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ROADRUNNER UNITED: The Concert [DVD]

Wenn die Ausrichtung auf den amerikanischen Markt und das Wort "amaaaazing" zur Qual werden…

Nach der innovativen Idee der ROADRUNNER UNITED The All-Star Sessions-Scheibe zum 25jährigen Labeljubiläum, war es nur eine Frage der Zeit, dass auch eine Konzert-Jubiläumsparty steigen würde. Dies wurde am 15. Dezember 2005 in New York City Realität. Mehr als drei Jahre später erscheint die dazugehörige DVD. Visuell ist sie – wie zu erwarten war – professionell aufgemacht, doch nicht mehr. Das dünne Booklet ist informativ (es listet die jeweilen Line Ups zu den Coversongs des Konzertabends auf), aber gleichzeitig seelenlos. Farbarme Live-Fotos gibts, nicht mehr – und über das Label erfährt man nix. Schade, bei der Aufmachung hätte man mehr rausholen können, zumal der Aufkleber auf der DVD grossmundig verkündet The Metal Concert to end all Metal Concerts – 2-DVD includes the legendary concert & 75-minute documentary.

Mit der Hoffnung, dass wenigstens ein Bruchteil des hinteren Klappentextes wahr sein könnte, legt man die DVD 1 ein. Includes a deeply insightful documentary wird versprochen. Die Steuerung ist auf jeden Fall einfach, man kann nur auf Play drücken, denn es gibt keine Sprach- oder sonstige Auswahl. Und da manifestiert sich die sehr amerikanisch wirkende Natur dieser Veröffentlichung. Englisch wird gesprochen, Untertitel gibt es keine. Doch damit nicht genug – immer wieder vollführt die Tonspur bizarre Dynamiksprünge, obwohl hier lediglich Interviews in geschlossenen Räumen ohne nennenswerte Störfaktoren soundtechnisch zu bewältigen wären. Keine Ahnung, wie bei einer solchen Produktion, hinter der ein größerer finanzieller Etat steht als etwa bei der gelungenen MAYHEM-Doku, diese Art von Schwankungen zu erklären sind. Störend ist es auf jeden Fall.

Inhaltlich ist diese deeply insightful documentary indes ein wahres Desaster. Mitwirkende Musiker schauen sich die Aufzeichnungen des Konzertes auf ihrem Laptop an – und werden dabei von der Kamera gefilmt. Der Zuschauer schaut also Musikern zu, die wiederum selber in die Röhre gucken. Was soll daran deeply insightful sein? Deeply störend ist zudem, dass man sich den grausigen Sound der Musikerlaptopboxen auch nochmals anhören muss. Leider wird die doppelte Glotzorgie nicht durch Inhalte aufgewertet. Es wird übelste Phrasendrescherei betrieben, die man genausogut von einem Zufallsprinzip-Computer mit vorgefertigten Phrasen-Bits ausführen lassen könnte. He is an amaaaaazing musician (gespürte 200 amazing gelten als akustische Folter), We were sooooo druuuunk (ja, das wollen alle 12jährigen amerikanischen High School Kiddies unbedingt wissen!), der Alkohol war gratis, he`s just you know an amaaaazing musician, I was soooo drunk, legendäres Konzert, he`s an amaaaaazing musician, ich wusste gar nicht, aber dann spielten wir zusammen und – he`s an incredibly amaaazing musician. Und natürlich ist das Label greaat, alle sind greaat, eine richtige Familie, die Fans sind greaat, das Konzert legendär, besser als alles, was Person X je erlebt hat (wohl nie DEATH live gesehen, oder was?). Tragischer Höhepunkt: Drummer Roy Mayorga und Dino Cazares sind im Übungsraum, fangen an zu spielen, nur Drums und Gitarre. Statt dem Originalsound schneidet der eifrige Produzent einfach den überproduzierten Track rein – inklusive der 20-Gitarrenwand, Gesang, Bass und allem. Alles klar – eine Gitarre und ein Drumkit sind wohl nicht krass genug. Dieses Playback ist einfach nur oberpeinlich und Verrat an sämtlichen Metal-Idealen.

Die Dokumentation bietet also höchstens eine interessante Anekdote und null Einblick in die Labelgeschichte. Die Labelmitarbeiter bleiben graue Eminenzen, die nie auftauchen. Genausowenig werden Backstage-Impressionen gezeigt – wie in Amerika üblich, wird im Geheimen gesoffen und nachher über die eigenen Krassheit schwadroniert. Die 75 Minuten sind angesichts der plakativen Oberflächlichkeit und dem hohen Anteil Selbstbeweihräucherung eine einzige Tortur.

DVD 2 verspricht mit dem Konzertmitschnitt Erholung fürs gebeutelte Nervenkostüm. Das Wort legendär erfährt eine Wertminderung wie derzeit die Aktien von AIG, aber außergewöhnlich ist die internationale Zusammenarbeit so vieler verschiedener Musiker schon. Sympathisch, wie Glen Benton OBITUARYs The End Complete zum Besten gibt und dabei den Textzettel erst auf die Bühne legt. Stark, wie Tim Ripper Owens MERCYFUL FATE und KING DIAMOND singt. Unterhaltsam, wie sich gestandene Musiker an ANNIHILATORs Alison Hell die Zähne ausbeissen und nur knapp das Timing schaffen (gleichzeitig klares Qualitätssigel für ANNIHILATOR). Furchteinflössend (kindisch), wie Ville Valo während Black No. 1 das Rauchverbot missachtet. Berührend-schön, wie Keith Caputo und Corey Taylor zusammen Bother von STONE SOUR präsentieren und die Stimmung ganz kurz von Ergriffenheit geprägt ist.

Der Konzertmitschnitt fällt vom Handwerklichen her professionell aus. Abwechslungsreiche Kameraführung, nicht zu hektische Schnitte, anständiger Ton (auch in 5.1). Die Musiker sind alle mit Freude und Leidenschaft dabei, und der Funke springt über – auch im heimischen Wohnzimmer. Von den Zuschauern hört man nicht zuviel und nicht zuwenig, das modern tönende Musikgewitter inklusive künstlichem Drumsound dominiert jedoch klar. Trotzdem: Je länger das Konzert fortschreitet, desto weniger berührt es einen. Grund dafür ist zum einen, dass der Klang des Konzertes eher an das fünfundzwanzigste Jahr als an fünfundzwanzig Jahre ROADRUNNER erinnert. Zum anderen fehlen prominente Mitstreiter der dazugehörigen The All-Star Sessions-Scheibe wie King Diamond oder Mikael Åkerfeldt. Gleichzeitig erstaunt das Fehlen eines DEATH-Coversongs auf der Konzertsetliste – zumal ROADRUNNER unter anderem deren (wirklich) legendäres Album Symbolic veröffentlichten. Der Konzertmitschnitt wird somit eher für Anhänger der jüngeren ROADRUNNER-Jahre zum Leckerbissen…

Veröffentlichungstermin: 13.03.2009

Spielzeit: 195:00 Min.
Label: Roadrunner Records

Homepage: http://www.roadrunnerrecords.com/

MySpace: http://www.myspace.com/roadrunnerrecords

Tracklist:

Disc 1: ROADRUNNER UNITED Documentary (75 Minuten)

Disc 2: ROADRUNNER UNITED Show 15. Dezember 2005 Nokia Theater, New York City (120 Minuten)

1. BIOHAZARDs Punishment
2. MADBALLs Set It Off
3. LIFE OF AGONYs River Runs Red
4. OBITUARYs The End Complete
5. MERCYFUL FATEs Curse of the Pharoahs
6. KING DIAMONDs Abigail
7. ANNIHILATORs Alison Hell
8. DEICIDEs Dead By Dawn
9. TRIVIUMs Pull Harder On The Strings Of Your Martyr 10. KILLSWITCH ENGAGEs My Last Serenade
11. TYPE O NEGATIVEs Black No. 1
12. FEAR FACTORYs Replica
13. CHIMAIRAs Pure Hatred
14. ROADRUNNER UNITEDs Tired And Lonely
15. STONE SOUR`s Bother
16. ROADRUNNER UNITEDs The Rich Man
17. ROADRUNNER UNITEDs The Dagger
18. ROADRUNNER UNITEDs The End
19. SOULFLYs Eye For An Eye
20. SEPULTURAs Refuse/Resist
21. SLIPKNOTs Surfacing
22. MACHINE HEADs Davidian
23. SLIPKNOTs Sic
24. SEPULTURAs Roots Bloody Roots

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