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Jahresrückblick 2025 von Christina Willems

2025 war kein gutes Jahr. Aber es hatte einen verdammt guten Soundtrack. Eine augenzwinkernde Retroperspektive zwischen Weltschmerz und Wahnsinn.

2025 liegt in seinen letzten Atemzügen. Und ich wäre bereit, jetzt schon den Sargdeckel zuzuklappen. Denn die vergangenen zwölf Monate waren wahrlich ein Wechselbad der Gefühle. Was mussten wir nicht alles ertragen? 2025 nahm uns Ozzy Osbourne und gab uns dafür Donald Trump, Labubus und den „Pudding mit der Gabel essen“-Trend.

Und sonst? The same procedure as every year, James! Wacken versinkt im Schlamm, der FC Bayern ist Deutscher Meister, und mit Friedrich Merz bekommt das Land einen Kanzler, der perfekt zu diesem Jahr passt – vorhersehbar, schwer verdaulich und mit einem Hang zur Trostlosigkeit.

Gerade in solchen Jahren zeigt sich, warum extremer Metal mehr ist als bloße Eskalation. Kein Soundtrack zum Weltschmerz, sondern ein Ventil. Vielleicht liegt es daran, dass mich gerade diese sieben Alben durch 2025 getragen haben. Nicht weil sie die Welt besser gemacht hätten, sondern weil sie nichts beschönigten.

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DER WEG EINER FREIHEIT: Innern

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DER WEG EINER FREIHEIT liefern mit „Innern“ eines der stärksten und emotional dichtesten Black-Metal-Werke des Jahres ab. Schon die Struktur macht klar, dass hier nichts dem Zufall überlassen wurde: Sechs Songs, 43 Minuten, klare Dramaturgie. Statt Dauerbeschuss setzen die Bayern auf Spannungsbögen und kontrollierte Eskalation. Blastbeats wechseln sich mit Mid-Tempo-Passagen ab und gipfeln in fast meditativen Melodien, ohne dabei an Intensität zu verlieren. Nichts wirkt überladen, nichts zufällig. Jeder Ausbruch hat Gewicht, jeder ruhige Part eine Funktion.

„Innern“ fordert Aufmerksamkeit, belohnt sie aber mit einer Intensität, die lange nachhallt. Das Album ist ein Paradebeispiel für modernen Black Metal, der nicht über Geschwindigkeit oder Lautstärke definiert wird. Sondern über Rhythmusstruktur, präzise Riffs und emotionale Wucht – bombastisch, ohne pathetisch zu sein. Auf diese Weise schaffen DER WEG EINER FREIHEIT ein beeindruckendes und geschlossenes Genre-Statement, mit dem 2025 nur wenige Veröffentlichungen mithalten können.

MANTAR: Post Apocalyptic Depression

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Mit „Post Apocalyptic Depression“ haben uns MANTAR im Februar ein echtes Brett um die Ohren gehauen. Das zarte Cover mit dem charmanten Partyhut lässt nicht vermuten, dass in diesem Album ein rotziger Mix aus Doom, Sludge und Punk steckt. Während Hanno Klänhardt auf dem Vorgänger „Pain Is Forever and This Is the End“ noch überraschend melodisch ins Mikrofon keifte, hat das Duo aus Bremen nun zu seiner alten Härte zurückgefunden.

Mit nur 35 Minuten Spielzeit ist das Album eher kurz und lässt den Hörer nach dem ersten Durchlauf mit gemischten Gefühlen zurück. Die zwölf Songs sind sperrig, rau und unvorhersehbar: Hier prallen Blastbeats auf Doom-Riffs, Black Metal auf Hardcore Punk. Ohne Bass, nur mit Gitarre und Schlagzeug, erschaffen MANTAR eine Soundwand, die härter wirkt als so mancher Fünf-Mann-Trupp. „Post Apocalyptic Depression“ klingt nicht nach Stadiontour und Champagner im Backstage-Bereich, sondern nach Kneipenschlägerei, Bier und blutigen Nasen. Keine leichte Kost, aber ein Leckerbissen, der noch lange im Gedächtnis bleibt.

LAMP OF MURMUUR: The Dreaming Prince in Ecstasy

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Dass Black Metal kein rein skandinavisches Phänomen ist, haben schon UADA eindrucksvoll bewiesen. Mit „The Dreaming Prince in Ecstasy“ reihen sich nun auch LAMP OF MURMUUR in die Riege ernstzunehmender US-Schwarzmetaller ein. Und das absolut verdient, denn das vierte Album des Ein-Mann-Projekts aus Washington punktet mit einem mitreißenden Mix aus Theatralik und unerwarteter Eleganz. Klassischer Black Metal, Gothic Rock und großzügig eingestreute Symphonic-Elemente verschmelzen hier zu einer fast schon orchestralen Inszenierung mit Wiedererkennungswert.

Wer auf rohes Geschrammel steht, dürfte mit dem Genre-Mix dieses Albums seine Probleme haben. So könnten die ersten Riffs von „Moondance“ auch problemlos aus der Feder von Tobias Forge und den Hardrockern von GHOST stammen. Dank der kratzigen, ungeschliffenen Stimme von „M.“ klingt das Album aber zu keiner Zeit kitschig und erinnert glücklicherweise nicht an den häufig belächelten „Charme“ von Symphonic-Black-Metal-Bands wie DIMMU BORGIR. Ein echtes Highlight, wenn man Lust auf Atmosphäre, Ekstase und ein wenig Pathos hat.

BLACKBRAID: Blackbraid III

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Nachdem Jon „Sgah’gahsowáh“ Krieger die Black-Metal-Szene mit „Blackbraid I“ (2022) und „Blackbraid II“ (2023) ordentlich aufgemischt hatte, präsentierte das Universal-Genie aus dem US-Bundesstaat New York 2025 sein neuestes Werk. Wieder hat Krieger alle Instrumente – bis auf die Drums – selbst eingespielt, und wieder setzt er auf rasende Blastbeats, eindringlich melodische Leads und traditionell indigene Instrumente. Das Ergebnis ist ein druckvoller Sound, der strukturiert, aber nicht überpoliert klingt.

Sgah’gahsowáh erfindet das Rad mit diesem Album nicht neu, stellt aber einmal mehr die musikalische Bandbreite von BLACKBRAID unter Beweis. Vom akustischen „Traversing The Forest Of Eternal Dusk“ bis zum wuchtig-aggressiven „God Of Black Blood“ bedient er alle Spielarten des modernen Black Metals. Der Mix aus melancholischen Melodien, keifenden Vocals und imposanter Rhythmusstruktur schafft eine bedrückende, aber gleichzeitig faszinierende Atmosphäre. Ein Album voller Verzweiflung, Wut und Schwere, das auch nach 52 Minuten noch lange nachklingt.

KARG: Marodeur

Karg - Marodeur Cover

Wer KARG als Solo-Projekt von HARAKIRI FOR THE SKY-Frontman Michael „J.J.“ Kogler kennt, dürfte nun aufhorchen. Denn mittlerweile hat sich nicht nur die Band vergrößert, sondern auch ihre musikalischen Einflüsse. Und das funktioniert überraschend gut, denn die Elemente aus Klassik, Post-Rock und Grunge harmonieren bestens. Musikalisch bewegen sich KARG auf „Marodeur“ weiterhin im Post-Black-Metal-Spektrum, verzichten aber auf die ausufernden Spannungsbögen und hymnischen Eskalationen, für die HARAKIRI FOR THE SKY bekannt sind.

Auch produktionstechnisch bleibt das Album angenehm unaufgeregt. Der rohe Sound trägt die melancholische Stimmung, ohne sie zu glätten. Alles wirkt bewusst zurückgenommen – und gerade deshalb so intensiv. Weniger Pathos, weniger Katharsis, dafür mehr innere Spannung und Zerrissenheit. Ergänzend lohnt sich ein Blick auf das FIRTAN-Feature „Annapurna“, das die stilistische Vielseitigkeit des Albums und die musikalischen Einflüsse der neuen Bandmitglieder eindrucksvoll unterstreicht.

ABIGAIL WILLIAMS: A Void Within Existence

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Ding Dong, die Hex ist tot! Und das bezieht sich in diesem Fall nicht nur auf die Hexenprozesse von Salem, bei denen sich die US-Amerikaner von ABIGAIL WILLIAMS ihren Namen geliehen haben. Sondern auch auf die Abkehr von ihren Metalcore-Wurzeln, die mit „A Void Within Existence“ endgültig Geschichte sind. Statt geknüppelter Breakdowns und genretypischer Härte setzt die Band nun auf atmosphärischen Doom und Black Metal. Und auf ein packendes Potpourri aus Emotionen – hier geben sich Verzweiflung, Schmerz und Wut die Klinke in die Hand.

Sänger Ken Sorceron röchelt, kreischt und knurrt sich durch die sieben Tracks des Albums, beweist in Songs wie „No Less Than Death“ aber auch sein Talent für klaren Gesang. Eindrucksvoll untermalt von Schlagzeuger Mike Heller (FEAR FACTORY/MALIGNANCY), der die Band als Studio-Musiker unterstützt und für seine technische Präzision bekannt ist. „A Void Within Existence“ ist ein konsequenter Schritt hin zu ernsthaftem, atmosphärischem Black Metal – ruhig, dicht und deutlich reifer als alles, was die Band zuvor veröffentlicht hat.

LORNA SHORE: I Feel the Everblack Festering Within Me

Lorna Shore - I Feel The Everblack Festering Within Me Cover

Deathcore hat in der Metal-Community keinen leichten Stand, gilt als erzwungen aggressiv und emotional austauschbar. Vorurteile, die „I Feel the Everblack Festering Within Me“ mühelos bestätigen könnte. Schließlich setzen auch LORNA SHORE auf die bekannten Stilmittel des Genres – tiefergestimmte Riffs, massive Breakdowns, hohe Dissonanzen. Dennoch schafft die Band mit ihrem neuesten Werk eine beeindruckende Ästhetik, die einige Parallelen zum modernen Black Metal zeigt.

Die orchestralen Arrangements sind nicht nur Kulisse, sondern erzeugen eine dichte Atmosphäre, in die sich Will Ramos’ Gesang nahtlos einfügt. Seine extreme Bandbreite transportiert die Texte mit einer emotionalen Wucht, die man im Genre nicht allzu häufig erlebt. Dabei profitieren die Songs von klaren Dynamikwechseln, die zwischen schnellen, technischen Parts und kontrollierten Ruhepunkten balancieren. Tracks wie „Glenwood“ sorgen für Gänsehaut, ohne allzu pathetisch zu klingen. So funktioniert Deathcore, der auch eingefleischte Black-Metal-Puristen überraschen dürfte.

Honorable Mentions:

Auch in diesem Jahr gab es sie – die Alben, die gut, aber eben nicht grandios waren. Veröffentlichungen, die mich unterhalten, aber nicht wirklich mitgerissen haben. Solide genug für eine Schnetzel-Session in Diablo IV oder eine anstrengende Zugfahrt, aber kein Stoff für diese Liste. Erwähnt werden sollten sie allerdings trotzdem.

  • AGRICULTURE: The Spiritual Sound
  • GHOST: Skeletá
  • DRAUGVEIL: Cruel World of Dreams and Fears
  • HARAKIRI FOR THE SKY: Scorched Earth
  • DEFTONES: Private Music
  • WHITECHAPEL: Hymns In Dissonance
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DÖDSRIT am 13. April 2025 in der Kantine in Köln

Im April 2025 gastierten HARAKIRI FOR THE SKY im Rahmen der „Scorched Earth“-Tour in der Kantine in Köln. Im Gepäck hatten sie nicht nur ihr gleichnamiges Album, sondern auch die Schweden von DÖDSRIT. Das ehemalige Ein-Mann-Projekt von Christoffer Öster besteht mittlerweile aus vier Musikern und hat sich mit dem vierten Album „Nocturnal Will“ (2024) auch musikalisch weiterentwickelt.

In Köln präsentierte sich die Band von ihrer besten Seite: energiegeladen, spielfreudig und technisch auf einem Niveau, das man so selten bei einer Vorband erlebt. Während HARAKIRI FOR THE SKY ihre Studio-Performance an diesem Abend nicht in gewohnter Stärke auf die Bühne transportieren konnten, brachten DÖDSRIT die Kantine zum Kochen – und das mit einer Intensität, die ihresgleichen sucht. Kein Wunder also, dass die Band seitdem einen festen Platz in meiner Playlist und auf meiner Lederjacke hat.

LAMP OF MURMUUR am 20. April 2025 im Bora in Duisburg

Was haben Black Metal und meine Heimatstadt Duisburg gemeinsam? Richtig: Beides ist hässlich, trist und nichts für schwache Gemüter. Entsprechend gut passte es, dass sich SPECTRAL WOUND und LAMP OF MURMUUR am Ostersonntag 2025 im Duisburger Bora die Ehre gaben. Das Setting hätte kaum passender sein können: Draußen Sturm und Dauerregen, drinnen zwei nordamerikanische Black-Metal-Formationen, die ein musikalisches Höllenfeuer entfachten.

SPECTRAL WOUND lieferten einen kraftvollen Auftritt ab und ließen ihren pechschwarzen Metal gnadenlos auf das Duisburger Publikum einprasseln. Und doch blieb am Ende vor allem ein anderes Bild in Erinnerung: die einsame, beinahe entrückte Präsenz von LAMP OF MURMUUR-Frontman „M.“. Fokussiert, technisch eindrucksvoll und gleichzeitig faszinierend zog er das Publikum in seinen Bann. Eine Performance, die schon im April ankündigte, was für ein Brett uns im November mit „The Dreaming Prince in Ecstasy“ erwarten sollte.

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