von „Some Heavy Ocean“: Die Stücke wirken einerseits recht frei, sind andererseits gut und subtil arrangiert haben die Schwere von „Marked For Death“. Auch „The Company“ und „Citadel“ gehen in diese Richtung. Und dazwischen immer wieder Klavier: „Body“ erinnert durch die Melodieführung an die dunklen Momente von AGNES OBEL, folgt einer sehr prägnanten Melodielinie. Der Gesang wirkt fast so, als würde EMMA RUTH RUNDLE als Beobachterin neben ihrem jungen Ich stehen und schützend die Hand auf die Schulter legen.

Und dann gibt es neben all der Düsternis ein paar Lichtblicke: „Dancing Man“ schleicht mit langsamem und bedächtigen Pianomelodien wie ein Lichtschimmer durch den Nebel des Novembers. Die Sängerin haucht die Zeilen leise ins Ohr der Hörer, steht direkt neben ihnen, die Worte direkt ins Herz transferiert, einer tiefen, freundschaftlichen Umarmung gleich, die im selben Moment ein Flehen ist. Auch „Razor’s Edge“ wirkt überraschend leicht, vielleicht weil EMMA RUTH RUNDLE es seit jeher gewohnt ist, auf der Schneide zwischen Euphorie und Depression zu wandeln. Ein stilles Lied, das Kraft gibt.

EMMA RUTH RUNDLE räumt mit ihrer Kindheit auf: „Engine Of Hell“ zeichnet den Weg von Trauer in Richtung neuer Kraft.

Auch beim abschließenden „In My Afterlife“ schafft EMMA RUTH RUNDLE die Transformation von Trauer in richtung neuer Kraft: Sie scheint allen Nöten und allem Mühsal zu entschweben; nur durch leise Klavierakkorde und ihrer zerbrechlichen Stimme geht es in Richtung Erlösung. Was für ein Ende für so ein bewegendes, intensives, leises Album. Überhaupt, es ist unglaublich, wie sich so etwas Schönes aus derart schmerzhaften Prozessen ergeben kann. Das ist pure Magie. Und es ist ein Beweis dafür, dass es sich lohnt, den eigenen Schatten anzunehmen und anzuschauen.

Natürlich wissen wir schon lange, dass EMMA RUTH RUNDLE uns direkt mit in ihr Innerstes nimmt, ganz in der Tradition der besten Liedermacher der letzten Jahrzehnte. Und dass die direkte, unperfekte Ästhetik – musikalisch wie visuell – viel mehr zu bieten hat, als alles Geglättete, Gephotoshoppte, Überproduzierte. Das bewegt und inspiriert, das tut manchmal verdammt weh, aber immer schafft es eine tiefe Verbundenheit. Und dass es so etwas Echtes, Ungekünsteltes, Intensives auf dieser kaputten Welt gibt, ist ein kleines Wunder. Die Hörerschaft von EMMA RUTH RUNDLE ist definitiv priviligiert.

Wertung: 7,5 von 8 Kindheitserinnerungen

VÖ: 5. November 2021

Spielzeit: 40:53

Line-Up:
EMMA RUTH RUNDLE – Vocals, Piano, Guitar

Label: Sargent House

EMMA RUTH RUNDLE „Engine Of Hell“ Tracklist

1. Return (Official Video bei Youtube)
2. Blooms of Oblivion (Official Video bei Youtube)
3. Body
4. The Company
5. Dancing Man
6. Razor’s Edge
7. Citadel
8. In My Afterlife

Mehr im Netz:

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