Nach der einst groß zelebrierten Verwüstung der Erde durch den Menschen legen A STORM OF LIGHT den Finger erneut in eine ähnliche Wunde: In „Nations To Flames“ ist abermals die Menschheit die entscheidende Triebfeder, nur diesmal begehrt sie gegen sich selbst auf, oder besser gesagt: gegen die von ihr geschaffenen Institutionen. Alles auf Null sozusagen, Josh Graham drückt mit seinen Mannen auf den Reset-Knopf.
Das Setting von „Nations To Flames“ hat etwas von Cormac McCarthy, keine Frage. Die Endzeit hat begonnen, der Mix der Platte ist so ungeschliffen und grob wie der Schutt um das brennende Capitol. A STORM OF LIGHT sind lauter, ungeordneter; der revoltierende Mob setzt sich dank der unruhigen Produktion mit unberechenbarer Eigendynamik in Bewegung.
A STORM OF LIGHT leiden unter zunehmendem Identitätsverlust
Auf den rifforientierten Vorgänger „As The Valley Of Death Becomes Us, Our Silver Memories Fade“ wurde noch mal eine Schippe Anarchie draufgelegt. Dies resultiert in vergleichsweise kompakten Tracks, die für A STORM OF LIGHT-Verhältnisse geradezu entfesselt scheinen. Schleppende Riffs gibt es phasenweise noch zu hören („The Fire Sermon“), allgemein ist das Tempo dennoch höher ausgefallen als erwartet.
Damit einher geht allerdings ein fortschreitender Identitätsverlust: Schon „As The Valley Of Death Becomes Us, Our Silver Memories Fade“ hatte Probleme, seinen rohen Metalanstrich gegen die mächtigen Post-Metal- und Doom-Walzen des Zweitwerks „Forgive Us Our Trespasses“ zu behaupten. „Nations To Flames“ gibt unter dieser Last nun streckenweise gänzlich nach. Zugegeben, „Fall“ bringt uns mit seinem stampfenden Marschrhythmus noch ohne Umwege auf die Straße, das heftig riffende „Omen“ lässt die ersten Denkmäler zu Boden krachen, „Dead Flags“ sieht im doomigen Tempo, und von kreativen Schlagzeugpatterns unterlegt, dabei zu, wie die Asche der brennenden Staatsflaggen die Straße hinabgeweht wird.
Der Charakter von „Nations To Flames“ geht im Krawall verloren
Seine Momente hat „Nations To Flames“, das will ich gar nicht unter den Schotter kehren. Die Abkehr von den ausladenden Strukturen ehemaliger Post-Metal-Schwergewichte hin zum dichten Riff-Metal lässt das Songwriting jedoch insgesamt beliebiger erscheinen. Wohlwollend formuliert hieße dies, A STORM OF LIGHT blieben dem thematischen Konzept treu, wenn sie grau mit grau mischen.
Die Farbe, die das doomige Frühwerk bereicherte, sorgte seinerzeit für markante Konturen. Nun leidet „Nations To Flames“ vor allem gesanglich unter den eintönigen Shouts Josh Grahams – melodischer Gesang oder beschwörerische Backgroundunterstützung, wie sie Nerissa Campbell auf „Forgive Us Our Trespasses“ und „Primitive North“ lieferte, haben keinen Platz in dieser Betonwüste.
So sehr ich also den US-Amerikanern zur beeindruckend authentischen Umsetzung der Endzeit-Thematik gratulieren möchte, freuen kann ich mich darüber nicht. „Lifeless“, „Disintegrate“ oder „You Are The Hunter“ sind allesamt ordentliche Stücke mit viel Durchschlagskraft; aneinandergereiht geht im Krawall aber die Stille und damit der Charakter verloren. Auf halbem Weg hat sich das Potenzial von „Nations To Flames“ so erschöpft wie die visuelle Live-Untermalung der Band mittels einstürzender Häuser in Zeitlupe. Möge Josh Graham Erbarmen haben und uns diesmal wenigstens fürs Auge frische Kost bieten, sonst gehe ich demnächst tatsächlich noch auf die Straße.
Eine weitere Meinung zu Nations To Flames gibt es in unserem Archiv:
A STORM OF LIGHT: Nations To Flames (CD-Review von Eschaton).
Veröffentlichungstermin: 04.10.2013
Spielzeit: 51:35 Min.
Line-Up:
Josh Graham – Vocals, Guitar, Keyboards
Domenic Seita – Bass, Backing Vocals
Billy Graves – Drums, Percussion
Produziert von Travis Kammeyer, Matt Bayles (Mix), Brad Boatright (Mastering)
Label: Southern Lord
Homepage: http://astormoflight.com/
Mehr im Netz: http://www.facebook.com/astormoflight
A STORM OF LIGHT „Nations To Flames“ Tracklist
01. Fall (Audio bei YouTube)
02. Apostles Of Hatred
03. The Fire Sermon
04. Omen
05. Dead Flags
06. All The Shining Lies
07. Disintegrate (Audio bei YouTube)
08. Lifeless
09. Soothsayer
10. You Are The Hunted
11. The Year Is One