blank

THE DILLINGER ESCAPE PLAN, POISON THE WELL, BURST: München, Backstage – 16.11.2004

Harte Arbeit zahlt sich doch aus – THE DILLINGER ESCAPE PLAN zerlegten vor 400 Gästen das Backstage.

Nachdem ein paar Tage zuvor NASUM (zur Live-Review) das Feierwerk zerlegten, musste dieses Mal das allseits beliebte Backstage dran glauben. Zum insgesamt vierten Mal gaben THE DILLINGER ESCAPE PLAN ein Gastspiel in München, doch im Vergleich zum letzten, wegen den schlechten Umständen etwas ärgerlichem Konzert war dieses Mal einiges anders: Faire Eintrittspreise von 15 Euro an der Abendkasse und drei Bands an einem Abend waren die Zauberformel, die gut 400 Fans in das Backstage lockte.

BURST

Obwohl sie den meisten unbekannt waren, erspielten sie sich viele Sympathiepunkte: BURST

Besonders freute ich mich auf den Opener: BURST, die mich mit ihrem fantastischen Album Prey on Life enorm begeisterten, gastierten zum ersten Mal in München – leider 30 Minuten bevor der Beginn angesetzt wurde. Da ich aber etwas früher als normal dran war, verpasste ich nur fünf Minuten des Auftritts, ich vernahm gerade die letzten Töne von Vortex als ich eintraf. Schnell nach vorne gekämpft dauerte es ein paar Minuten, dass ich mit BURST live warm wurde – aber es lohnte sich. Obwohl Sänger Patrick durch eine Grippe schwer angeschlagen war, brachten er und seine Mitstreiter das intensive Material sehr gut rüber. Geniale Songs wie Sculpt the Lives und Iris wurden ebenso gespielt wie Material der extrem unterbewerteten EP In Coveting Ways. Scavenger war neben dem brandneuem Homebound – welches das Wasser im Mund zusammen laufen lässt – sogar das mit Abstand beste Stück der Show. Die Schweden agierten sehr energiegeladen und sympathisch, zeigten einiges an Bewegungsfreude und gönnten sich auch mal leichte Posen. Leider kannten die wenigsten die ambitionierte Musik von BURST, weshalb das Publikum bis auf ein paar Hartgesottene weitgehend ungerührt war. Den Abschluss bildete das Monster Visionary, das zu Hause allerdings weit besser wirkt. Dennoch gab es viele Sympathiepunkte. Das zu dieser Zeit nicht mal halb gefüllte Backstage gab einen ordentlichen Applaus und so mancher deckte sich mit dem Album Prey on Life ein.

POISON THE WELL

POISON
Zwiespältige Show, welche die vielen Fans jedoch voll überzeugte: POISON THE WELL

Sicherlich haben es THE DILLINGER ESCAPE PLAN zu mehr gebracht als jede andere Band auf Relapse und sicherlich ist der steile Weg nach oben verdienter Natur, diese Band rackert sich ab wie blöd. Doch sie sind nicht der einzige Grund, warum so viele Leute in das Backstage stömten: POISON THE WELL sind eine der New-School Hardcore-Bands der Stunde, ihre Songs werden Samstags im Backstage rauf und runter gespielt. Klar, dass die Hardcorefraktion sich nach vorne drückte und der Moshpit gefährliche Ausmaße annahm. Mit POISON THE WELL ist es aber so eine Sache, es gibt einige ganz gute Songs, speziell auf dem Album You Come Before You, doch die meisten Stücke der Band haben einen Tiefpunkt und sind nicht durchgehend spannend oder mitreißend. Das war auch live das Problem der Amis, denn obwohl sie verdammt professionell wirkten, schafften sie es nicht die langweiligen Passagen zu kaschieren. Auch wenn die Coolness im Stageacting überwog, spornten POISON THE WELL das Publikum ordentlich an, welches ihre Helden feierte wie ein Black Metaller den Tod vom Papst. Doch nach knapp 40 Minuten verschwanden POISON THE WELL wieder, die einerseits sympathisch, andererseits zu cool und einerseits mitreißend, andererseits etwas belanglos waren.

THE DILLINGER ESCAPE PLAN
Danach herrschte zunächst eine Umschichtumg vor der Bühne, denn die Hardcore-Kids verschwanden nach hinten und die Psychos, denen man die Handschuhe an die Jacke näht, wanderten nach vorne, so auch ich. Als THE DILLINGER ESCAPE PLAN nach einem etwas längerem Intro mit Panasonic Youth begannen, machten sich sogleich meine Muskeln und Gelenke selbstständig und ich fand mich in einem Pit mit anderen Freaks, die ebenso die Kontrolle über sich verloren. Doch nicht nur die ersten Reihen des Publikum tobten, auch die Band drehte vollkommen durch. Waghalsige Akrobatik auf der Bühne? Wenn möglich gerne, vor allem zu dieser Musik. THE DILLINGER ESCAPE PLAN sind nun schon seit Ende September nahezu ununterbrochen auf Tour, daher ist diese Band wirklich perfekt eingespielt. Das merkte man den Musikern an, routiniert spielten sie das Material, weshalb auf das Abgehen so viel Wert gelegen werden konnte. Besonders Gitarrist Brian Benoit war völlig von der Rolle, tänzelte entweder während komplexen Riffs über die Monitorboxen oder sprang unter dissonanten Soli auf 1,50 Meter hohe Bassboxen. Dass solche Kunststücke begeisterten ist klar, vor allem wenn dazu Songs wie Sunshine the Werewolf, Baby´s First Coffin, The Perfect Design oder We are the Storm zum Besten gegeben werden. Die Band fokussierte sich natürlich auf Songs von Miss Machine, aber auch Pflichtsongs wie The Mullet Burden, 43% Burnt, Sugar Coated Sour, Destro´s Secret und The Running Board gab es von New Yerseys Finest zu hören. Neben dem chaotischen Jazzcore zeigte das Quintett auch, dass eingängige Songs eine Kunst sind: Setting Fire to Sleeping Giants und der Mittelteil von When Good Dogs Do Bad Things animierte die Menge nicht nur zum Tanzen (kein Scherz), sondern auch (kein Scherz) zum Mitklatschen. Daneben verbesserte sich das Stageacting von Sänger Greg um einiges, sein Kontakt zum Publikum war nie besser und sein Gesang war gerade in den klaren Passagen besser und sicherer denn je. Auch Gitarrist Ben Weinman und Bassist Liam Wilson gaben alles, der Schweiß der von ihren Armen tropfte sprach Bände. Ruhepol Chris Pennie sorgte für eine bombenfeste Rhythmussektion und störte sich nicht daran, wenn sich durch die Ausbrüche seiner Kollegen mal ein Teil seines Drumkits verabschiedete. Zimperlich wurde nirgends umgegangen, dafür war dieser 60-minütige Auftritt so ziemlich das Mitreißendste, dass ich dieses Jahr erleben durfte. THE DILLINGER ESCAPE PLAN haben es geschafft mit anspruchsvoller Musik enormen Erfolg einzufahren – dieses Konzert war der Beweis und zeigt, dass diese kompromisslose Band auf dem richtigen Weg ist. Die harte Arbeit zahlt sich im Falle THE DILLINGER ESCAPE PLAN absolut aus und auch wenn noch keine Ermüdungserscheinungen auftauchen, ob sie noch lange dieses Tempo halten können ist fraglich. Bis dahin bleibt mir diese Show in Erinnerung – als mit Abstand bester Auftritt, den ich von dieser eh unglaublichen Band je gesehen habe.

THE
Waghalsige Akrobatik auf der Bühne, gepaart mit extrem anspruchsvoller Musik: THE DILLINGER ESCAPE PLAN
WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner