SAXON, RAWHEAD REXX – Stuttgart LKA, 06.10.2001

Es herrschte eine Wahnsinnsstimmung..!

Eines gleich mal vorneweg: Im Stuttgarter LKA herrschte eine Wahnsinnsstimmung. Sprechchöre nach dem ersten (!) Songs, minutenlanger, tosender Applaus und glückliche Gesichter, wohin man blickte. Der Altersdurchschnitt lag um ungefähr 10 Jahre höher als sonst und irgendwie hatte ich den Eindruck, dass da ein Publikum anwesend war, das sich im voraus wochenlang auf das Konzert gefreut hatte. Wo werden denn noch Bettlaken mit Bandschriftzügen bemalt und durch die Reihen bis zur Bühne vorgereicht?! Saxon freuten sich nicht nur über das Transparent, sondern schienen insgesamt recht begeistert von den Reaktionen – abgesehen von den penetranten „Crusader“ Rufen, die Biff Byford mit einem galanten „It isn’t Crusader time yet!“ und „Crusader? NEIN!“ beantwortete.

Bevor Saxon aber die Bühne betraten, hatten RAWHEAD REXX erst noch die Gelegenheit, die Menge anzuheizen. Und das gelang ihnen auch recht gut – überraschend gut sogar für Stuttgarter Konzertverhältnisse. Die Band hat hier in der Gegend offenbar einige Fans, Songs wie „Scream“ oder die recht gelungene BLACK SABBATH Coverversion von „Heaven And Hell“ wurden dankbar aufgenommen und ließen den Auftritt von RAWHEAD REXX zu einer kurzweiligen Angelegenheit werden.

Dass SAXON trotz fortgeschrittenem Alter zu den wirklich guten Live Bands gehören, dürfte sich ja mittlerweile rumgesprochen haben. Dennoch ist es immer wieder erstaunlich, welche Power und Spielfreude diese Band zeigt. Los ging´s mit „Killing Ground“, die Songauswahl ist für eine Band, die dermaßen viele gute Songs im Backkatalog hat, natürlich kein Problem. Neben weiteren Stücken vom aktuellen Album „Killing Ground“, unter anderem der KING CRIMSON Coverversion „Court Of The Crimson King“, „dragon´s Liar“ und „Rock is our Live“, schüttelte sich die Band einen Klassiker nach dem anderen aus dem Ärmel: „747 (Strangers In The Night)“, „Never Surrender“, „20,000Feet“, „Forever Free“, „Wheels Of Steel“, „Strong Arm Of The Law“, das uralte „Backs To The Wall“ vom ersten SAXON Album und eine Gänsehautversion von „Broken Heroes“. „Conquistador“ wurde durch ein beeindruckendes Drumsolo von Fritz Randow unterbrochen – der sich zu recht ausgiebig bejubeln ließ und zum Dank anschließend gleich noch ein paar Takte weitertrommelte, danach ging der Song nahtlos in „Heavy Metal Thunder“ über, um irgendwann wieder bei „Conquistador“ zu enden. Weitere Songs waren „Solid Ball Of Rock“, „Dogs Of War“ „Great White Buffalo“ – ganz zu schweigen von Standards wie das unvermeidbare und immer wieder schöne „Crusader“, „Princess Of The Night“, „The Eagle Has Landed“ oder „Motorcycle Man“.

Zeitlos gute Songs machen allerdings noch lange kein gutes Konzert. SAXON sind lange genug dabei, um das zu wissen – und boten deshalb eine Show, von der sich so manche Band, die gerade mal halb so alt ist, eine ganze Menge abschauen kann. Biff war sehr gut bei Stimme, er hatte zwar zugegebenermaßen ein leichtes Spiel mit dem euphorischen Publikum, und konnte so ohne weiteres mit ein paar Ansagen die Stimmung weiter steigern. Trotz der relativ großen Halle war in den vorderen Reihen kaum eine Distanz zwischen Band und Publikum zu fühlen, man spürte einfach, dass da eine Band auf der Bühne stand, die Spaß hatte und alles für die Fans gab. Basser Nibbs Carter schraubte sich fast den Kopf ab, bangte und sprang wie ein Wahnsinniger auf der Bühne umher. Neben einem in Ehren ergrauten und charismatischem Frontman wie Biff Byford zu bestehen ist sicher nicht einfach, doch Nibbs meisterte diese Aufgabe einmal mehr mit Bravour – die beiden Gitarristen Paul Quinn und Doug Scaratt standen daher auch eher im Hintergrund. SAXON hielten tapfer über zweieinhalb Stunden durch, zeigten keine Ermüdung und die am Rand stehenden Roadies blickten ungläubig auf ihre Uhren, als sich die Band zum vierten Mal (!) auf der Bühne versammelte, um eine weitere Zugabe zu spielen. Die Mitsingspielchen und Soloeinlagen, die ich bei anderen Bands oft als unnötig und anbiedernd empfinde, funktionierten an diesem Abend perfekt, da zu keiner Zeit das Gefühl aufkam, dass hier lediglich ein Set in die Länge gezogen wurde. Zwei Erkenntnisse nahm ich außerdem mit nach Hause: Erstens, Biff Byford ist der einzige Mensch, der auf der Bühne hüpfen kann ohne an ein orientierungsloses Känguru zu erinnern; zweitens, zwei Bands an einem Abend können mehr Spaß machen als die ganzen Packages, die immer mehr in Mode zu kommen scheinen – zumindest wenn eine Band so souverän und engagiert auftritt wie SAXON.

Link zur Foto-Gallery des Konzerts in Stuttgart

Bericht: vampiria

Fotos: boxhamster

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